Nico Hülkenberg kam in Bahrain aufgrund eines erkrankten Sebastian Vettels zu einem überraschenden Kurz-Comeback bei Aston Martin. Der Test- und Ersatzfahrer des Teams landete zwar in seinem ersten Formel-1-Rennen in eineinhalb Jahren auf dem letzten Platz, ist aber trotzdem mit seiner Leistung zufrieden.

Teamkollege Lance Stroll konnte er ausqualifizieren und im Rennen zumindest mithalten, obwohl er vor Trainingsbeginn am Freitag nur ein paar Stunden im Aston-Martin-Simulator gesessen war. Für das nächste Rennen in Saudi-Arabien steht er - sofern Vettel nicht kann - weiterhin bereit. Im Interview, bei dem auch Motorsport-Magazin.com dabei war, spricht er am Montag über das Kurz-Comeback und über seine Eindrücke von der neuen Formel-1-Generation.

Wie geht's dir nach dem ersten Rennen? Spürst du den Nacken?
Nico Hülkenberg: Nö, es geht. Natürlich habe ich ein paar Wehwehchen hier und da, bisschen Muskelkater im Nacken, und auch, man will es nicht glauben, aber der Hintern muss auch recht viel arbeiten im Auto. Mit den Pedalen muss man auch immer ziemlich viel arbeiten über die 90 Minuten. Da ich ja auch ein großer Typ bin, gibt es im Sitz jetzt auch ein paar Druckstellen, wo das nicht hundertprozentig komfortabel ist. Der eine oder andere Knochen ist da noch ein bisschen angeschwollen. Aber halb so wild, das ist die übliche Battle Damage.

Hängt das auch damit zusammen, dass der Sitz nicht perfekt gepasst hat, oder war das alles okay?
Hülkenberg: Es war okay, es war auf jeden Fall fahrbar. Aber wie gesagt, das habe ich oft in meiner Karriere gehabt. Durch meine Größe ist das nicht immer so einfach, das komplett hinzubekommen von der Bequemlichkeit und vom Komfort her. Da muss ich immer so ein bisschen Kompromisse eingehen. Aber es lohnt sich, die einzugehen.

Hülkenberg: Ersatz-Rennen war hart

Konntest du dann aufgrund der fehlenden Trainingszeit im Rennen nicht so gut mithalten? Oder war es das Auto, oder gab es noch ein paar Szenen abseits der Kameras?
Hülkenberg: Nein, es war einfach, wie auch vor dem Wochenende erwartet, ein sehr, sehr schweres Rennen bei sehr, sehr schwieriger Ausgangslage. Mir war sowieso bewusst: Die ganzen Trainings, und auch das Qualifying, da fährst du größtenteils nur mit neuen oder ganz frischen Reifen, und auch immer nur kurz. Das ist in Anführungszeichen der einfachere Teil des Wochenendes. Das Rennen ist viel, viel anspruchsvoller und deutlich schwieriger. Dann fährst du wirklich mit gebrauchten, abgelutschten Reifen irgendwann, du musst die Reifen verstehen, alles managen. Das Gewicht vom Auto verändert sich ja, die Balance verändert sich, du hast Autos um dich herum. Da sind so viel mehr Dinge, die passieren, während einem Rennen, dass das klar war, dass das extrem hart und schwierig wird. Zudem ist der Aston auch nicht einfach zu fahren. Es war schon eine harte Kiste, das hat mir alles abverlangt.

Hülkenberg fuhr in Bahrain zum ersten Mal seit 2020 ein Formel-1-Rennen, Foto: LAT Images
Hülkenberg fuhr in Bahrain zum ersten Mal seit 2020 ein Formel-1-Rennen, Foto: LAT Images

Du sagst, der Aston Martin ist deiner Meinung nach nicht einfach zu fahren. Wo liegen deiner Meinung nach die Probleme?
Hülkenberg: Da würde ich jetzt gar nicht so sehr ins Detail gehen wollen. Ich glaube, da ist hier jetzt nicht die Zeit dafür. Aber man hat es auch mit Lance gesehen, der frischer ist, letztes Jahr gefahren ist und auch die Tests gemacht hat, dass der auch jetzt vor den ganzen Ausfällen auf [Platz, Anm.] 15 lag. Dass da einfach ein bisschen was an Performance fehlt. Da gibt es einfach ein paar Baustellen, die angegangen werden müssen.

Wie stolz warst du, im Qualifying vor Lance gelandet zu sein?
Hülkenberg: Ja, ich war generell - und das war jetzt für mich persönlich am wichtigsten - mit mir zufrieden, weil ich die Runden gut abgeliefert habe und gut produziert habe. Das war mein eigentliches, persönliches Ziel. Dass ich, wenn es drauf ankommt, der Druck da ist und die Runde passen muss, dass die dann auch passt. Wie in den Trainings davor. Denn im Qualifying kann es oft mal sein, dass du hier ein Fehlerchen einbaust, da einen Verbremser, und du fängst an, ein bisschen zu überfahren. Das ist nicht passiert, ich habe gut abgeliefert. Aber wie gesagt, wie vorhin schon einmal erzählt, der Qualifying-Teil mit frischen, neuen Reifen, ist für mich persönlich immer eine Freude. Das ist denke ich so ein bisschen meine Spezialdisziplin, war es schon meine ganze Karriere. Weil es mir einfach sehr gut taugt und es mir nicht so schwerfällt, den Reifen und den Grip zu fühlen. Wenn Grip da ist, dann kann man gut damit arbeiten, finde ich zumindest immer. Das hat einfach Bock gemacht.

Hülkenberg sieht Fortschritt bei neuen Formel-1-Regeln

Zum Thema Reifen- in der Vergangenheit haben schon immer alle Fahrer gesagt, wie besonders die Pirelli-Reifen sind, und auch wenn eine neue Mischung kam, haben alle diese Charakteristika gespürt. Trifft das auch bei den neuen Reifen zu? Oder musstest du die komplett neu lernen?
Hülkenberg: Natürlich muss man die komplett neu lernen. Aber ich fand die jetzt nicht so anders. Das hat mich immer noch sehr an die 13-Zoll-Reifen erinnert. Die Charakteristik, die Überhitzungs-Thematik. Das war alles nicht so anders.

Die Überhitzungs-Thematik ist also ähnlich. Heißt das, dass die Autos selbst in der verwirbelten Luft auch nicht so anders waren? Oder war das besser?
Hülkenberg: Ich finde es auf jeden Fall besser. Du kannst näher ranfahren. Wenn du ganz nah rankommst ist dieses Phänomen natürlich noch immer da, und passiert, aber prozentual gesagt ist es doch weniger. Also ja, es ist einfacher hinterherzufahren. Mit den Details ist es jetzt schwierig, denn ich war wirklich mit mir selbst beschäftigt, zu fahren, mit der Balance - ich hab nicht die Kapazität gehabt für so viele andere Sachen. Aber ich glaube, da ist schon der Plan von der F1 aufgegangen dahingehend.

Kann man das Auto an sich jetzt vielleicht mehr mit einem IndyCar vergleichen?
Hülkenberg: Am Ende des Tages ähneln sich alle Formelautos ein bisschen. Aber es ist nicht dasselbe. Es ist schon was anderes. Die nicht vorhandene Servolenkung im IndyCar, die macht natürlich einen Riesenunterschied. Die Formel 1 ist am Ende des Tages im Quali, auch wenn wir über 50 Kilo schwerer geworden sind, mit wenig Benzin trotzdem noch immer deutlich schneller. In Austin war ja irgendwann mal der Vergleich, und ich glaube noch immer, dass die Formel 1 so zehn Sekunden schneller sein würde. Das ist schon noch ein bisschen eine andere Geschichte.

Hülkenberg steht weiter als Vettel-Ersatz bereit

Morgen bist du wieder im Simulator - fährst du dann gleich Jeddah?
Hülkenberg: Genau. Wir sind über Nacht nach England geflogen und morgen beim Team in Silverstone im Simulator. Ich bereite mich einfach jetzt darauf vor, denn wir wissen ja nicht, wie Seb drauf ist und ob er fahren kann oder nicht. Das steht noch in den Sternen, das weiß noch keiner. Da gilt es erst einmal, die Vorbereitung zu machen, so gut es geht. Da ich dort noch nie gefahren bin, macht es Sinn, im Simulator einen Schnupperkurs zu machen.

Flüge schon gebucht?
Hülkenberg: Genau, wir haben Flüge gebucht. Mittwochnacht werden wir wieder zurückfliegen, es sei denn, vorher gibt es grünes Licht von Seb. Aber das bleibt abzuwarten. Wir haben alles vorbereitet, als ob ich dorthin gehe.

Du kennst das Team schon lange. Jetzt hat es sich stark verändert, was Ressourcen und so angeht, zumindest was man von außen sehen kann. Wie ist es intern? Ist es noch das gleiche Team von damals, oder hat es sich schon verändert?
Hülkenberg: Es hat sich schon verändert. Es sind noch immer sehr viele Gesichter von damals, aber es sind auch sehr viele Neue dabei. Es ist viel, viel größer, habe ich den Eindruck. Sowohl auf der Engineering-Seite als auch auf der Marketing-Seite. Eigentlich ist jedes Department gefühlt doppelt so groß geworden. Und es geht jetzt schon eher in Richtung großer Konzern, und ist kommerziell geworden. Früher war es ja so das kleine Privatteam von um die Ecke. Das Gefühl hat sich dahingehend schon ein bisschen geändert. Man merkt, es ist Aston Martin, ein globaler Weltkonzern.