1. - S wie Strafe

1. Startreihe: Fernando Alonso, Lewis Hamilton. Klingt logisch, klingt einfach, klingt wie erwartet. Am Freitag hätte daran niemand etwas auszusetzen gehabt. Immerhin war Alonso der schnellere der beiden McLaren-Piloten und schien Ferrari ohnehin durch die weichen Reifen etwas gehandicapt zu sein. Doch nach dem Qualifying war dieses Ergebnis für viele ein Skandal. Alonso habe Hamilton beim letzten Boxenstopp im 3. Qualifying blockiert, bewusst ausgetrickst, sagten viele.

Nicht Ron Dennis. Der erklärte die Verwirrung und sichtbare Verärgerung wie folgt: Alonso war mit mehr Sprit unterwegs als Hamilton. Diesen musste das Team zu Beginn des Qualifyings jedoch zuerst an die Boxenausfahrt schicken, weil sein Motor bereits die entsprechende Temperatur erreicht hatte. Die Reihenfolge sollte dann während der ersten Runde umgekehrt werden, so dass jeder Fahrer zum richtigen Zeitpunkt in die Box kommen konnte. Doch Hamilton ignorierte diese Anweisungen, blieb vorne. "Deshalb waren wir aus dem Rhythmus", betonte Dennis. Das passt auch zur Verärgerung des Teamchefs und den angeblich harschen Wortwechseln im Boxenfunk.

Für das Zögern nach dem Lüften des Lollipops hatte Fernando Alonso die passende Erklärung parat: "Die Autos fahren raus, wenn es das Team sagt", begann der Spanier. "Ich habe einen Countdown im Funk und da wird bis Null runtergezählt, bei Null lässt man die Kupplung kommen und fährt los." Für Hamilton reichte die Zeit danach nicht mehr, um seine Pole zu verteidigen; Alonso schnappte sich hingegen die Bestzeit. Den FIA-Kommissaren reichten all diese Erklärungen des Teams nicht aus - sie bestraften Alonso mit einer Zurückversetzung um 5 Startplätze. Zudem erhält McLaren Mercedes in Ungarn keine Konstrukteurs-WM-Punkte.

Ferrari hatte mit all dem nichts zu tun. "Es sieht so aus, dass McLaren schneller war", gestand Kimi Räikkönen. "Ich versuche einfach, so viele Punkte wie möglich zu holen - die McLaren zu schlagen wird schwer." Aber auch bei den Roten gab es ein Boxenstoppproblem. Das Auto von Felipe Massa wurde nicht nachgetankt, der Brasilianer rollte noch in der Boxengasse aus, nur Startplatz 14.

2. - S wie Start

Ungewohntes Top-Trio mit teaminternen Spannungen., Foto: Sutton
Ungewohntes Top-Trio mit teaminternen Spannungen., Foto: Sutton

Umso aggressiver muss Massa am Start vorgehen, um auf der überholfeindlichen Strecke Plätze gutzumachen - allerdings steht er auf der schmutzigen Seite. Aber nicht nur Massa braucht einen guten Start. "Für mich ist ein guter Start wichtig", sagt Nick Heidfeld. Denn er weiß genau: hinter ihm lauert Kimi Räikkönen, der sich Hoffnungen auf einen der Podestplätze macht. "Die beiden McLaren vor mir sind aber auch keine schlechten Starter", erinnert Heidfeld.

Sein Teamkollege Robert Kubica steht weit weg von ihm, eine Wiederholung des Nürburgring-Zusammenstoß schließt Mario Theissen so oder so kategorisch aus. "Da habe ich ohnehin keine Sorgen mehr. Das haben wir garantiert ausgeschlossen für die zukünftigen Rennen." Auch Ralf Schumacher bekam es am Nürburgring mit Heidfeld zu tun. Diesmal will er sich einen anderen Deutschen schnappen - Nico Rosberg startet genau vor ihm. "Wir sind beide in den Top10, zwar ist Williams vor uns, das ist nicht ganz optimal, aber das können wir ja morgen ändern", kündigt Ralf an. Die beste Chance bietet sich dazu am Start.

3. - S wie Strecke

Für die einen ist es das Monaco des Ostens, eine Art Amphitheater, für die anderen einfach nur eine Puszta-Strecke, eng, winklig, langweilig - Schauplatz viel zu vieler Prozessionen ohne Überholchance. Aufgrund seines Layouts wird der Hungaroring gerne mit dem Attribut "Mickey Maus"-Kurs versehen. Dennoch verlangt der Kurs den Fahrern alles ab - konditionell wie mental.

Das winklige Layout des Hungarorings mit seinen 14 schnell aufeinander folgenden Kurven bietet bloß eine echte Überholmöglichkeit: das Ende der Geraden. Abgesehen von diesem 700 Meter kurzen Geradeausstück besteht die Strecke aus einer Abfolge von langsamen bis mittelschnellen Kurven mit kurzen Bremszonen, in denen kaum ein Weg an einem Gegner vorbeiführt.

Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 180 km/h zählt die Strecke zu den langsamen Rennen. Dafür haben es die Kurven in sich. Der Schwierigkeitsgrad kann durchaus mit jenem von Monte Carlo verglichen werden. Demzufolge stehen vor allem die Balance und der Grip im Vordergrund. Die Strecke verlangt aufgrund der vielen und engen Kurven nach viel aerodynamischem Anpressdruck, um auch in den langsamen Kurven eine optimale Haftung zu erzielen.

4. - S wie Setup

Auf Strecken dieser Art ist der mechanische Grip ein wesentlicher Faktor. Für die Teams bedeutet dies: eine im Vergleich zu anderen Kursen weichere Abstimmung an beiden Achsen. Die Piloten wünschen sich in den langsamen Passagen ein schnell reagierendes Auto mit zugleich guter Traktion am Kurvenausgang. Die Vorderachse wird deshalb etwas härter abgestimmt. Da an diesem Wochenende die weichsten Laufflächenmischungen verwendet werden, müssen die Ingenieure jedoch den Verschleiß der stark geforderten Hinterreifen im Auge behalten.

Der Hungaroring stellt hohe Ansprüche an die Fahrer., Foto: Sutton
Der Hungaroring stellt hohe Ansprüche an die Fahrer., Foto: Sutton

Der andere wichtige Chassis-Parameter ist die ausreichende Kühlung. Obwohl die Ingenieure mit den Kühlleistungen des aktuellen Autos bestens vertraut sind, müssen die Kühlluftöffnungen exakt auf die Bedingungen abgestimmt werden. Die im Windkanal erzielten Ergebnisse werden an der Strecke laufend angepasst um sicherzustellen, dass ausreichende Kühlung mit einem Minimum an Aerodynamik-Einbußen erzielt wird.

Die längste Vollgaspassage auf dem Hungaroring beträgt gerade einmal 10 Sekunden, insgesamt haben die Piloten nur für 57 Prozent der Runde das Gaspedal voll durchgetreten. Diese klar unter dem Saisondurchschnitt liegenden Werte lassen keine besondere Belastung der Motoren erwarten. Von den 14 Kurven werden 5 im zweiten Gang mit rund 100 km/h gefahren. Anders als in Monaco - wo die Autos in den Haarnadelkurven abnormal niedrige Geschwindigkeiten fahren - sinkt die virtuelle Tachonadel auf dem Hungaroring nicht unter 90 km/h. Das heißt, die Motoren laufen überwiegend in dem relativ kleinen Fenster zwischen 100 und 250 km/h. Damit sie in diesem Geschwindigkeitsbereich optimal arbeiten, werden die Gänge sehr eng abgestuft. Wie auf jedem Kurs mit vielen langsamen Kurven hilft ein kraftvolles Drehmoment beim Beschleunigen aus den Kehren.

5. - S wie Strategie

Schon am Freitagabend war klar: die Reifen machen in Ungarn den Unterschied. Wer kommt mit den weichen und superweichen Mischungen am besten zurecht, wer kann das Beste herausholen und wer kann damit am längsten und konstantesten fahren? Im Qualifying lief es dann auf eine Frage hinaus: "Der Performance-Unterschied ist nicht groß", verriet Adrian Sutil. "Aber der härtere hält eine ganze Runde durch, der weiche fängt schon in den letzten Kurve zu körnen an." Das bestätigte Nico Rosberg: "Mit den superweichen kommt man zwei Drittel der Runde weit; dann ist der Grip auf der Vorderachse weg."

Dennoch müssen die Fahrer auch im Rennen einmal die superweiche Mischung aufziehen. "Es wird extrem schwierig - mit beiden Reifen", glaubt Sutil. "Sie sind beide fast zu weich. Nach ca. 20 Runden hat man vorne fast schon einen Slick. Die Reifen werden das Rennen entscheiden."

Weiche Reifen, weiße Rillen: Wer mit ihnen am besten umgeht, gewinnt., Foto: Sutton
Weiche Reifen, weiße Rillen: Wer mit ihnen am besten umgeht, gewinnt., Foto: Sutton

Bei Red Bull gibt es noch einen weiteren Faktor, der die Strategie beeinflusst. Normalerweise müsste Mark Webber als Zehnter die besseren Karten als David Coulthard als Elfter haben. "Aber anders als die Fahrzeuge direkt hinter mir kann ich gemäß den Regeln meine Benzinmenge nicht mehr ändern", klagt Webber. So wird Uncle David zum lachenden Elften, zählt er doch seit jeher zu den Freunden lang gezogener erster Stints: Mit randvollem Tank könnte es ihm somit ein weiteres Mal gelingen, in den Boxen einige Positionen gutzumachen - und so vielleicht am vergleichsweise leicht startenden Webber vorbeizuziehen.

6. - S wie Sonntagswetter

Zunächst wurde ein extrem heißes Wochenende vorausgesagt, wie es in Ungarn üblich ist. Dann prognostizierten die Wetterfrösche immer öfter Schauer, die Regenwahrscheinlichkeit aller drei Tage stieg. Obwohl der Samstag komplett trocken blieb, gab es am Freitag einige Regentropfen, jedoch nichts Ernstes. Für den Sonntag sind die Vorhersagen noch geteilt. "Wir rechnen nicht mit einem Chaos, aber nach wie vor mit Schauern", verriet uns Mario Theissen. "Allerdings hat sich die Regenwahrscheinlichkeit im Laufe des Wochenendes verringert." Im Moment werden Höchsttemperaturen um die 28 Grad und 5 Prozent Niederschlagsrisiko vorhergesagt.

7. - S wie Spannung

Spannung steckt gleich in mehrfacher Form im Rennen. Zum einen ist da das Regenrisiko und wie spannend ein Wetterroulette sein kann, wissen wir nicht erst seit dem Nürburgring. Doch da ist noch mehr. Die Spannungen zwischen den beiden McLaren-Piloten sind seit dem Qualifying nicht weniger geworden - erst recht nicht, nach der Bestrafung durch die FIA-Rennkommissare. Ron Dennis sagte es selbst: "Sie sind beide konkurrenzfähig, sie wollen beide gewinnen." Jetzt steht Hamilton auf der Pole und Alonso muss von Startplatz 6 nach vorne fahren. Vorher müssen alle durch die erste Kurve und die anschließenden 70 Runden. Das verspricht Spannung und vielleicht ein noch heißeres Duell um den Sieg.

Dahinter kämpft Kimi Räikkönen um den Anschluss. Er will seine Titelchance wahren und mindestens einen Podestplatz holen. Dagegen hat Nick Heidfeld etwas. "Wenn man als Dritter ins Rennen geht, will man auch auf einem Podestplatz ins Ziel kommen", sagt sein Motorsportdirektor. Jetzt geht Heidfeld sogar als Zweiter ins Rennen "Aber wir wissen andererseits auch, dass der eine oder andere starke Fahrer hinter uns steht. Ganz besonders Kimi. Ich erwarte, dass er alle Hände voll zu tun haben wird, um seine Position zu behaupten." Im Mittelfeld will Felipe Massa seine Aufholjagd von Silverstone wiederholen, auch wenn das auf dem Hungaroring schwierig wird. "Von Platz 14 dürfte es auch für ihn schwierig sein, noch in den Kampf um die Podestplätze einzugreifen", betont Theissen. Unmöglich ist es jedoch nicht.