Groß waren die Hoffnungen von Ferrari und den Tifosi zu Saisonbeginn. Nach dem Rennen in Australien wurde Charles Leclerc schon mit Karl dem Großen verglichen. 46 Punkte Vorsprung auf Max Verstappen, 15 Rennen später war die Weltmeisterschaft entschieden. Für Verstappen, nicht Leclerc. 2023 soll alles anders werden: Drei Baustellen muss Ferrari dafür vorher in den Griff bekommen.

Ferrari 2022: Kein Happy End nach gutem Start

"Eine Saisonbilanz lässt sich nur schwer ziehen", meinte Charles Leclerc nach dem Abschlussrennen in Abu Dhabi. "Aber wenn man bedenkt, wie weit wir seit dem letzten Jahr gekommen sind: Das war schon ein erstaunlicher Schritt nach vorne." 2021 lag Ferrari abgeschlagen hinter Mercedes und Red Bull auf Platz drei der Konstrukteurswertung. 2022 kämpfte die Scuderia zumindest über Etappen der Saison um den Titel mit.

Ferrari, frei nach Seneca: Per aspera ad astra - durch Mühsal gelangt man zu den Sternen, Foto: LAT Images
Ferrari, frei nach Seneca: Per aspera ad astra - durch Mühsal gelangt man zu den Sternen, Foto: LAT Images

Damit hadert der Ferrari-Pilot noch immer. "Wir lagen mit einigen Punkten Vorsprung in Führung und sind dann zurückgefallen. Das war sehr frustrierend." Nach zwei Ausfällen von Verstappen hatte Leclerc in Australien einen Punktepolster von fast 50 Punkten auf den Niederländer, drei Rennen später in Barcelona übernahm Verstappen die Führung und gab sie nicht wieder zurück. "Wir müssen alle Fehler, die wir in dieser Saison gemacht haben, analysieren, um uns für nächstes Jahr zu verbessern", mahnt Leclerc.

Ferrari kämpft gegen Achillesferse Strategie

"Schon in den letzten Rennen haben wir im Bereich der Strategie und in der Art und Weise, wie wir Entscheidungen treffen einen Schritt nach vorne gemacht", zeigt sich der Ferrari-Pilot optimistisch für den neuerlichen Angriff auf den Weltmeistertitel. "Ich selbst habe ebenfalls dazugelernt, wie ich besser kommunizieren kann."

Der gesamte Entscheidungsprozess wurde in Maranello unter die Lupe genommen. "Wir schauen uns genau an: Wie sind wir zu dieser Entscheidung gekommen, wie sah der Prozess dahinter aus?", erklärte Mattia Binotto, damals noch Teamchef bei Ferrari. "Es spielt dabei eigentlich keine Rolle, ob die Entscheidung richtig oder falsch war." Leclerc bevorzugt naturgemäß richtige Entscheidungen, wie in Abu Dhabi.

Auf dem Marina Bay Circuit schlug Leclerc Perez mit der besseren Ein-Stopp-Strategie. "Wir machen zwar immer noch Fehler, aber treffen im Rennen schon bessere Entscheidungen", meinte Leclerc: "Leider war das nicht so deutlich erkennbar, weil unsere Pace nicht mehr so gut war wie zu Saisonbeginn." Die fehlende Pace beunruhigt ihn vorerst nicht. Der 25-Jährige ist zuversichtlich, dass Ferrari 2023 wieder zu Red Bull aufschließen kann.

Drei offene Baustellen in Maranello

Damit das gelingt, muss Ferrari vor allem in drei Bereichen nachbessern. Punkt eins: Weniger technische Ausfälle. "Die Zuverlässigkeit war zu einem Zeitpunkt der Saison ein großes Problem. Später bezahlten wir dann durch Motorenstrafen nochmals den Preis dafür", beginnt Leclerc seine Ferrari-Problemanalyse. Ausfälle in Barcelona und Baku, sowie Strafen in Kanada, Belgien und Austin. Auch bei Carlos Sainz ging in Spielberg und Baku der Motor kaputt. Aus Sicherheitsgründen drosselte in der zweiten Saisonhälfte Ferrari die Leistung ihres Motors.

Zuverlässigkeitsprobleme wie in Baku: Ein wichtiger Faktor im Ferrari-Erfolgspuzzle, Foto: LAT Images
Zuverlässigkeitsprobleme wie in Baku: Ein wichtiger Faktor im Ferrari-Erfolgspuzzle, Foto: LAT Images

Weiters auf der Agenda: Strategie. "Ich denke, dass wir da eine Zeit lang zu viele Fehler gemacht haben", meint Leclerc. Kein Team wurde 2022 so wegen ihrer Strategie-Entscheidungen kritisiert wie Ferrari. Harte Reifen in Ungarn oder Intermediates beim Qualifying in Brasilien verhinderten bessere Ergebnisse Leclercs. "Aber wir haben uns bereits im Entscheidungsprozess und in der Art, wie wir miteinander kommunizieren verbessert."

"Und dann noch das Reifenmanagement", beendet Charles Leclerc seine Aufzählung. Manchmal würde das schon gut funktionieren, wie zuletzt in Abu Dhabi. Aber: "Wir haben manchmal auch furchtbare Rennen und noch immer nicht ganz verstanden, wie wir den Reifenverschleiß in den Griff bekommen." Nicht nur bei einzelnen Rennen, sondern über die Saison hinweg.

Extra-Baustelle: Charles Leclerc

Vierter Verbesserungsbereich: Charles Leclercs eigene fahrerische Leistung. "Ich hätte vielleicht bei Rennen wie in Frankreich etwas weniger pushen sollen", meint der Ferrari-Pilot. Die Fehler in Le Castellet und Imola kosteten wertvolle Punkte. "Aber ich habe versucht, zumindest daraus zu lernen."

Grundsätzlich ist der Monegasse zufrieden mit seiner Performance: "Ich bin jetzt schon einige Jahre in der Formel 1 und es geht nur mehr um Details. Ich muss konstant zu 100 Prozent abliefern, das ist das Ziel." Ein vierter Punkt auf der Liste des Drei-Punkte-Plans von Leclerc und Ferrari. "Wenn ich das mache, bin ich wirklich gut."

P2 in Abu Dhabi und der Fahrer-WM sorgten für ein versöhnliches Ende der Saison für Charles Leclerc, Foto: LAT Images
P2 in Abu Dhabi und der Fahrer-WM sorgten für ein versöhnliches Ende der Saison für Charles Leclerc, Foto: LAT Images

"Ich glaube aber auch, dass ein guter Rhythmus wichtig ist", erklärt der 25-Jährige. "Wir hatten Momente in der Saison, wo wir sehr viele Probleme hatten. Das hat unser Team vielleicht dazu verleitet, härter zu pushen als normal. Dann passieren Fehler." Vorweihnachtliche Kampfaussage aus Maranello: "Wir haben unsere Lektion gelernt und werden es nächstes Jahr anders machen."