Natürlich sprechen derzeit alle über mein Formel 1-Debüt als Freitagsfahrer in Istanbul, aber meine Hauptpriorität liegt auf der Formel 3 und dort lief am Nürburgring alles wie am Schnürchen. Erstmals in dieser Saison hat das Qualifying genau so funktioniert, wie wir es wollten. Das Resultat war meine erste Pole Position in der Formel 3 - das wurde ja auch langsam Zeit. Insgesamt also ein guter Beginn eines super Wochenendes.

Der Start in Rennen 1 verlief ähnlich erfolgreich, auch wenn es nicht mein bester Start war. Ich konnte meine Führungsposition halten und einen relativ großen Vorsprung herausfahren. Als Zuschauer war dieses Rennen sicherlich nicht besonders spannend, aber als Fahrer war es durchaus eine Herausforderung ständig zu pushen, um den Vorsprung noch weiter auszubauen. Erschwert wurde dies durch einige Überrundete, denen leider keine blauen Flaggen gezeigt wurden; glücklicherweise konnte ich mich trotzdem irgendwie vorbeiquetschen. Am Ende konnte ich noch einmal etwas zulegen und den Abstand zu den Verfolgern erweitern: Es war ein klasse Rennen und, genau wie im Qualifying, war es an der Zeit auch einmal am Samstag ein Rennen zu gewinnen.

Das Beste daran: Am Sonntag ging es genauso weiter. Als Sieger vom Vortag muss man als Achter ins Rennen gehen und hat es dadurch immer sehr schwer, aber die Wetterturbulenzen spielten mir da etwas in die Karten, und dass obwohl Paul an diesem Tag etwas schneller war. Deshalb hatte ich mir vorgenommen drei, vier Plätze gut zu machen und vor Paul zu landen, um ein paar Punkte in der Meisterschaft aufzuholen. Über den zweiten Sieg beim Heimrennen, wenn auch nur am grünen Tisch, konnte ich mich dann natürlich nicht beklagen.

Nach der Safety-Car-Phase war das Rennen auf nasser Bahn richtig interessant. Fast alle Fahrer hatten noch Slicks aufgezogen und ein Wechsel auf Regenreifen kam für mich nicht in Frage, da es dafür schon zu spät im Rennen war. Im Funkkontakt mit dem Team haben wir ausgerechnet, dass es nach der Wiederaufnahme des Rennens maximal noch fünf oder sechs Runden geben würde und deshalb verwarfen wir die Idee eines Reifenwechsels.

In der Schlussphase hat dann jeder mit jedem gekämpft und versucht irgendwie einen Platz gut zu machen. Dabei konnte sich Paul als Führender etwas absetzen und ich orientierte mich eher nach hinten, weil er zu diesem Zeitpunkt des Rennens einen Tick schneller war. Hinterher war es natürlich eine schöne Überraschung, dass Paul eine Strafe bekam und ich so den Sieg erbte, aber als Rennfahrer möchte man am liebsten auf der Strecke gewinnen. Deshalb tut es mir leid für ihn, aber für meinen Kampf um die Meisterschaft war es ein wichtiger Schritt.

Formel 3 minus zwei

Am Nürburgring war die Formel 1 für mich noch kein Thema - denn es machte überhaupt keinen Sinn mir darüber unnötig den Kopf zu zerbrechen. Dennoch habe ich natürlich gehofft, dass es irgendwie mit der Superlizenz und meinem Einsatz klappen würde. Für das Happy-End musste ich aber bis zur letzten Sekunde zittern. Die Entscheidung fiel erst am Mittwochnachmittag. Zu diesem Zeitpunkt saß ich gerade im Flieger nach Istanbul. Als ich ausgestiegen bin, hatte ich fünf oder sechs Glückwunsch-sms auf dem Handy. Da wurde mir klar: Ich hatte es geschafft!

Übermäßig nervös war ich nicht. Am Freitagmorgen kamen zwar alle möglichen Leute zu mir und fragten, ob ich schon nervös sei, aber das war nicht so. Allerdings dachte ich mir dabei: Wenn die alle so weiterreden, werde ich am Ende noch nervös. Als dann der Motor das erste Mal angelassen wurde, war ich schon etwas aufgeregt, aber ich war ruhig genug, um mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Die da war: Daten für die Stammfahrer zu sammeln - und nicht, eine Bestzeit zu fahren. Dass es trotzdem schon in meiner zweiten Trainingssession zur schnellsten Rundenzeit gereicht hat, hätte ich nie gedacht. Als ich meinen Namen als Vergleichszeit auf der Boxentafel und der Zeitnahme auf den Videoleinwänden sah, konnte ich es gar nicht glauben. Am wichtigsten war es nicht zu viel über alles nachzudenken, sondern einfach los zu fahren und meine Arbeit zu machen.

Es ist schon sehr ungewohnt, wenn plötzlich Spitzenfahrer wie Michael Schumacher oder Fernando Alonso gegen deine Zeit fahren. Normalerweise saß ich um diese Zeit am Freitag vor dem Fernseher und schaute mir an, wie sich die Jungs schlagen. Diesmal selbst dabei gewesen zu sein, war ein tolles Gefühl. Vor zehn Jahren hat Michael Schumacher noch die Zielflagge geschwenkt, als ich in Kerpen Kart gefahren bin, und jetzt durfte ich mich mit einem Auto, das ähnlich schnell ist wie seines, mit ihm messen und war sogar schneller als er...

Bei meiner allerersten Ausfahrt war ich sogar zu schnell: 4 km/h über dem Speedlimit bedeuteten 1.000 Dollar Strafe. Gut, dass ich meine Hälfte der 2.000 Siegprämie vom Macau-GP letztes Jahr noch nicht ausgegeben habe. Neben dieser teuren Erfahrung wurde ich mit noch einer weiteren F1-Sitte konfrontiert: Der Dopingprobe nach dem Training. Ich kann mich also nicht beschweren, dass bei meinem Debüt nichts los gewesen ist.