Man könnte meinen, alle Motorsportmächte dieser Welt hätten sich gegen Lewis Hamilton und zugunsten von Nico Rosberg verschworen. Wie schon vor zwei Wochen in China, startet Rosberg auch in Russland von der Pole Position, während Hamilton im Qualifying erneut einen Motorschaden erlitt und bestenfalls von Rang zehn in den Grand Prix gehen wird.

Der Weg für Rosberg zum vierten Sieg im vierten Saisonrennen, saisonübergreifend wäre es sogar bereits der siebte, scheint also frei, der Mercedes-Pilot kann sich wohl nur selbst schlagen beziehungsweise vom Technikteufel bezwungen werden, der sich von seinem Wagen in diesem Jahr bislang allerdings tunlichst fernhielt.

Rosberg profitiert von Pech der Konkurrenz

Sebastian Vettel startet von P7, Foto: Sutton
Sebastian Vettel startet von P7, Foto: Sutton

Gelingt Rosberg ein ordentlicher Start, ist die größte Gefahr, abgefangen zu werden, vermutlich bereits gebannt. "Ich werde fokussiert sein, um einen guten Start zu erwischen", betont der Deutsche, neben dem diesmal Williams-Pilot Valtteri Bottas steht. In China verlor Rosberg das Startduell gegen Daniel Ricciardo, das soll sich diesmal nicht wiederholen. "Ich werde reinhalten", kündigt er an.

Strategisch gibt es in Russland im Gegensatz zu den letzten Rennen nur wenige Möglichkeiten, korrigierend ins Geschehen einzugreifen, wenn es nicht wunschgemäß läuft. Verantwortlich dafür ist der Umstand, dass das Sochi Autodrom ausgesprochen reifenschonend ist und von einer Ein-Stopp-Strategie auszugehen ist. Nach dem Start auf den superweichen Reifen werden die Top-Piloten wohl nur einmal die Boxen anlaufen, um auf die weichen Pneus zu wechseln. Die Medium-Mischung wird hingegen gar nicht zur Anwendung kommen.

Neben Hamiltons Malheur im Qualifying spielt Rosberg ebenfalls in die Karten, dass Sebastian Vettel strafversetzt wurde. Der Ferrari-Pilot hat ein neues Getriebe, weshalb er nur von Platz sieben starten wird. Eine Hypothek, da es in Russland nicht einfach ist, zu überholen. "Es ist ein langer Weg zur ersten Kurve, mit einem guten Start und einer guten ersten Runde kann nach vorne schon was gehen", hofft der Heppenheimer, der von der sauberen Seite starten wird.

Sieben Zehntel betrug Vettels Rückstand im Qualifying auf Rosberg. Im Rennen soll das Defizit nicht mehr ganz so groß sein. "Wir wissen, dass wir für gewöhnlich am Sonntag stärker als am Samstag sind", streicht Vettel hervor. "Wenn wir die Chance haben zu attackieren, werden wir es natürlich tun. Das Auto fühlt sich gut an, es sollte ein gutes Rennen werden." Helfen könnte Vettel ein Einsatz des Safety Cars, der die starren Strategien durcheinanderwirbelt.

Aufholjagd von Hamilton?

Dennoch ist die Favoritenrolle klar verteilt, dafür spricht schon die starke Performance von Mercedes in den freitäglichen Longruns. Das sieht auch Motorsportchef Toto Wolff so. "Die Auto-Reifen-Kombination funktioniert hier sehr gut. Die Motor-Auto-Kombination rundet es dann ab", resümiert der Österreicher zufrieden. Rosberg sieht es ähnlich, zeigt sich vom silbernen Vorsprung gegenüber Ferrari aber doch überrascht. "Heute sind sie aber näher dran als gestern, sie waren ja recht weit weg. Aber unsere Performance hier ist beeindruckend."

Lewis Hamilton ist vom Pech verfolgt, Foto: Sutton
Lewis Hamilton ist vom Pech verfolgt, Foto: Sutton

Abzuwarten bleibt, von wo Lewis Hamilton ins Rennen geht - entweder von Platz zehn oder doch von weiter hinten, falls über Nacht noch neue Teile in Russland eintreffen, was einen Bruch der Parc-fermé-Bestimmungen zur Folge hätte. Selbst wenn es das Ende des Feldes werden sollte, wäre eine Fahrt auf das Podium keine Sensation - der überlegenen Mercedes-Maschinerie sei Dank. Vermeiden will Hamilton diesmal freilich eine Startkollision, die ihn in China früh aller Chancen beraubte. "Ich hoffe aber auf eine saubere erste Runde, in der das Auto heil bleibt", betont der Brite.

Williams will auf das Podium

Was in China Red Bull war, könnte in Russland Williams sein. Valtteri Bottas machte sich einen Fehler Kimi Räikkönens zunutze und sicherte sich den zweiten Startplatz, Felipe Massa den vierten. So nah war Williams in dieser Saison noch nie am Sprung auf das Podium dran. Die gute Performance des britischen Traditionsrennstalls ist einerseits auf den starken Mercedes-Motor, der in Sochi seine Vorzüge ausspielen kann, zurückzuführen, andererseits brachten Verbesserungen am Auto einen Performancesprung in den langsamen Kurven.

"Wir wollen auf jeden Fall Red Bull schlagen, weil wir das schnellere Auto haben", formuliert Rob Smedley, Head of Vehicle Performance, ein klares Ziel. Das soll aber nicht das Ende der Fahnenstange sein. "Wir wollen auch versuchen, Ferrari zu schlagen", so der Brite weiter. Nur Mercedes sieht Smedley außer Reichweite. "Aber wir werden versuchen, zumindest ein Auto auf das Podium zu bringen - das ist definitiv das Ziel."