Die Formel-1-Rennleitung greift 2022 bei Übertretungen der Track Limits hart durch, und das führte am vergangenen Rennwochenende in Österreich zu einer regelrechten Eskalation: 88 gestrichene Rundenzeiten, und vier Fahrer bekamen Fünf-Sekunden-Strafen im Rennen.

Gleich wurde das Schreckgespenst Track Limits auch für den Frankreich-GP heraufbeschworen. Schließlich ist der Circuit Paul Ricard berühmt dafür, unendliche Asphalt-Auslaufzonen zu haben. Nicht alle Fahrer teilen allerdings diese Sorgen. Denn bei den Track Limits geht es nicht nur um die Auslaufzonen. In mehrerlei Hinsicht spielen die Kerbs eine Schlüsselrolle, und sie sind in Frankreich ganz anders als in Österreich.

Zuerst einmal: Die Sicht ist bei den neuen Autos so schlecht wie noch nie, verteidigen sich die Fahrer. 18-Zoll-Felgen und neue Leitelemente über den Vorderrädern fordern ihren Tribut. Das spielt unglücklich zusammen mit der neuen Regel-Auslegung. 2022 hat die Rennleitung von Saisonbeginn an nämlich die Ansage ausgegeben, dass überall und immer die weiße Linie als Limit gilt. Wer die mit allen vier Rädern überfährt, wird bestraft.

Im Vorjahr, als es auf vielen Strecken noch erlaubt war, mit allen vier Rädern bis auf den Kerb zu fahren, konnten sich die Fahrer besser auf dieses Gefühl verlassen. Das geht bei der weißen Linie nicht, und die Position des Vorderreifens ist aus dem Cockpit nicht ersichtlich. "Wir sitzen so tief, dass du es nicht merkst, wenn du sie überfahren hast", sagt Charles Leclerc. Das ändert sich von Strecke zu Strecke nicht.

Kein Track-Limit-Problem dank brutaler Frankreich-Kerbs?

Der zweite Faktor ist hingegen streckenabhängig: Die Aggressivität der Kerbs. In Österreich gab es vor einigen Jahren noch eine zweite Reihe hoher gelber Kerbs. Solche Wurst-Kerbs zu überfahren tut Auto und Fahrer weh. Auf dem Red Bull Ring wurden diese Kerbs 2020 abgebaut. In Frankreich hingegen gibt es zum einen eben diese gelben Wurst-Kerbs, und zum anderen sind auch die normalen rot-weißen Kerbs hier aggressiver.

Die Kerbs in Österreich sind sehr flach, Foto: LAT Images
Die Kerbs in Österreich sind sehr flach, Foto: LAT Images

"Das sind nicht die Standard-FIA-Kerbs", sagt Esteban Ocon. "Sie sind sehr hoch und sie machen dir den Unterboden, die Unterbodenkante und die Planke kaputt." Daher kann er sich eigentlich nicht vorstellen, dass das Track-Limit-Problem in Frankreich so gravierend sein wird wie in Österreich.

"Österreich ist denke ich am schlimmsten für Track Limits, weil die Kerbs so flach sind. Da ist es einfach drüberzufahren", sagt Ocon. "Daher war ich überrascht, die Kommentare mancher Fahrer zu sehen. Ja, da ist Asphalt, wenn du rausfährst, aber wenn du rausfährst und einen Wurst-Kerb erwischst, dann tut das dem Rücken und dem Auto weh."

Die Wurst-Kerbs sind in Frankreich zwar nicht in jeder Kurve installiert. Jedoch könnten auch die Kurventypen helfen. Die Highspeed-Rechts Signes (Kurve 10) ist im GT-Sport etwa ein klassischer Problemfall, aber für die Formel 1 mit dem hohen Abtriebslevel ist sie deutlich einfacher zu durchfahren. Die lange Kurve 11 hat zumindest einen breiten, mehrstufigen Kerb am Ausgang. Der ist zwar kein Wurst-Kerb, aber auch nicht angenehm.

Wie schwerwiegend das Problem in Frankreich also wirklich sein wird, da gehen die Meinungen vorerst auseinander. Ocon sieht in Summe kein Problem. Valtteri Bottas kontert: "Hier kannst du durch das Überfahren dir einen Vorteil verschaffen, und jeder wird sicher versuchen das Limit auszureizen." Den ganzen Trainings-Freitag der Formel 1 heute in Frankreich gibt es hier im Liveticker.