Nach dem Mercedes-Crash beim Spanien GP, dem Sensationssieg Max Verstappens und der mittelprächtigen Ferrari-Vorstellung in Barcelona reist der Formel-1-Tross an der Küste entlang weiter in Richtung Monaco. In den Straßen des Fürstentums kommt es zum nächsten Schlagabtausch im Kampf um die Top-Positionen.

Die Voraussetzungen versprechen ein extrem spannendes Wochenende. So ist nahezu alles angerichtet: Der übliche Monaco-Glamour, eine interessante Wettervorhersage, die nächsten Tests der Cockpit-Protektoren Halo und Aeroscreen sowie das Debüt des ultrasoften Pirellis als besondere Faktoren sollten schon allein für genug Action sorgen. Doch auch in puncto Kräfteverhältnis zeichnet sich ein ganz spezielles Bild ab.

Die Favoriten: Enger Dreikampf Mercedes-Ferrari-Red Bull

So schwer wie vor dem Monaco-Wochenende war es in der aktuellen F1-Saison bislang noch nie, einen eindeutigen Favoriten ausfindig zu machen. Auch wenn es sich Sebastian Vettel einfach macht: "Wir kommen nicht als Favoriten nach Monaco, das bleibt Mercedes." Denn a) spricht der Trend für einer engere Spitze und das b) insbesondere auf einer kurzen Strecke wie Monaco, wo das Feld traditionell enger zusammenrückt.

Nicht nur deshalb müssen sich Ferrari und Mercedes die Favoritenrolle dieses Mal nicht alleine teilen. Auch Red Bull Racing sollte in Monaco ganz vorne dabei sein. Hintergrund ist das vor allem in langsamen Kurven extrem starke Chassis des RB12 - genau von solchen Passagen gibt es in Monte Carlo jede Menge. "Wir erwarten jedenfalls einen engen Kampf zwischen Ferrari, Red Bull und uns. Demnach benötigen wir ein perfektes Wochenende, um an der Spitze zu stehen", warnt deshalb etwa Mercedes-Technikchef Paddy Lowe.

Teamchef Toto Wolff stimmt zu: "Unsere Rivalen haben erneut Fortschritte gemacht, wodurch unsere Aufgabe noch schwieriger geworden ist. In Barcelona ging Red Bull aus einem engen Fight mit Ferrari als Sieger hervor. Damit steht fest, dass wir es mit mehreren Gegnern zu tun bekommen." Noch dazu sorgt schon die teaminterne Situation für Sprengstoff: Nach dem Crash Spanien wird Lewis Hamilton nur noch mehr auf den ersten Sieg über Nico Rosberg 2016 brennen.

Red Bull kann Ferrari inzwischen ernsthaft herausfordern, Foto: Sutton
Red Bull kann Ferrari inzwischen ernsthaft herausfordern, Foto: Sutton

Die Konkurrenz, insbesondere Red Bull, gibt sich unterdessen bedeckt. Jedenfalls wird der Sieg nicht plötzlich zur Pflicht ausgerufen, wie es sich zu Beginn der Saison mit Blick auf Rennen wie Singapur oder eben Monaco noch angehört hatte. "Dieses Jahr hatten wir als Team ein Podium und einen Sieg. Ich denke, Monaco ist eine großartige Gelegenheit, das auszubauen", sagt Daniel Ricciardo. Fast offensiver klingt da schon ein Team, dass man zunächst gar nicht auf der Rechnung hat: McLaren!

"Ich bin mir nicht sicher, ob Ferrari eine Bedrohung ist", haut Renndirektor Eric Boullier richtig einen raus. Der Franzose sieht Mercedes, Red Bull und auch Toro Rosso als größere Konkurrenten. Zugegeben: Power, die größte Schwachstelle McLarens, zählt in Monaco weitaus weniger als üblich. Doch muss der Rennstall erst einmal nachweisen, wirklich ein so tolles Chassis zu haben, wie McLaren immer selbst behauptet, um selbst in Monaco wirklich in die Riege der Top-Favoriten aufgenommen zu werden. Außenseiter-Chancen sind Woking jedoch einzuräumen.

In Monaco sehen wir zum ersten Mal den ultrasoften Reifen von Pirelli an einem Rennwochenende im Einsatz, Foto: Ferrari
In Monaco sehen wir zum ersten Mal den ultrasoften Reifen von Pirelli an einem Rennwochenende im Einsatz, Foto: Ferrari

Die Strategie: Ultrasoft-Debüt bringt noch mehr Würze

Nach Barcelona steht der Formel 1 gleich das nächste Wochenende bevor, an dem der Strategie ein besonderer Stellenwert zukommt. In Monaco lässt es sich bekanntlich noch schwieriger auf der Strecke überholen als beim Spanien GP. Entsprechend lässt sich ein vielleicht nichts ganz ideales Qualifying-Ergebnis im Rennen fast nur am Start oder eben über eine geschickte Taktik korrigieren.

Dabei ist unbedingt das Safety Car zu beachten. Die SC-Wahrscheinlichkeit beträgt in Monaco nahezu 100 Prozent. In den fünf vergangenen Rennen kam es sogar zu insgesamt zehn Einsätzen, nicht ein Mal lief der Monaco GP ganz ohne Führungskilometer für Bernd Mayländer ab. Ein weiterer Faktor ist das niedrige Speedlimit in der Boxengasse. In Monaco sind im Rennen nur 60 km/h gestattet. Die Teams müssen sich einen zusätzlichen Stopp neben der Gold werten Track Position also umso besser überlegen.

Spannend könnte genau dabei das Debüt einer neuen Reifenmischung werden. Zum ersten Mal liefert Pirelli den neuen Ultrasoft. Die Teams haben sich bei der Reifenwahl wegen der schlechten Grip-Verhältnisse in Monaco sofort auf den extrem weichen Pneu gestürzt. Gerade die Top-Teams wählten eine sehr aggressive Herangehensweise. "Die hohe Zahl der von den Teams angeforderten Kontingente dieser Mischung belegt, dass es sich bei diesem Slick um eine echte Option für das Rennen handelt, und nicht nur um einen Qualifying-Spezialisten", sagt Pirellis Motorsport-Direktor Paul Hembery.

Pirelli erwartet wegen der geringen Geschwindigkeiten und des entsprechend marginalen Reifenabriebs im Fürstentum jedoch, dass trotz der drei weichsten Reifenmischungen Ein-Stopp-Strategien möglich sein werden. Im Vorjahr jedenfalls führte diese Taktik Nico Rosberg zum Sieg. Der Deutsche wechselte in Runde 37 von Supersoft auf Soft und beendete so den GP. Dieser Strategie folgte das Gros der Konkurrenz.

Das Wetter: Regenrennen in Monaco?

In den vergangenen Jahren war das Wetter in Monaco schlechter als man es von der Côte d'Azur erwarten sollte. Jede fünfte Session der zurückliegenden fünf Jahre ging unter regnerischen Bedingungen über die Bühne. Im Schnitt kletterte das Thermometer auf gut 20 Grad Celsius Außentemperatur, was den Asphalt auf durchschnittlich 35,3 Grad Celsius erhitzte.

Für das bevorstehende Rennwochenende gehen die Prognosen von leicht besseren Bedingungen aus. Das Quecksilber soll sich am gesamten Wochenende zwischen 23 und 24 Grad Celsius einpendeln. Dabei gibt es allenfalls leichte Bewölkung und Brisen am Hafenbecken. Erst am Sonntagnachmittag drohen nach aktuellem Stand leichte Schauer. Die Regenwahrscheinlichkeit liegt zum Rennstart immerhin bei 40 Prozent.

Monaco GP: Fakten zum Rennen

  • Rosberg kann Pole-Jubiläum (25) und vierten Monaco-Sieg in Folge einfahren
  • Senna mit sechs Siegen und fünf Poles jeweils Rekordhalter
  • McLaren mit 15 Siegen das mit Abstand erfolgreichste Team
  • 2016 fährt die Formel 1 schon zum 63. Mal unter WM-Status in Monte Carlo
  • Rundenrekord (Rennen): 1:18.063 Min. (D. Ricciardo, 2015)
  • Streckenrekord: 1:13.532 Min. (K. Räikkönen, 2006)
  • Pole-Zeit 2015: 1:15.098 Min. (L. Hamilton)
  • Kürzeste Runde im Rennkalender (3,337 km)
  • Kürzeste Renndistanz im Rennkalender (260,286 km)
  • Größte Rundenzahl im Rennkalender (78)
  • 19 Kurven (7 links, 12 rechts)

Wusstest Du schon, dass...

bereits 1950 der erste Monaco GP ausgetragen wurde? Seitdem hat sich die Strecke nur marginal verändert.

Monaco eigentlich schon 1929 sein Debüt gab? Damals allerdings noch vor den Zeiten mit WM-Status. Insgesamt kommt Monaco dieses Jahr also auf 74 GP.

Olivier Panis 1996 im Ligier vom 14. Startplatz gewann? Für den Franzosen blieb es der einzige Formel-1-Sieg, für Monaco bis heute der Rekord für den schlechtesten Startplatz, der noch zum Sieg gereicht hat.

Ayrton Senna 1988 mit 50 Sekunden Vorsprung führte, ehe ihn sein Team aufforderte, das Tempo zu reduzieren, woraufhin der Brasilianer in die Leitplanken donnerte? Ohne diesen Zwischenfall hätte Senna von 1987 bis 1993 ununterbrochen im Fürstentum gesiegt.

Jules Bianchi 2014 im unterlegenen Marussia eine beeindruckende Fahrt in die Punkte schaffte? Im überholfeindlichen Fürstentum ging es für den vor einem Jahr verstorbenen Franzosen von P19 auf P9. Romain Grosjean bestreitet das Rennwochenende in Erinnerung an Bianchi daher mit einem speziellen Helmdesign.

Michal Schumacher 2006 versuchte, die Pole durch ein Parkmanöver in der Rascasse abzusichern? Die Stewards bestraften den Ferrari-Piloten mit einer Versetzung auf den letzten Startplatz. Trotzdem kämpfte sich Schumacher im Rennen noch weltmeisterlich zurück auf P5. Und das in Monaco.

Kimi Räikkönen sich 2006 nach seinem Ausfall nicht zurück ins Paddock begab, sondern sich direkt auf seine Yacht im Hafen fläzte?