Ducati fährt 2014 komplett in der Open-Klasse. Was sagen Sie dazu?
Bernhard Gobmeier: Es hilft auf alle Fälle in Bezug auf Rundenzeiten. Es hilft bei der Weiterentwicklung des Motors, der im Factory-Status eingefroren wäre, allerdings hilft es nicht so sehr bei der Elektronik. Das war die große Abwägung zwischen Factory und Open Class. Auf der einen Seite hat man zwar den Vorteil der ausgereifteren Elektronik, auf der anderen Seite hat man eben nicht die Möglichkeit, massiv am Motor weiterzuentwickeln. Die Entscheidung ist verständlich, weil man sich in Bologna natürlich auf keiner Weise einem Entwicklungsstopp unterwerfen wollte. Das macht natürlich schon Sinn. Dazu kommt noch der Vorteil der weicheren Reifen, der auf manchen Rennstrecken ausgespielt werden kann.

Könnte Ducati einen Vorteil gegenüber Konkurrenten wie Honda haben, wenn 2015 oder 2016 dann alle mit Magneti Marelli fahren müssen?
Bernhard Gobmeier: Ja, durchaus. Es ist natürlich schon so, dass die Magneti Marelli Hardware für alle gleich ist, die Software weiterentwickelt wird und damit besser wird. Ducati wird so von der ersten Minute an dabei sein. Schon im letzten Jahr haben wir entschieden, dass wir mindestens mit einem Motorrad dabei sein müssen. Diese Entscheidung über einen Platz in der Open Class fiel schon 2013. Wir wollten bei dieser Entwicklung dabei sein. Inwieweit Honda so ins Hintertreffen gerät, weiß ich nicht. Der Unterschied zwischen der Honda-Elektronik und der Magneti-Marelli-Elektronik wird irgendwann nicht mehr so groß sein. Sicherlich wird ein Unterschied vorhanden sein, aber wie weit das Honda zurückwirft, kann ich nicht beurteilen.

Hätten Sie den Schritt Gigi Dall'Ignas auch gewagt?
Bernhard Gobmeier: Diese Überlegung gab es schon im letzten Jahr und die Entscheidung, dass wir parallel entwickeln wurde schon gefällt, als Dall'Igna noch gar nicht an Bord war. Die endgültige Entscheidung dazu musste natürlich mit den Daten gefestigt werden, die man mit dem 2014er Bike jetzt sammeln konnte. Denn die neue Desmosedici war schon eine komplette Neukonstruktion. Mit dem neuen Bike und den Daten mussten sie dann entscheiden, entweder mit allen vier Fahrern oder nur mit einem oder zwei in der Open-Klasse anzutreten.

Welche Chancen haben Cal Crutchlow und Andrea Dovizioso jetzt?
Bernhard Gobmeier: Das ist das Allerschwierigste und sehr, sehr schlecht abzuschätzen. Ich denke, dass es auf alle Fälle um Einiges besser ausschaut als letztes Jahr. Die Basis hat sich verbessert und die Möglichkeiten in der Open Class sind besser. Man muss aber noch abwarten, wie sich die Konstellation mit anderer Software, mit anderen Reifen und möglicherweise dem ein oder anderen Vorteil bei der Leistung durch die größere Spritmenge insgesamt zusammenfügt. Wir müssen ein paar Rennen abwarten. Da etwas zu prophezeien ist sehr schwierig. Es sollten auf alle Fälle aber die Möglichkeiten da sein, sich gegenüber 2013 zu verbessern.

Die einen sagen, Ducati geht einen Schritt zurück, beziehungsweise wählt den leichteren Weg. Andere sagen, dass es nur so vorangehen kann. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Bernhard Gobmeier: Ein Schritt zurück würde ich in dem Sinne nicht sagen, weil es durch das Reglement einfach die Möglichkeit gibt. Es ist nichts, was im Geheimen entstanden ist, sondern die Regeln wurden von vornherein so kommuniziert und das auch schon im Laufe des letzten Jahres. Die logische Konsequenz war, dass wir das untersuchten und versuchten, herauszufinden, ob es zwei verschiedene Wege gibt. Dass es unter Umständen zu einem Vorteil führen kann, ist definitiv unbestritten. Theoretisch haben aber auch die anderen Hersteller genau diese Möglichkeiten. Die Dorna wollte für jeden Hersteller zwei Möglichkeiten offen lassen. Die Ursprüngliche Idee war, den Einstieg für private Teams günstiger zu gestalten. Grundsätzlich hat aber auch jeder der bestehenden Hersteller die Möglichkeit, dort einzusteigen. Yamaha hat es indirekt mit dem Forward Racing Team genutzt und diese Idee, dort mit den Werksmotorrädern einzusteigen sollte sich in den letzten Wochen auch dort widergespiegelt haben. Diese potentielle Lösung, dass Ducati in der Open-Klasse antritt, wurde - ich denke - schon seit November/Dezember letzten Jahres kolportiert. Insofern hat jeder Hersteller die Möglichkeit dieses Thema zu evaluieren und seine Schlüsse daraus zu ziehen. Dass Ducati mit dem neuen Management jetzt diesen Weg gegangen ist, ist legitim und möglicherweise auch mit dem ein oder anderen Vorteil behaften.