Lewis Hamilton fährt das gesamte Wochenende in Ungarn schon in seiner eigenen Welt. Der Brite dominierte jede einzelne Session auf dem Hungaroring. Bestzeit in FP1, Bestzeit in FP2, Bestzeit in FP3, Bestzeit in Q1, Bestzeit in Q2 und Bestzeit in Q3. Und Hamilton gab seinem Teamkollegen im Qualifying richtig eine mit: Knapp sechs Zehntelsekunden war Nico Rosberg langsamer.

Doch wie sieht es im Rennen aus? Ist Rosberg am Sonntag ähnlich chancenlos wie im Qualifying oder kann der Deutsche auf seine Stärke im Rennen bauen? Und wie weit ist die Konkurrenz weg von den Silberpfeilen? Wer ist erster Verfolger? Red Bull, Ferrari oder Williams? Motorsport-Magazin.com macht den Favoritencheck für den Ungarn GP.

Rosberg hat nur eine Chance

Realistisch betrachtet hat Nico Rosberg nur eine Chance: Den Start. Doch die Vorzeichen sind nicht gut. Der WM-Zweite startet nicht nur von der dreckigen Seite, sondern hatte im Abschlusstraining auch noch mit einem Defekt beim Startversuch zu kämpfen. Sein Motor ging einfach aus. Deshalb muss das Startprozedere am Sonntag geändert werden, um das Problem ausschließen zu können. Wenn der Motor ausgeht, ist das Rennen gelaufen. Ob Hamilton auch auf Plan B umsteigen muss, ist nicht bekannt.

Rosberg hofft auf chaotische Starts, Foto: Sutton
Rosberg hofft auf chaotische Starts, Foto: Sutton

Ob das geänderte Prozedere einen positiven Einfluss auf den Start haben wird, ist nicht klar. Positiv wird es sich aber wohl nicht auswirken, sonst wäre es nicht Plan B. Was Rosberg aber Mut macht: Zuletzt gab es einige Verschiebungen am Start. In Österreich ging er auf den ersten Metern an Hamilton vorbei, in Silverstone starteten beide Mercedes schlecht. Die Chance ist zumindest da.

Ab Kurve zwei wird es schwierig bis unmöglich für Rosberg, das Rennen noch zu drehen. "Wenn man einmal Erster in Kurve eins ist, ist das schon das halbe Rennen." Eine Floskel von Niki Lauda, die kaum auf einer Strecke mehr zutrifft als in Ungarn. Denn Überholen ist im ungarischen Monaco fast so schwer wie im echten Fürstentum.

Kann Rosberg mit besserem Reifenverschleiß punkten? Hamiltons Trick, weshalb er in Ungarn so dominant fährt, liegt im Umgang mit den Reifen. "Man geht hier über das Arbeitsfenster der Reifen hinaus. Nach Kurve zwei oder drei sind die Reifen schon überhitzt", erklärt der Pole-Setter. Das kann sich im Rennen rächen. Allerdings hat Hamilton das Rennen in Ungarn bereits viermal gewonnen.

Am Freitag konnten die Longruns keinen wirklichen Aufschluss darüber geben, ob Hamilton oder Rosberg seine Reifen mehr schont. Ungewollt stimmte Rosberg seinen Boliden aber für Sonntag ab, eigentlich wollte er im Qualifying angreifen. "Aber es war ein absolutes Rennsetup, das im Qualifying überhaupt nicht funktioniert hat", sagte er zu Motorsport-Magazin.com.

Am Sonntag soll es in Budapest deutlich kühler werden. Fast zehn Grad soll es nach unten gehen. Dadurch verändert sich die Balance der Autos. Tendenz: Richtung Untersteuern. Gut, denn dadurch werden die kritischen Hinterreifen weniger belastet. Für Rosberg aber weniger gut: Er hatte schon im Qualifying mit starkem Untersteuern zu kämpfen. Das Wetter hilft eher Hamilton.

Strategisch wird bei Mercedes wenig passieren. Zwar wären mit zwei oder drei Stopps verschiedene Strategien möglich, doch Mercedes lässt den Piloten aus Fairnessgründen keine Wahl. Beide fahren mit identischer Strategie. Lediglich die Reihenfolge der Reifenmischungen bleibt den Piloten überlassen - sofern von hinten keine Gefahr droht.

Red Bull, Ferrari oder doch Williams zweite Kraft?

Hinter Mercedes wird es richtig eng. Oder darf Rosberg seine Reifen nicht selbst wählen und es droht Gefahr von hinten? Eher nicht. "Morgen erwarten wir kühlere Temperaturen, was uns hoffentlich zugutekommt", vermutet Mercedes Motorsportchef Toto Wolff schon. "Wir werden unsere Rivalen jedoch nicht unterschätzen. Unser Vorsprung ist anfällig", fügt er noch an. "Ferrari und Red Bull sind uns auf den Fersen und bereit, jeden Fehler auszunutzen."

Wolffs Zusatz ist aber nur die übliche Floskel. Obwohl Red Bulls und auch Ferraris Longruns stark aussahen, sollten beide nicht den Hauch einer Chance haben, einen Mercedes-Sieg zu verhindern. Oder bessergesagt: Einen Hamilton-Sieg. Wenn Rosberg auch im Rennen so weit hinterherhinkt, muss er sich zumindest verteidigen.

0,035 Sekunden fehlten Daniel Ricciardo im Qualifying auf Sebastian Vettel. Quasi nichts. Glaubt man Ricciardo, ohnehin Absicht. "Letztes Jahr war ich Vierter im Qualifying und habe das Rennen gewonnen. In diesem Jahr hätte ich auch auf Pole fahren können, aber ich dachte, Vierter ist ausreichend", scherzte der Australier.

Fahrer Team Runden Schnitt
Daniil Kvyat Red Bull 13 1:29,0
Kimi Räikkönen Ferrari 8 1:29,2
Lewis Hamilton Mercedes 10 1:29,3
Carlos Sainz Toro Rosso 19 1:29,6
Valtteri Bottas Williams 13 1:29,8

"Ich denke, wir können Ferrari herausfordern", ist Ricciardo zuversichtlich. Kleiner Vorteil für Ricciardo: Als einziger Pilot schaffte er den Sprung in Q2 auf den Medium-Reifen. Deshalb hat er für das Rennen einen frischen Satz Soft zur Verfügung. "Selbst wenn sie [Ferrari] etwas schneller sind, wird uns das in den Kampf zurückbringen", glaub der Red Bull Pilot.

Sebastian Vettel nimmt es gelassen. "Ich glaube, dass sie morgen stark sein werden, aber wir haben es geschafft, sie im Qualifying zu schlagen - das bedeutet, dass wir schneller sind." Den Zeiten vom Freitag will er nicht zu viel Bedeutung beimessen. "Mit gestern können wir es nicht wirklich vergleichen, weil wir keinen guten Tag hatten."

Am weniger guten Tag von Ferrari fuhr Red Bull klar die stärkere Zeiten im Dauerlauf. Daniel Ricciardo war sogar schneller als die Mercedes. Im Kampf gegen Ferrari: Vorteil Red Bull. Allerdings schwebt der Renault-Antrieb wie ein Damokles-Schwert über Ricciardo und Kvyat. Nicht nur wegen der Zuverlässigkeit, auch wegen des Spritverbrauchs.

Benzinverbrauch spricht gegen Red Bull

Beim Freitagslongrun spielt der Benzinverbrauch noch keine so große Rolle, auch wenn die Teams schon versuchen, Benzinsparen für das Rennen zu trainieren. Ungarn zählt nicht zu den schlimmsten Rennen, was den Benzinverbrauch angeht.

Trotzdem hat Red Bull einen Nachteil: Die Konkurrenz braucht nicht mit vollem Tank starten und hat somit ein niedrigeres Startgewicht. Das machten einige Teams übrigens sogar beim Benzin-intensiven Rennen in Montreal so. Durch das niedrige Startgewicht ist man über die Renndistanz trotz Benzinsparen schneller als mit vollem Tank und mehr Vollgas.

Williams ist aber noch nicht ganz raus aus dem Rennen. So stark wie in Silverstone ist der FW37 auf dem Hungaroring aber keinesfalls. Die langsame Charakteristik liegt dem Williams nicht. Immerhin läuft es deutlich besser als noch in Monaco. Wirklich überzeugen konnten Valtteri Bottas und Felipe Massa aber nicht.

Position Fahrer Team Motor Topspeed
1 Felipe Massa Williams Mercedes 321,2 km/h
5 Valtteri Bottas Williams Mercedes 317,9 km/h
6 Nico Rosberg Mercedes Mercedes 317,4 km/h
8 Lewis Hamilton Mercedes Mercedes 316,7 km/h
11 Kimi Räikkönen Ferrari Ferrari 314,3 km/h
12 Sebastian Vettel Ferrari Ferrari 313,9 km/h
14 Daniil Kvyat Red Bull Renault 310,8 km/h
17 Daniel Ricciardo Red Bull Renault 309,6 km/h

"Wir werden sehen, wie sich die anderen Temperaturen auf unsere Performance auswirken werden, etwas kühlere Temperaturen sollten uns helfen", hofft Rob Smedley. Außerdem darf Williams wieder auf gute Starts wie in Silverstone hoffen. Und: Wenn jemand das unmögliche schaffen und auf dem Hungaroring überholen kann, dann Williams. Massa war einmal mehr der schnellste auf der Geraden - acht Stundenkilometer schneller als die Ferraris, zehn schneller als die Red Bulls.

Fazit: Lewis Hamilton wird wohl ein einsames Rennen an der Spitze fahren. Nico Rosberg muss sich richtig strecken, um mit dem Briten mithalten zu können. Für den Deutschen könnte es auch ein einsames Rennen irgendwo zwischen Hamilton und Verfolgern werden. Dahinter wird es aber richtig spannend: Unterschiedliche Strategien könnten auch für Überholmanöver auf der Strecke sorgen. Ferrari und Red Bull liegen dicht beieinander, Williams muss etwas abreißen lassen. Für Williams könnte noch von hinten Gefahr drohen.