Die Hunde in der Heimat, den Siegerpokal im Schrank. Der neue Lewis Hamilton verzückt die Formel 1. Er dominiert sie. In bester Vettel-Tradition eilt der Mercedes-Pilot mit seinem überstarken Silberpfeil von Sieg zu Sieg. In China war es sein dritter in Folge - so etwas war selbst dem 25-fachen Grand-Prix-Sieger und damit zehnterfolgreichstem Fahrer der Geschichte noch nie zuvor gelungen. Beim Zieleinlauf in Shanghai betrug sein Vorsprung auf Teamkollege Nico Rosberg fast 20 Sekunden. Eine deutliche Titelansage.

Schnell war Hamilton seit seinem Debüt in der Formel 1 im Jahr 2007 - doch nicht selten mangelte es dem 29-Jährigen an Konstanz und der nötigen Abgeklärtheit. Diese Zeiten scheinen seit seinem Wechsel zu Mercedes der Vergangenheit anzugehören. Fehler unterlaufen dem Briten fast kaum noch, stattdessen dreht er vom 1. Training an äußerst kontrolliert seine Runden. Die Zeiten, in denen er die Reifen nach drei schnellen Runden verheizt hatte? Vorbei und vergessen.

Momentan die Nummer 1: Triple-Sieger Lewis Hamilton, Foto: Sutton
Momentan die Nummer 1: Triple-Sieger Lewis Hamilton, Foto: Sutton

Fokus statt Skandälchen

"Es war relativ klar, dass er ein Riesentalent besitzt", sagte Niki Lauda nach Hamiltons Triumph in Shanghai. Der Lauda, der hauptverantwortlich dafür war, den Weltmeister von 2008 zu Mercedes zu locken und dabei selbst Geheimtreffen in Hotelzimmern auf sich nahm. "Lewis hat alles, was er braucht. Das einzige Problem in der Vergangenheit war, dass er vernachlässigt hat, voll fokussiert zu sein."

Pussycat Doll, ein Hollywood-Management, Goldketten und jede Menge Tattoos - Hamilton war in den vergangenen Jahren alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Ein gern gesehener Gast in der Klatschpresse. Und jetzt? Hamilton ist zum wahren Musterprofi gereift, für Skandälchen ist kein Platz mehr. "Das hat er selbst so entschieden ohne äußere Einflüsse", versicherte der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Lauda. "Ich habe ihn nur gebeten, sich zu fokussieren, den Rucksack, den man mitträgt, fallen zu lassen und sich zu 120 Prozent zu konzentrieren."

Lewis Hamilton lässt Mercedes erneut jubeln, Foto: Sutton
Lewis Hamilton lässt Mercedes erneut jubeln, Foto: Sutton

In einer eigenen Liga

Hamilton schätzt die Atmosphäre bei Mercedes und er weiß, dass dies auf Gegenseitigkeit beruht. Als der Silberpfeil im vergangenen Jahr nicht immer rund lief, hielt er sich mit Kritik stark zurück. Vertraute stattdessen auf die Stärke des Teams - und vor allem auf die Saison 2014, wie er immer wieder predigte. Die neue Turbo-Ära ist inzwischen angebrochen; und Hamilton holt das Maximum heraus.

"Das Team hat so unglaubliche Arbeit geleistet, dass ich meine Fähigkeiten wirklich voll ausschöpfen kann", bedankte er sich nach dem Sieg-Hattrick für das laut eigener Aussage beste Auto, in dem er jemals gefahren sei. "Ich habe immer an meine Entscheidung geglaubt, als ich hierher kam. Aber ich hätte mir niemals erträumen lassen, dass es so gut sein würde." In Shanghai sei er gar in einer eigenen Liga gefahren, ließ sich Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zu einem seltenen Superlativ hinreißen.

Lewis Hamilton jagt einen Rekord nach dem anderen, Foto: Mercedes AMG
Lewis Hamilton jagt einen Rekord nach dem anderen, Foto: Mercedes AMG

Statement-Siege

Tonangeber Hamilton. Das bekommt auch die Konkurrenz zu spüren, glaubte Hamilton selbst. "Drei Siege sind unglaublich", sagte er. "Ich bin sicher, dass das ein kleines Statement ist." Im US-amerikanischen Basketball wird der Begriff 'Statement-Sieg' häufig für den dominanten Erfolg einer Mannschaft verwendet. Es passt wie die Faust aufs Auge bei Mercedes. "In diesem Racing-Business ist alles psychologisch", so Hamilton. "Es geht um positive Energie, einen psychologischen Kampf mit sich selbst und den Menschen, mit denen du dich misst."

Ob Hamiltons Siegesserie seinem ambitionierten Teamkollegen bereits einen leichten Knacks versetzt hat? Äußerlich bleibt Rosberg cool, doch in ihm brodelt es. Zweite Plätze sind nicht mehr sein Anspruch, es zählen nur noch Siege. Auf die Anmerkung eines Journalisten, dass er ja trotzdem noch die WM anführe, reagierte Rosberg sogar leicht gereizt. "Ich bin nicht immer noch vorne - ich bin vorne. Und ich habe vor, das so beizubehalten", entgegnete der 28-Jährige. "In Barcelona wird es wieder Zeit für einen Sieg."

Hamilton in China: Und nach ihm die Sintflut, Foto: Sutton
Hamilton in China: Und nach ihm die Sintflut, Foto: Sutton

Das Highlander-Prinzip

Hamilton und Rosberg haben erkannt, dass ihre Stunde geschlagen hat. Der Silberpfeil ist so dominant, dass Doppelsiege schon fast zur Pflicht geworden sind. Es gilt, das momentane Kräfteverhältnis optimal zu nutzen - da sind die sieben Punkte Unterschied zwischen Platz eins und zwei schon Gold wert. Doch bei all dem teaminternen Kampf sind beide Seiten sehr darauf bedacht, keinen Ärger heraufzubeschwören. Harmonie als Erfolgsschlüssel.

"Im Team haben wir den Deal, dass wir gegeneinander Rennfahren wollen", so Hamilton. "Ich habe nie danach gefragt oder beansprucht, die Nummer 1 zu sein. Ich lasse einfach die Resultate für mich sprechen." Mercedes' momentan einziges Problem und damit größtes Sprengstoffpotenzial: Am Ende kann es nur eine Nummer 1 geben.