Freude auf der einen Seite, großes Rätselraten auf der anderen: Während Mercedes den ersten Formel-1-Sieg von Valtteri Bottas feierte, grübelte das Team über den zahlreichen Problemen von Lewis Hamilton. Er, der eigentlich als Russland-Spezialist gilt, blieb diesmal komplett chancenlos. Schlechte Longruns im Training, ein verpatztes Qualifying und obendrein mysteriöse Probleme im Rennen.

Es war nicht das Wochenende des Lewis H. - sein schwächstes seit Baku 2016 laut eigener Aussage, als er im Qualifying einen Unfall baute und nur Fünfter in der Endabrechnung wurde. Damals waren die Probleme allerdings bekannt. Diesmal schien mehr im Argen zu liegen als nur eine schlechte Tagesform. "Da war mehr falsch als nur ein Thema", bestätigte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Im De-Briefing hat Lewis gesagt, dass er das Auto und die Reifen einfach nicht zum Funktionieren gebracht hat."

An der Oberfläche gekratzt

Es war eine oberflächliche erste Analyse. Selten kommt es vor, dass Mercedes nach einem problembehafteten Rennen nicht sofort den Knackpunkt ausmachen kann. Bei Hamilton zog sich die Fehleranalyse wie ein roter Faden durch das komplette Wochenende. Ganz anders bei Rennsieger Bottas, der am Freitag den besseren Eindruck hinterlassen und auch im Qualifying realistische Chancen auf den Pole Position gehabt hatte.

"Ich glaube, Lewis hatte einfach ein schlechtes Wochenende", wirkte Wolff eher ratlos. Damit wird sich das Team - und vor allem Hamilton - aber nicht abfinden. Knapp zwei Wochen hat Mercedes Zeit, die Probleme genau zu analysieren. Dann wartet das nächste Rennen in Barcelona. "Ich habe ein paar Ideen", sagte Hamilton. "Aber es braucht eine Weile, um alles zu verstehen. Es ist viel Arbeit nötig, um alles herauszufinden."

Lewis Hamilton blieb beim Start hinter den Ferraris hängen, Foto: Sutton
Lewis Hamilton blieb beim Start hinter den Ferraris hängen, Foto: Sutton

Zylinder mit Aussetzern

Am Rennsonntag blieb Hamilton chancenlos. Dabei war sein Start nicht schlecht. Im Windschatten von Teamkollege Bottas wollte er beide Ferraris kassieren, doch plötzlich drängte sich Sebastian Vettel zwischen das silberne Duo. So blieb Hamilton nichts anderes übrig, als sich hinter Bottas und den Ferraris einzuordnen - und das quasi über die gesamte Renndistanz hinweg. Mehr als Platz vier war schlichtweg nicht drin.

Einer der Gründe, warum Hamilton nicht die Pace fand: ein überhitzender Silberpfeil. Ab der fünften Runde funkte der Brite mehrfach an den Kommandostand, dass sein Auto zu heiß laufe. Um die Weiterfahrt nicht zu gefährden, schraubte Hamilton an den Settings herum und ging laut eigener Aussage vom Gas. "Das hat mich schon einige Zehntel gekostet", sagte er. "Dann hat wegen der hohen Temperaturen auch ein Zylinder ausgesetzt."

Mehr blieb nicht, als sich für Teamkollege Bottas zu freuen, Foto: Sutton
Mehr blieb nicht, als sich für Teamkollege Bottas zu freuen, Foto: Sutton

Reine Pace war das Problem

Wie es zum überhitzenden Motor kommen konnte, wusste aber auch Hamilton nicht: "Ich war im Verkehr, aber auch nicht so wirklich." Es sei insgesamt mehr gewesen als die reine Technik, versicherte er weiter. "Die Zuverlässigkeit war dieses Wochenende nicht das Problem", sagte der Sochi-Sieger von 2014 und 2015. "Es war die reine Pace mit Blick auf das Auto, die Reifen, Temperaturen und das Gefühl im Auto. Wegen der Zuverlässigkeit mache ich mir keine Sorgen, da waren wir bis jetzt am stärksten."

Mehrmals an diesem Wochenende musste Hamilton zugeben, einfach nicht schnell genug gewesen zu sein. Worte, die man üblicherweise nur selten vom dreifachen Weltmeister zu hören bekommt. Theoretisch wäre es allerdings möglich gewesen, die Pace der Spitze mitzugehen, glaubte Hamilton.

Hamilton konnte die Pace von Bottas nicht im Ansatz mitgehen, Foto: Sutton
Hamilton konnte die Pace von Bottas nicht im Ansatz mitgehen, Foto: Sutton

Lag es am Setup?

In der Praxis sah es ganz anders aus, allein in den ersten Runden war Hamilton im Schnitt eine halbe Sekunde langsamer als Teamkollege und Rennsieger Bottas. Eigentlich merkwürdig, das Setup beider Autos sei relativ ähnlich gewesen. "Ein bisschen Unterschied in den mittleren und langsamen Kurven, wo ich Probleme hatte", verriet Hamilton. "Und ein paar elektronische Dinge wie das Differenzial."

Etwas kryptisch fügte Hamilton dann an: "Die Richtung, die er gehen konnte, konnte ich nicht gehen. Ich verstehe aber nicht komplett, warum. Ich bin nicht sicher, was im Auto mich davon abgehalten hat."

Findet Mercedes rechtzeitig den Fehler bei Hamilton?, Foto: Sutton
Findet Mercedes rechtzeitig den Fehler bei Hamilton?, Foto: Sutton

Nicht schnell genug für Hamilton

War es womöglich der Umgang mit den Reifen? Die Haltbarkeit war auf dem glatten Asphalt des Sochi Autodrom nicht das Problem. Vielmehr lag die Crux wieder einmal darin, das offenbar schmale Arbeitsfenster richtig und konstant zu treffen. "Lewis hat das Auto nicht ans Laufen bekommen, weil er das Reifenfenster nie getroffen hat", erklärte Niki Lauda. "Deshalb rutschte er herum. Das war schon ab Freitag vorhersehbar. Das Auto war einfach nicht schnell genug für seinen Fahrstil."

Zwischen Auto und Fahrer habe es diesmal nicht gepasst, vermutete auch Motorsportchef Wolff. "Das war ein sehr ungewöhnliches Wochenende", fasste Hamilton zusammen. "Das ist nicht das Ende der Welt, aber ich muss natürlich die Pace wiederfinden, die ich zuvor hatte."