Fisi kann nur verlieren

von Stephan Heublein

David Coulthard ist dafür berühmt geworden, Jenson Button tat es ihm in den letzten Jahren gleich: Ankündigungen von Siegen, WM-Titeln und Jahresinbesitznahme. Jetzt ist Giancarlo Fisichella an der Reihe. 2007 soll sein Jahr werden - endlich.

Lange galt Fisico als einer der am meisten unterschätzten Piloten der F1, für andere war er jedoch einer der am meisten überschätzten Piloten. In den vergangenen beiden Jahren konnte der Römer im Weltmeisterauto beider Saisons nicht viel für sein Image tun. motorsport-magazin.com-Experte Sven Heidfeld sagt dazu gerne: "Alonso fuhr, als ob er ein anderes Auto hätte." Diesmal sind damit aber keine Bevorzugungs-Vorwürfe gemeint, wie sie in der Vergangenheit bei Benetton schon einmal aufkamen - unter anderem bei Alex Wurz, Jarno Trulli oder eben auch bei Fisichellas erster Amtszeit in Enstone.

Wird ein Finne zu Fisis größtem Problem?, Foto: Sutton
Wird ein Finne zu Fisis größtem Problem?, Foto: Sutton

Das einzige, was Alonso dem Italiener im Bezug auf das Auto voraushatte - nicht den Speed, der ist ohnehin in einer anderen Liga -, war sein Fahrstil, nach dessen Eigenarten der R25 und R26 gebaut wurden. Eigentlich sollte sich das 2006 ändern, denn im Winter kündigte Fisi an, dass er die Ingenieure davon überzeugen konnte, das Auto mehr in seine Richtung zu entwickeln. Daraus wurde 2006 ein einziger GP-Sieg in Malaysia. Jetzt soll Fisichella 2007 die Speerspitze des Titelverteidigers werden und die Kontinuität innerhalb des Teams wahren. Er selbst ist davon überzeugt, dass der Plan aufgehen wird: "Ich bin zuversichtlich, dass ich die WM gewinnen kann", wiederholte er seine Worte aus dem letzten Winter in besten DC-Manier.

Allerdings gibt es nicht nur unter den Fans und Experten Zweifel an der Umsetzung dieser Vorhersage. Zwar betonte Flavio Briatore, dass alle im Team Fisico zutrauen, den nächsten Schritt zu machen, aber Technikchef Bob Bell hielt dies nicht davon ab, zu sagen: "Wenn er es dieses Jahr nicht schafft, dann bezweifle ich, dass er es jemals schafft."

Mit Bob zweifeln viele. Immerhin muss Fisichella in die Fußstapfen eines Doppelweltmeisters treten, eines Doppelweltmeisters, der ihm in den vergangenen beiden Jahren in Qualifying wie Rennen nach Belieben um die Ohren fuhr. Wenige Ausnahmen wie das Indianapolis-Wochenende 2006 bestätigen diese Regel. Alonso war schneller, gab bessere Aussagen über das Auto und motivierte seine Truppe - auch wenn das gegen Saisonende schon mal anders aussah.

2007 muss Fisichella nun beweisen, dass er all das auch kann - als Titelanwärter, Renault-Spitzenpilot und neuer Superstar. Eigentlich kann er dabei nur verlieren. Denn selbst wenn er den Titel holen sollte, wenn er Alonsos Rennschuhe füllen sollte, wird jeder sagen, dass ihm das nur gelungen ist, weil der Spanier nicht mehr mit gleichem Material gegen ihn fuhr. Und dann ist da noch die große Gefahr Heikki Kovalainen. Der Finne ist schnell, das hat er in der GP2 mit dem Vizemeistertitel hinter Nico Rosberg und bei den vielen F1-Testfahrten in diesem Jahr bewiesen. Er ist zudem untypisch für alle anderen F1-Finnen der jüngeren Vergangenheit. Er ist offen, redet gerne, motiviert das Team und ist die Zukunft von Flavio Briatores Mannschaft.

Sollte Kovalainens Lehrjahr gut beginnen und der Renault konkurrenzfähig sein, könnte sich Fisico erneut einem starken Teamkollegen gegenüber sehen. Natürlich muss dieser noch viel lernen und Erfahrung sammeln, aber das hält ihn nicht davon ab, von Anfang an auf Fisichella-Niveau oder höher zu fahren - das auch ein Neuling Erfolge feiern kann, bewies zuletzt Nico Rosberg mit einem sensationellen F1-Debüt. Und im Gegensatz zu Rosberg wird Kovalainen ein richtig gutes Auto zur Verfügung haben, dessen Leistungskurve höchstwahrscheinlich nicht im Laufe des Jahres so abstürzen wird wie die des Williams in der zurückliegenden Saison. Für den Superstar-Anwärter Giancarlo Fisichella wird 2007 also ein Mehrfrontenkampf; gegen die echten WM-Kandidaten, gegen den Teamkollegen, gegen den Schatten des Ex-Teamkollegen, gegen die hohen Erwartungen und gegen sich selbst.

Fisichella hat genug Charakter, um zurückzukommen

von Falko Schoklitsch

"Ich denke, Fisi hatte einige schwierige Jahre. Wenn man auf seine Geschichte zurückblickt, war er immer schneller als seine Teamkollegen - damals in der Formel 3 war er der Goldjunge. Und Fernando ist wirklich etwas Spezielles. Es war für Fisi sehr schwer, damit zurecht zu kommen", sagte Pat Symonds Ende November zu unseren Kollegen von Autosport. Und genau das könnte der Knackpunkt für Giancarlo Fisichella im kommenden Jahr sein. Er kann praktisch wieder bei Null beginnen und steht nicht mehr im Schatten eines Weltmeisters, hinter dem er zurücktreten musste.

Fisichella: Bereit für große Aufgaben., Foto: Sutton
Fisichella: Bereit für große Aufgaben., Foto: Sutton

Denn so gut Kovalainen auch bereits im Renault durch seine zahlreichen Testfahrten sein mag, Rennkilometer hat er noch keine in der Formel 1 gefahren und da kann eigentlich der gleiche Stehsatz wie in jedem anderen Sport angewandt werden: Training ist nicht gleich Wettkampf. Und genau dieser Umstand wird dazu führen, dass es für das Team in der nächsten Saison nur einen Fahrer geben kann, der zum wahren Leader auserkoren werden muss. "Ich denke, er wird schnell sein und Fehler machen und das ist für einen Rookie etwas Gutes. Langsam zu sein und keine Fehler zu machen, ist nicht wirklich aufregend. Langsam zu sein und Fehler zu machen ist ein Desaster. Schnell zu sein und auf dem Weg einen eigenartigen Fehler zu haben, ist ziemlich akzeptabel", sagte Symonds über Kovalainen.

Die Prognose für Fisichella hörte sich hingegen ganz anders an: "Nachdem ich mit ihm während der letzten Monate über das nächste Jahr und darüber, wie sich die Dinge entwickeln werden, gesprochen habe, denke ich, er hat genug Charakter, um zurückzukommen, aufzustehen und den Job zu machen." Und genau im Charakter des Italieners liegt eben auch seine Stärke. Egal ob ihm Fernando Alonso um die Ohren gefahren ist oder nicht, er hat nicht gemeckert, sondern weiter bestmöglich seinen Job für das Team gemacht und auch mehr oder weniger die Kräfteverhältnisse innerhalb der Mannschaft akzeptiert.

Doch nun ist er derjenige mit der Erfahrung in der Mannschaft und auch derjenige auf den das Team als konstanten Bringer von Ergebnissen bauen muss und wird. Ganz egal, wie seine vergangenen beiden Saisons ausgesehen haben mögen, er hat in der Vergangenheit mit weit schlechterem Material bewiesen, dass er den Speed hat, um vorne hinein zu fahren. Vor allem bei Jordan sorgte er in einem nicht gerade flotten Auto für die eine oder andere gute Leistung. Gut, die eine oder andere gute Leistung ist im auch im Renault geglückt, doch das mehr in ihm steckt, ist durchaus erkennbar. Vor allem im nächsten Jahr, wo alle Motoren auf ähnlichem Niveau sein dürften und alle die gleichen Reifen haben werden, kann Fisichella zeigen, dass er schnell ist, wenn er der Platzhirsch in der Mannschaft ist.

Und noch etwas spielt in seine Hände. Die stärksten verbliebenen Piloten der vergangenen beiden Jahre, Fernando Alonso und Kimi Räikkönen, haben das Team gewechselt und müssen sich bei ihrem neuen Arbeitgeber erst einfinden. So kommen zwar beide in gute Teams, aber sie dürfen auch erst ab Januar für sie testen. Nun ist das kein entscheidender Trainingsrückstand, aber doch ein gewisser Rückstand. Fisichella arbeitet schon die längste Zeit mit Renault am Paket für die kommende Saison und sollte nach dem Weggang Alonsos nicht der große Motivationseinbruch kommen - womit eigentlich nicht zu rechnen ist - dann wird dieses Paket so stark sein, wie in den vergangenen beiden Jahren.

Bliebe noch Felipe Massa, der bei Ferrari bleibt und auch eine gute Saison hatte. Bei ihm wird man sehen müssen, wie sich der Kampf um die Nummer eins bei Ferrari entwickelt, denn auch das könnte durchaus zum Vorteil der Gegner sein. Fisichella selbst ist jedenfalls zuversichtlich, was das nächste Jahr betrifft - auch wenn man das wieder als DC-Prognose bezeichnen könnte, wenn man denn wollte. "Ich bin sehr zuversichtlich", sagte er bei der Bologna Motor Show, "und ich werde alles mögliche tun, um es Alonso nachzumachen und Renault die dritte Weltmeisterschaft in Folge zu bringen. Natürlich bei Fahrern und Konstrukteuren."