Wie hat es Ferrari geschafft, innerhalb eines Winters einen so großen Rückstand aufzuholen?
Gerhard Berger: Ich weiß es wirklich nicht. Es ist in der Tat ein Riesensprung passiert, aber wo der herkommt, weiß ich nicht.

War es zu erwarten, dass Ferrari einen solchen Leistungssprung hinlegt?
Gerhard Berger: Für mich war es sehr überraschend, dass ein so großer Sprung passiert. Ich freue mich sehr. Wie man sieht, kommt sehr viel über die Motorenleistung, aber wie sie das geschafft haben und was sie genau unternommen haben, weiß ich nicht.

Sind die vielen personellen Wechsel in Maranello eine Erklärung?
Gerhard Berger: Das ist ja alles zu kurzfristig. Das kann zwar alles gut sein, aber so ein Motorenprogramm geht über sechs Monate, bis die Früchte zu ernten sind. So gesehen ist es ein Riesensprung.

Welche Rolle spielt Sebastian Vettel?
Gerhard Berger: Sicher eine sehr positive, weil er eine Riesenerfahrung hat. Das ist einer, der das Team motivieren kann und ein harter Arbeiter. Das ist natürlich eine Riesengeschichte.

Hat Vettel Ferrari mehr gebracht oder Ferrari Vettel mehr gebracht?
Gerhard Berger: Beides. Einerseits sieht man, dass die Leistung passt. Dann ist Vettel jemand, der die Leistung immer umsetzt, wenn es drauf ankommt und die Resultate heimbringt - das hat er früher schon bei Red Bull so gemacht. Und umgekehrt ist es natürlich auch super. Denn wenn man Sebastian auf dem Podium sieht… der strahlt wieder, hat eine positive Körpersprache und ist wieder dort, wo er in der guten Zeit bei Red Bull war.

Gerhard Berger war bei Sebastian Vettels erstem Sieg 2008 in Monza als Toro-Rosso-Mitbesitzer hautnah dabei, Foto: Sutton
Gerhard Berger war bei Sebastian Vettels erstem Sieg 2008 in Monza als Toro-Rosso-Mitbesitzer hautnah dabei, Foto: Sutton

Red Bull und das Motorendilemma

Was hat Red Bull durch Vettel verloren?
Gerhard Berger: Sebastian war vier Mal Weltmeister, das ist schon eine starke Nummer. Ich glaube, dass Ricciardo auch eine gute Rolle einnehmen kann, aber Red Bull hat ein anderes Problem. Sie haben einfach keinen Motor, der ihnen hilft, Siege einzufahren.

Was kann Red Bull daran ändern?
Gerhard Berger: Das ist das Dilemma. Es gibt keine Motoren, die Red Bull auf die Siegerstraße bringen können. Renault ist momentan nicht stark genug und ansonsten gibt es nichts.

Kann Red Bull Renault in technischer Hinsicht noch mehr helfen?
Gerhard Berger: Nein. Ich glaube, Renault muss sich selbst helfen.

Was halten Sie von der Ausstiegsdrohung von Red Bull?
Gerhard Berger: Red Bull sind Kämpfer, sie geben nicht beim ersten Gegenwind auf. Andererseits verstehe ich die Frustration, denn wenn es darum gehen würde, Geld zu investieren, um einen siegfähigen Motor zu haben, dann würden sie das machen. Nur es gibt momentan nichts. Man kann nicht davon ausgehen, dass Mercedes Red Bull Motoren geben würde, die sie dann selbst unter Druck bringen. Honda ist dort, wo sie sind, und Ferrari hat dasselbe Problem wie Mercedes. Es gibt momentan keine aufgelegte Lösung für Red Bull.

Wie sehen Sie das Chassis von Red Bull? Manche meinen, sie wären nicht mehr der Branchenführer…
Gerhard Berger: Es läuft immer etwas besser und etwas weniger gut. Man darf nicht vergessen, dass Adrian Newey auch mit der Motivation zu kämpfen hat, wenn er einen Motor hat, der 80 PS weniger leistet. Das hängt alles miteinander zusammen. Der Adrian ist aber nach wie vor der Beste im Geschäft.

Ist es realistisch, dass Renault Toro Rosso übernimmt und in ein Werksteam umwandelt?
Gerhard Berger: Das klingt alles gut und nett, aber man löst mit einem Team kein Problem. Fakt ist, dass der Motor momentan nicht auf einem Top-Stand ist. Dort muss man anfangen.

Wäre Toro Rosso überhaupt willig, sich auf einen solchen Deal einzulassen? Sie kennen das Team ja ganz gut...
Gerhard Berger: Keine Ahnung.

Red Bull hängt momentan in den Seilen, Foto: Sutton
Red Bull hängt momentan in den Seilen, Foto: Sutton

Doppelt so viel Leistung

Das neue Reglement ist mittlerweile seit mehr als einem Jahr in Kraft. Wie gefällt Ihnen die Formel 1 momentan?
Gerhard Berger: Ich finde sie nicht gut genug.

Warum?
Gerhard Berger: Sie ist nicht spektakulär genug.

Woran liegt das? Nur an den Motoren?
Gerhard Berger: Nein, es ist das ganze System, das meiner Meinung nach Überarbeitungsbedarf hat. Aber das ist kein schneller Schuss, sondern muss gründlich von Spezialisten gemacht werden, die sich damit auseinandersetzen müssen.

Welchen Motor würden Sie am liebsten in zwei oder drei Jahren sehen?
Gerhard Berger: Die doppelte Leistung von heute.