Nach Sauber, Renault und Force India hat mit Mercedes nun auch das erste Top-Team seinen Wagen für die Formel-1-Saison 2017 präsentiert. Der neue Silberpfeil trägt den Namen F1 W08 EQ Power+ und wurde im Rahmen eines Medientermins in Silverstone enthüllt. Mercedes strebt 2017 zum vierten Mal in Folge den Titel bei den Fahrern und Konstrukteuren an, wenn auch mit einer veränderten personellen Aufstellung.

Nicht mehr mit an Bord ist Weltmeister Nico Rosberg, der seine Karriere kurz nach dem Titelgewinn überraschend beendete und in der kommenden Saison durch Valtteri Bottas ersetzt wird. Der Finne wurde von Williams engagiert. Ebenfalls nicht mehr zum Team gehört Technikchef Paddy Lowe, die Position des Briten nimmt nun James Allison ein, der bis zum Sommer des vergangenen Jahres in Diensten von Ferrari stand.

Der F1 W08 im Einsatz, Foto: Sutton
Der F1 W08 im Einsatz, Foto: Sutton

Hamilton dreht erste Runden

Vor der offiziellen Präsentation des Wagens war bereits Lewis Hamilton mit dem neuen Silberpfeil auf der Strecke und absolvierte einen Shakedown, der im Rahmen eines offiziellen Filmtags des Teams stattfand. Der F1 W08 überzeugt mit einer ausgesprochen aggressiven Optik, was den neuen Aerodynamikregeln geschuldet ist, welche die Autos 2017 um mehrere Sekunden schneller machen sollen.

Ins Auge sticht die neue Form des Front- und Heckflügels sowie die Bargeboards vor den Seitenkästen, womit sich der Wagen markant von seinem Vorgängermodell abhebt. Durch das neue Regulativ war der Spielraum für die Ingenieure und Designer so groß wie selten zuvor in der Geschiche der Formel 1.

Im Gegensatz zu den bisher präsentierten Autos der kleineren Teams verzichtet Mercedes auf den Einsatz einer großflächigen Finne hinter der Airbox, und auch die Nase erscheint aus einem Guss und ähnelt somit nicht der ästhetisch wenig anspruchsvollen Form eines Fallussymbols.

"Beim neuen Auto passt alles super. Das Auto fühlt sich breiter an, wir hatten schon ziemlich viel Grip trotz der nassen Streckenbedingungen", sagte Hamilton nach der Jungfernfahrt. "Es fühlt sich ähnlich an wie das Auto aus dem letzten Jahr, aber dann kommt auf einmal dieses kräftige Biest zum Vorschein. Das ist die detaillierteste Maschine, die ich je in der Formel 1 gesehen habe."

Bottas war von seinem neuen Arbeitsgerät ebenfalls mehr als nur angetan. "Ich habe lange darauf gewartet, mit diesem Auto auf die Strecke zu dürfen. Obwohl es nur ein Filmtag ist, freue ich mich darauf, nächste Woche mit den richtigen Testfahrten in Barcelona zu beginnen. Dann werden wir anfangen, das Auto, das uns alle in Brixworth und Brackley gegeben haben, verstehen zu lernen", so der Finne, der nach Hamilton im Wagen Platz nahm. "Im Moment ist es ein sehr aufregendes Gefühl."

Lewis Hamilton absolvierte die Jungfernfahrt mit dem F1 W08, Foto: Sutton
Lewis Hamilton absolvierte die Jungfernfahrt mit dem F1 W08, Foto: Sutton

Zurück zur Basis

Beim Vorgängermodell W07 drehte sich alles um Feintuning und eine ausgefeilte, eingehende Evolution. Beim W08 ging es zurück zu den Grundprinzipien. Das Auto wurde entwickelt, noch bevor die endgültigen 2017er-Reifen feststanden. Einige Teile entstanden sogar schon, bevor die Regeln final beschlossen waren. Umso wichtiger war es, rasch eine solide Basisstruktur zu erlangen.

Gleichzeitig musste eine flexible, anpassbare Philosophie verfolgt werden, um größere Entwicklungsschritte während der Saison zu ermöglichen. Angesichts dieser Tatsachen wurden nur 17% der Komponenten des W08 vom Vorgänger übernommen. Das Hauptaugenmerk des Teams lag darauf, das Auto unter dem neuen Aerodynamik-Reglement zu optimieren.

Dieses Jahr laufen die ersten großen Regeländerungen unter dem Aerodynamik-Test-Reglement. Dieses schreibt für jedes Team die gleiche maximale Anzahl an Windkanaltests (65 Runs pro Woche) vor. Angesichts des großen Ausmaßes der Regeländerungen wurde das erste Konzept für den W08 bereits vor dem ersten Rennen der Vorsaison im 60%-Windkanal des Teams in Brackley getestet. Im Verlauf der Entwicklung absolvierte es bislang mehr als 2.000 Runs.

Der F1 W08 verfügt über eine völlig neue Aerodynamik, Foto: Sutton
Der F1 W08 verfügt über eine völlig neue Aerodynamik, Foto: Sutton

"Das neue Reglement für 2017 wurde entwickelt, um mithilfe eines großen Zuwachses an aerodynamischer Performance die schnellsten F1-Autos der Geschichte zu bauen. Sie sollten für die Fahrer schwieriger zu fahren sein und hoffentlich aus Sicht der Fans spektakulärer aussehen. Den Beweis hierfür werden die ersten Rennen erbringen, aber voraussichtlich haben wir dieses Ziel erreicht", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Der Österreicher weiter: "Mit Blick auf die relative Performance bringt jede Regeländerung natürlich einen gewissen Neustart mit sich. Das birgt aber auch eine große Chance in sich. Wir müssen jetzt bescheiden bleiben und beide Füße auf dem Boden behalten. Noch hat kein Team ein Rennen unter dem neuen Reglement bestritten. Somit haben wir alle noch die gleiche Punktzahl: nämlich null."

"In diesem Jahr wird die Weiterentwicklung im Verlauf der Saison eine große Rolle für den Ausgang der Weltmeisterschaft spielen", blickt Wolff der bevorstehenden Saison gespannt entgegen. "Niemand weiß, wo er beim ersten Rennen steht. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir für jede Situation die richtigen Leute und Fähigkeiten besitzen, um alle Herausforderungen zu meistern, die sich auf unserem Weg ergeben. In dieser Saison kann unser Werksteam seine wahre Stärke unter Beweis stellen."

Lewis Hamilton und Valtteri Bottas mit dem W08, Foto: Sutton
Lewis Hamilton und Valtteri Bottas mit dem W08, Foto: Sutton

Überarbeitete Power Unit

Die Power Unit mit dem Namen M08 wurde für die neue Saison ebenfalls umfassend überarbeitet. Obwohl das bisherige Token-System die Entwicklung der Power Units seit 2014 nicht einschränkte, gibt die Abschaffung des Systems den Technikern mehr Freiheiten für Ingenieurs-Lösungen.

Das Team konzentrierte sich vor allem auf die Haupt-Energieumwandlungsmöglichkeit - den Verbrennungsprozess. Es gibt aber auch viele Möglichkeiten für weitere Zugewinne, unter anderem bei den Motoranbauteilen. Die neuen Aerodynamikregeln hatten einen einschneidenden Einfluss auf die Konfiguration des Motors. Dieser muss als strukturelle Komponente des Autos erheblich höhere physische Belastungen aushalten. Um seine strukturellen Eigenschaften zu erhalten, fällt der Motor etwas schwerer als sein Vorgänger aus.

Hinzu kommt ein längerer Einsatzzyklus, gemäß dessen die Autos pro Runde ungefähr 10% länger unter Volllast laufen. Damit einher geht in der neuen Saison eine Erhöhung der erlaubten Rennspritmenge um 5%. M08 wurde zudem für eine verbesserte Haltbarkeit entworfen, da das Reglement in der Saison 2017 nur noch vier Power Units pro Fahrer erlaubt.

Der F1 W08 EQ Power+ in Action, Foto: Sutton
Der F1 W08 EQ Power+ in Action, Foto: Sutton

Ein Name mit Zukunft

Die Präsentation war nicht nur die Premiere eines neuen Autos. Sie war auch das weltweite Debüt einer neuen Technologiebezeichnung, die sich über alle Modellreihen von Mercedes-AMG und Mercedes-Benz erstreckt.

2016 stellte Mercedes-Benz auf dem Pariser Autosalon seine neue Produktmarke für Elektromobilität vor: EQ. Die Bezeichnung EQ steht für "Electric Intelligence" und repräsentiert "Emotion und Intelligenz", zwei Markenwerte von Mercedes-Benz. EQ verfolgt das Ziel, Elektromobilität einfach, komfortabel, sicher und für jedermann zugänglich zu machen.

Beginnend mit dem anstehenden Facelift der S-Klasse erhalten alle zukünftigen Mercedes-Benz Plug-In Hybrid-Fahrzeuge die Bezeichnung "EQ Power". Das neue F1-Auto F1 W08 Hybrid EQ Power+ ist der erste Mercedes-AMG Hybrid mit der Bezeichnung "EQ Power+", die zukünftig für alle Mercedes-AMG Performance-Hybrid-Fahrzeuge Verwendung finden wird.

Die neue Modellbezeichnung wurde anschaulich in die Lackierung des neuen W08 eingebunden. Sie wird durch eine elektrisch blaue Visualisierung des Luftflusses vom Frontflügel bis zu den Enden der Seitenkästen auf dem Auto dargestellt. Diese unverwechselbare Charakteristik wurde vom Elektro-Look des im vergangenen Jahr präsentierten Concept EQ abgeleitet.

Der Vorgänger: Mercedes F1 W07 Hybrid

Wie schon in den beiden vorangegangenen Jahren, war Mercedes auch 2016 das Maß der Dinge in der Formel 1 und der Konkurrenz turmhoch überlegen. Die Silberpfeile gewannen mit dem F1 W07 Hybrid 19 der 21 Saisonrennen und stellten mit 765 WM-Punkten einen neuen Rekord in der Königklasse auf.

Die Fahrer: Lewis Hamilton und Valtteri Bottas

Nach dem Rücktritt von Nico Rosberg geht Lewis Hamilton als großer Favorit auf den WM-Titel in die neue Saison. Der Brite schrammte 2016 aufgrund einer Vielzahl technischer Probleme knapp an seiner vierten Weltmeisterschaft vorbei, dennoch gelang es ihm, in der ewigen Siegerliste an Alain Prost vorbeizuziehen, sodass nur noch Michael Schumacher bei mehr Grand-Prix-Erfolgen hält. Valtteri Bottas wartet hingegen noch auf seinen ersten Sieg. Der Finne, der seine gesamte bisherige Karriere bei Williams verbrachte, stand bislang neun Mal auf dem Podium, allerdings nicht auf der obersten Stufe des Treppchens.

Das Team: Mercedes-AMG Motorsport

Mercedes trat bereits 1954 und 1955 als Werks-Team in der Formel 1 an und gewann in beiden Jahren durch Juan Manuel Fangio den Weltmeistertitel. Danach zog sich Mercedes lange Jahre aus der Königsklasse zurück und kehrte erst 1993 als Motorenlieferant zurück. Dieser Rolle blieb man bis inklusive 2009 treu, ehe das Brawn Team übernommen und in ein Werks-Team umgewandelt wurde. Den ersten Sieg der neuen Silberpfeil-Ära feierte Nico Rosberg 2012 in China, die richtig großen Erfolge stellten sich dann ab 2014 ein. Seit dem Beginn der Hybrid-Ära ist Mercedes eine Klasse für sich und gewann 51 der letzten 59 Rennen und folglich sämtliche WM-Titel.

Technische Daten Mercedes F1 W08 EQ Power+

Chassis
BauartKohlefaser und Waben-Kompositstruktur, Kohlefaser, inklusive Motorabdeckung, Seitenkästen, Unterboden, Nase, Frontflügel und Heckflügel
CockpitEntfernbarer Fahrersitz aus anatomisch geformter Kohlefaser, OMP Sechs-Punkt-Sicherheitsgurt, HANS-System
SicherheitsstrukturenCockpit-Überlebenszelle mit Aufprall- und Eindringungsschutz, vordere Crash-Struktur, vorgeschriebene seitliche Crash-Strukturen, integrierte hintere Crash-Struktur, Überrollbügel vorne und hinten
VorderradaufhängungKohlefaser-Querlenker und Torsionsfedern (Schubstreben) und Kipphebel
HinterradaufhängungKohlefaser-Querlenker und Torsionsfedern (Zugstreben) und Kipphebel
RäderOZ geschmiedetes Magnesium
BremssystemCarbon / Carbon Bremsscheiben und -Beläge mit "brake-by-wire" (hinten)
BremszangenBrembo
LenkungServounterstützte Zahnstange und Getriebeanordnung
LenkradKohlefaserkonstruktion
ElektronikECU nach FIA-Standard, Elektroniksystem und Elektrik mit FIA-Zulassung
AusstattungMcLaren Electronic Systems (MES)
BenzinsystemATL mit Kevlar verstärkter Gummiblase
Schmiermittel & ÖlePETRONAS Tutela
Kraftübertragung
GetriebeAcht Vorwärtsgänge, ein Rückwärtsgang, Kohlefaser-Getriebegehäuse
SchaltungSequenzielle Halbautomatik mit hydraulischer Aktivierung
KupplungCarbonplatte
Abmessungen
GesamtlängeÜber 5.000 mm
Gesamtbreite2.000 mm
Gesamthöhe950 mm
Gesamtgewicht728kg
Power Unit
TypMercedes-AMG F1 M08 EQ Power+
Mindestgewicht145 kg
Hubraum1,6 Liter
ZylinderSechs
Zylinderbankwinkel90
Anzahl der Ventile24
Max. Drehzahl ICE15.000 U/Min
BenzineinspritzungHochdruck-Direkteinspritzung (max. 500 bar, eine Einspritzdüse/Zylinder)
Aufladungeinstufiger Kompressor und Abgasturbine an einer gemeinsamen Welle
Max. Drehzahl Abgasturbine125.000 U/Min.