Lawrence Stroll denkt gerne groß. Was zunächst mit der Übernahme des ehemaligen Force-India-Teams begann, ist inzwischen zu einem vollständigen Aston-Martin-Einsatz geworden. Mit dem ruhmreichen Hersteller, hier hält der Multi-Milliardär Anteile, will der Kanadier hoch hinaus. Als wichtigstes Marketing-Instrument, um den zuletzt angeschlagenen Luxusfabrikaten wieder auf die Erfolgsspur zu lenken, dient die Formel 1.

"Klotzen statt Kleckern" gilt deshalb längst als Devise der Renndivision. Auch, weil Stroll senior unbedingt seinen Sohn Lance als Weltmeister sehen will. Unzählige Neueinstellungen über die vergangenen Monate hinweg, inklusive abgeworbener Top-Ingenieure von Mercedes und Red Bull, sind da fast noch der kleinere Aspekt. Parallel entsteht gleich neben dem bisherigen Teamsitz in Silverstone für mehr als 200 Millionen Euro eine gigantische neue Fabrik.

Aston Martin: Denken definitiv an eigene Power Unit

Dort soll nicht nur der von einst gut 400 Mitarbeitenden auf bald deutlich über 600 aufgeblasene Personalstab Platz finden, sondern anstelle der in die Jahre gekommenen Jordan-Anlagen aus den Neunziger Jahren auch modernste Technik auf dem Niveau der führenden Fabriken von Ferrari, Mercedes und Red Bull bereitstehen - inklusive Windkanal, 360-Grad-Simulator und Prüfständen. Anfang 2023 soll die Fabrik stehen, ein Jahr später alles in Betrieb gehen können.

Formel-1-Video: Hier entsteht Aston Martins neue Super-Fabrik (07:00 Min.)

In fünf Jahren will Aston Martin so an die Spitze, diesen Zeitplan gab das Team bereits 2021 aus. Das wäre 2025. Schon ein Jahr später könnte gleich der nächste Kracher folgen: Baut Aston Martin seine Power Units selbst, wenn ab 2026 eine neue Motorenformel eingeläutet wird? Schon im Vorjahr befeuerte der damalige und inzwischen abgesetzte Teamchef Otmar Szafnauer die Gerüchte im Ansatz. "Sag niemals nie", hieß es da allerdings noch vage. Doch inzwischen wird das Thema bei Aston Martin sehr ernsthaft diskutiert.

"Mit unseren Ambitionen denke ich, dass wir langfristig definitiv untersuchen, eine Power Unit bereitzustellen", verriet Chief Technical Officer Andrew Green im Rahmen der Vorstellung des neuen Formel-1-Autos für 2022. "2026 ist ein neues Regelwerk für die Power Units angedacht und ich denke, dass wir als Team da sehr gerne beteiligt wären."

Stroll beantragte Aufnahme in Motorengruppe

Deshalb soll Big Boss Stroll den Kollegen von Auto, Motor und Sport zufolge bereits im Vorjahr einen Antrag gestellt haben, in die Motorengruppe aufgenommen zu werden. In dieser diskutieren die aktuell involvierten Motorenhersteller und potenzielle Neueinsteiger wie Audi und Porsche aus dem Volkswagen-Konzern mit Formel 1 und FIA regelmäßig die Rahmenbedingungen der künftigen Motorenformel. Wichtige Eckpfeiler segnete Ende vergangenen Jahres bereits der Weltmotorsportrat (WMSC) ab.

Vor allem eine größere Elektrifizierung und die Vereinfachung der Antriebstränge durch den Wegfall der MGU-H soll die Formel 1 dabei für Neueinsteiger attraktiver machen - nicht umsonst begrüßte insbesondere Audi die Beschlüsse. Doch auch für Parteien wie Red Bull und nun also auch Aston Martin wird das Thema Power Unit in Eigenregie so interessant.

Eigene Motoren: Kopiert Aston Martin jetzt Red Bull?

Erstere gingen mit der Gründung von Red Bull Powertrains bereits Ende 2020 den ersten Schritt. Red Bull werkelt in Milton Keynes längst daran, die entsprechenden Anlagen zu installieren, um ab 2026 erstmals Chassis und Antriebsstrang aus einer Hand produzieren zu können. Aktuell und bis dahin kooperiert Red Bull noch immer mit Honda - trotz des offiziellen Ausstiegs der Japaner Ende 2021 stellt Sakura weiter seine Power Units bereit.

Formel 1 2022: Vettels neuer Aston Martin endlich ein Sieger? (18:14 Min.)

Dennoch ist eine künftige Kooperation, etwa mit Audi, nicht ausgeschlossen, um zusätzliches Know-how an Bord zu holen. Genauso erscheint im Fall Aston Martin ein Partner zumindest hilfreich. Aktuell kooperiert das Team eng mit Mercedes, bezieht neben der Power Unit auch das Getriebe und die Hinterradaufhängung aus Brackley respektive Brixworth. Damit nicht genug. Die Verbindung geht weit über die Formel 1 hinaus. So hält Mercedes 20 Prozent der Anteile des britischen Herstellers, als CEO fungiert der ehemalige AMG-Chef Tobias Moers, es gibt eine technologische Partnerschaft und nicht zuletzt sind Lawrence Stroll und Mercedes-Motorsportchef und Aston-Aktionär Toto Wolff befreundet.

Wieso enge Kooperation mit Mercedes aufgeben?

Zwei Fragen drängen sich auf: Wieso sollte Aston Martin diese enge Kooperation aufgeben? Wäre der Mehrwert einer eigenen und somit perfekt auf das Chassis abstimmbaren Power Unit tatsächlich so groß, dies zu rechtfertigen? Eine dritte Frage hingegen ist bereits nahezu beantwortet: Die nach einem möglichen starken Partner, der Aston Martin bei einem solchen Vorhaben unterstützen könnte.

Dieser Partner ist seit diesem Jahr bereits an Bord. Neben Titelsponsor Cognizant holte das Team Saudi Aramco mit ins Boot. Der Öl-Riese aus Saudi-Arabien firmiert passenderweise offiziell bereits als strategischer Partner. Schon bei Bekanntgabe der neuen Partnerschaft war die Rede von Motoren. Die Kooperation soll bei der Entwicklung von hocheffizienten Verbrennungsmotoren, nachhaltigen Treibstoffen, fortschrittlichen Schmiermitteln und nichtmetallischen Automobilteilen helfen, hieß es in einer Aussendung.

Aston Martin setzt auf neuen Partner Saudi Aramco

Damit zielte man offenbar nicht nur auf Straßenautos, sondern auch auf die Formel-1-Ambitionen wie spätestens mit dem Launch des AMR22 herauskam. "Wir haben jetzt Aramco als Sponsor und ich denke, dass in den nächsten Jahren Gespräche geführt werden", sagte CTO Green hinsichtlich einer eigenen Power Unit in Zusammenarbeit mit dem Ölriesen. "Ich bin sicher, dass wir es uns sehr detailliert anschauen werden, um zu verstehen, ob wir etwas zu gewinnen haben, wenn wir in diese Richtung gehen."