"Ja, Mercedes scheint einen Vorsprung zu haben. Sie scheinen eine Sekunde vorne zu liegen. Aber ihr braucht jetzt nicht mit der Schlagzeile zu kommen 'Ferrari liegt eine Sekunde zurück'." Fernando Alonso ist in Australien der Frust deutlich ins Gesicht geschrieben. Der siegeshungrige Spanier sieht in seinem fünften Ferrari-Jahr erneut seine Felle davonschwimmen.

Eine Sekunde Rückstand auf Mercedes hin oder her - Fakt ist, dass Ferrari mal wieder zu Saisonbeginn hinterherhinkt. Mal wieder sind die Roten nicht die Gejagten, sondern die Jäger. Nach vier Jahren Red-Bull-Dominanz scheint diese Saison eine neue, silberne Ära anzubrechen. Und Ferrari? Der italienische Traditionsrennstall sieht wortwörtlich Rot, allen voran Teamchef Stefano Domenicali. Der Druck, der auf seinen Schultern lastet, war ihm schon beim Auftakt in Australien deutlich anzusehen.

Aus dem Traum-Trio wurde ein kurzer Alptraum, Foto: Ferrari
Aus dem Traum-Trio wurde ein kurzer Alptraum, Foto: Ferrari

Noch am Sonntagabend war er nach den Plätzen vier und sieben von Alonso und Kimi Räikkönen bemüht, Ferraris aktuellen Performance-Nachteil gegenüber den wartenden Journalisten zu erklären. Vergeblich. Seine gebückte Haltung ließ ihn auf dem schwarzen Stuhl wie einen kleinen, verängstigten Schuljungen vor dem Büro des Direktors wirken. Domenicali wusste, welche Stunde für ihn geschlagen hat.

Erst recht, nachdem sich bei den folgenden Rennen in Malaysia und Bahrain keine Besserung einstellte. Im Gegenteil: Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo verließ die Rennstrecke in der Wüste vor Rennende, um sich die Schmach seiner roten Autos nicht weiter ansehen zu müssen. Williams, Force India und Toro Rosso fuhren an den Boliden aus Maranello vorbei, als ob diese nicht mehr als lästige, summende Staubsauger wären.

Ein weiteres Jahr ohne Titelgewinn kann und will Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo nicht dulden, Konsequenzen standen schon nach dem ersten Rennwochenende in Melbourne an die Wände der Ferrari-Box gemalt. "Luca di Montezemolo braucht den Titel", erkannte Allan McNish im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com schon in Sepang die Zeichen der Zeit. "Bei Ferrari braucht jeder den Titel."

Bereits zu Jahresbeginn hatte der Präsident keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass alles außer dem Titelgewinn nicht akzeptabel sei. Drei Rennen später ereilte Domenicali nun das gleiche Schicksal wie vor einigen Monaten Martin Whitmarsh. Der Brite ist in der Winterpause von der McLaren-Bildfläche verschwunden, bis heute warten die Journalisten auf einen Kommentar von ihm zu seinem "Rauswurf". Beide verbindet durchaus Gemeinsamkeiten.

Niederlagen gegen Force India waren für die Scuderia nicht zu ertragen, Foto: Sutton
Niederlagen gegen Force India waren für die Scuderia nicht zu ertragen, Foto: Sutton

Nach den Herrschaftsjahren von Jean Todt und Ron Dennis, die wohl niemals einen Beliebtheitswettbewerb gewinnen werden, sollten Stefano Domenicali und Martin Whitmarsh Ferrari und McLaren einen positiven Imageschub verschaffen und ihre jeweiligen Teams in eine neue, erfolgreiche Ära führen. Doch mit jeweils einem eingefahrenen Titel in ihrer mehrjährigen Teamchefzeit - 2007 Kimi Räikkönen/Ferrari; 2008 Lewis Hamilton/McLaren - sind beide an ihrer Aufgabe gescheitert.

Im Fall von Whitmarsh zog Ron Dennis in der Winterpause die Reißleine. Der McLaren-Oberboss riss die Kontrolle im Team wieder an sich und ersetzte Whitmarsh klangheimlich durch Neo-Sportdirektor Eric Boullier. Gewisse Personen seien in der Vergangenheit verwirrt gewesen und hätten den Fokus verloren, begründete Dennis seine Entscheidung, ohne Martin Whitmarsh beim Namen zu nennen.

Domenicali durfte sich hingegen nach seinem angeblich freiwilligen Rücktritt in einer Pressemitteilung äußern und verabschieden. In seinen letzten Worten als Ferrari-Teamchef übernimmt er die Verantwortung und dankt seinem Präsidenten für die Unterstützung. Vielleicht war der wortlose Abgang von Whitmarsh dann doch der ehrlichere...