Zum ersten Mal war Sebastian Vettel gerade auf das oberste Podesttreppchen geklettert, zum ersten Mal saß er bei der Siegerpressekonferenz in der Mitte und zum ersten Mal kam er mit einem großen Pokal in der einen Hand und einer Flasche Champagner in der anderen Hand den Gang des Media Centers in Hockenheim entlang.

Rund eine Viertelstunde zuvor hatte Vettel sein erstes Rennen in der Formel 3 EuroSerie gewonnen, ausgerechnet vor seiner Haustür in Hockenheim. Schon vorher hatten wir uns den Dominator der Formel BMW Saison 2004 ausgeschaut: er sollte den Kolumnistenkreis des adrivo Motorsport-Magazins erweitern. Den Pokal noch im Arm, den Champagner im Haar zogen wir ihn in einen Nebenraum des Pressezentrums und konfrontierten ihn mit unseren Plänen.

Selbst ist der Mann

Mit BMW und Red Bull hatte er schon damals zwei große Konzerne als Unterstützer, so dass wir mit viel Papierkram, tausend involvierten Presseabteilungen und jeder Menge Freigabeprozessen rechneten. "Ja klar, machen wir", lautete Sebastians postwendende die Antwort. Kein Manager, der zustimmen musste, kein Pressesprecher, der alles lesen musste, kein Betreuer, der alles überwachte, kein Automobil- oder Getränkehersteller, der sich einmischte. "Nein, das entscheide ich, da brauche ich niemanden", sagte er mit dem heute so bekannten Lächeln.

Das erste gemeinsame Werk entstand noch in diesem Moment im ITR-Büro neben dem Pressesaal. "Pressechef Kay-Oliver Langendorff fragte mich scherzhaft beim Verfassen des Pressetextes nach meiner Lieblingsschlagzeile", schrieb Sebastian später in seiner ersten Kolumne für uns. "So wurde Hand in Hand mit den adrivo-Redakteuren die Headline "Sieg nach Abi-Stress" geboren."

Alle wollen helfen

Sebastians erster F3-Sieg., Foto: Sutton
Sebastians erster F3-Sieg., Foto: Sutton

Gut zweieinhalb Jahre danach hat Sebastian wieder zum ersten Mal ein Rennen gewonnen, wieder zum ersten Mal in der Mitte gestanden und gesessen. Einen Manager hat er immer noch nicht, es läuft auch so für den jungen Deutschen, auch wenn viele das große Geld wittern und nicht ganz uneigennützig anbieten: "Dann soll er mich anrufen, ich würde ihm sofort helfen." Das sagte Schumacher-Manager Willi Weber in der vergangenen Woche. "Wenn der Sebastian Vettel weiter so einen Erfolg haben will, muss er sich freischwimmen. Sonst bringt ihn der Hype irgendwann um."

In diesem Punkt gibt Michael Schumacher seinem Manager recht. "Oft braucht man jemanden, der einen in schwierigen Situationen auffangen kann, der einem beratend zur Seite steht", sagte Schumacher der Bild. Trotzdem wollte er Sebastian zu keiner Entscheidung raten. "Es gibt viele Wege, die nach Rom führen", so Schumacher. "Sebastian muss selbst für sich herausfinden, was er braucht und was nicht. Er ist ja nicht auf den Kopf gefallen."

Einen Helfer auf dem Weg zu einem Top-Team und an die Spitze der Formel 1 hat Sebastian laut AutoBild Motorsport sowieso schon, und der ist gar nicht so unbedeutend: Bernie Ecclestone. "Wir werden ihm dabei helfen, das zu erreichen", wird Ecclestone zitiert. "Ich habe immer gesagt, er ist gut. Jetzt sage ich, er ist super."

Wechselspekulationen

Die Vettel-Euphoriewelle hat Deutschland erfasst. "Ich kann gut nachvollziehen, was in vielen Menschen vorgeht", versteht Schumacher die aktuelle Vettel-Mania. "Deutschland braucht einen Star wie Sebastian Vettel, dem es die Daumen drücken kann, mit dem jeder Fan mitfiebern kann." Das Angenehme an Sebastian sei dass er ein netter Kollege sei, der einfach gut rüberkomme und dem man seine Freude abnehme.

Trotzdem hat er mit Toro Rosso und im nächsten Jahr Red Bull nicht unbedingt die besten Voraussetzungen, um die hohen Ansprüche der verwöhnten, deutschen Fans mit Siegen zu befriedigen. Entsprechend bekamen viele Journalisten am Montag und Dienstag von ihren Zeitungen die Aufträge, Artikel zu verfassen, wie Vettel 2009 doch noch in einem siegfähigen Auto bei Ferrari, BMW Sauber oder McLaren landen könnte.

Proteste der Vernunft bei den Kollegen halfen nichts, irgendwas musste her. Zum Glück half ihnen Heinz-Harald Frentzen etwas aus der Patsche. "Es ist nicht auszuschließen, dass ihn jemand aus seinem Vertrag herauskauft", sagte der Ex-F1-Pilot dem Nachrichtensender n-tv. "Die Topteams werden jetzt tief ins Portemonnaie schauen."

Der nächste Schumi

Michael Schumacher und Sebastian Vettel teilen nicht nur den Gasfuß miteinander., Foto: Sutton
Michael Schumacher und Sebastian Vettel teilen nicht nur den Gasfuß miteinander., Foto: Sutton

Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz winkte jedoch ab: "Zu einem Verkauf gehören immer zwei Seiten. Sebastian hat bei uns einen Vertrag. Er ist unverkäuflich", machte er in der Bild-Zeitung klar. "Wir haben viel mit ihm vor. Nächstes Jahr wird er zu Red Bull gehen. Mit ihm wollen wir die Top-Teams angreifen." Sebastian solle bei Red Bull zu einem Topfahrer werden. "Er gehört für mich zu den intelligentesten Formel-1-Fahrern. Er sammelt in kürzester Zeit viel Wissen. Deshalb sage ich: Die Vergleiche mit Schumi sind berechtigt."

Das sieht der besagte Rekordweltmeister anders, er warnte: "Lasst den armen Jungen doch mal in Ruhe! Ich habe es damals gehasst, dauernd verglichen zu werden und möchte ihn jetzt auch nicht in diese Ecke stellen. Er ist er selbst, und er macht sich schon seinen eigenen Namen. Da habe ich gar keine Angst!" Und das auch ohne Manager, wie anno 2006 in Hockenheim.