Eine lange, wenn auch gesplittete, Nase hatte Lotus schon. Am Freitag kamen in Melbourne die längsten Gesichter des Fahrerlagers hinzu. Das 1. Training: ein Desaster. Das 2. Training: kaum weniger desaströs. Nur 14 Runden gelangen in drei Stunden Trainingszeit. Das sind magere 74,242 km. Bei einem Demorun wären mehr erlaubt gewesen.

Romain Grosjean und Pastor Maldonado versuchten, gute Miene zum bösen Spiel zu machen - das gelang jedoch nicht. Der tiefe Frust war beiden Fahrern in ihren Gesichtern anzusehen. In ihren Stimmen schwang stets die Enttäuschung mit. Von sprudelnder Begeisterung war selbst in Ansätzen weit und breit nichts zu spüren. Der in Bahrain geäußerte Wunschtraum, das beste Renault-Team zu werden, klingt heute wie Spott und Hohn.

Teurer Testrückstand behindert Lotus

Die Mechaniker arbeiten ohne Pausen, Foto: Sutton
Die Mechaniker arbeiten ohne Pausen, Foto: Sutton

Lotus hechelt gleich zwei Rückständen hinterher - jenem von Motorenpartner Renault sowie dem eigenen. Anders als die Konkurrenten verpasste die Truppe aus Enstone den ersten Wintertest in Jerez. Damals sagte der scheidende CEO Patrick Louis zu Motorsport-Magazin.com: "Der erste Test ist eigentlich rein für die Mechaniker da, um ihre Sachen und die Mechanik des Fahrzeugs zu überprüfen. Mehr passiert da eigentlich nicht."

Sehr viel mehr scheint bei Lotus bis heute nicht passiert zu sein. "Wenn wir den heutigen Tag von der positiven Seite betrachten, können wir sagen, dass wir immerhin ein paar Probestarts absolviert haben", übte sich Grosjean in Galgenhumor. Sein Tag wurde unter anderem von einem Flüssigkeitsleck im Getriebe und einer gebrochenen Hinterradaufhängung ruiniert.

"Wir zahlen den Preis für die wenigen Testkilometer im Winter", sagt der zerknirscht wirkende Grosjean. "Es gibt 1.000 Dinge, die wir am Auto testen müssten. Es geht aber nur sehr langsam vorwärts und braucht alles seine Zeit." Zeit ist jedoch ein Luxus, den sich kein Formel-1-Rennstall leisten kann. Schon gar nicht in Zeiten eines kompletten Reglementumbruchs wie in dieser Saison.

Zweckoptimismus bei Maldonado

Pastor Maldonado scheint vom Regen in die sprichwörtliche Traufe gekommen zu sein. War er im Winter noch froh, seinen Geldkoffer von Grove nach Enstone tragen zu können, würde er jetzt sicher nur allzu gerne im Mercedes befeuerten Williams sitzen.

"Man muss immer optimistisch bleiben", versucht sich Maldonado selbst Mut zuzureden. Seine alles andere als überzeugende Tonlage zeigt allerdings: es bleibt bei dem Versuch. Der Venezolaner verkauft den Glauben, dass der E22 an sich eigentlich ein gutes Auto sei. "Wir werden alle Probleme beheben und wenn uns das gelingt, werden wir mitkämpfen können", so Maldonado. "Wenn wir keine Probleme mit dem Motor und den komplexen Systemen haben, befinden wir uns in einer guten Position. Das Auto sollte konkurrenzfähig sein."

Grosjean teilt den gespielten Optimismus seines Teamkollegen nicht. Er sieht noch zu viele Unbekannte, gerade mit Blick auf das Rennen. "Das Auto war schwierig zu fahren", verrät Grosjean. "Es ist noch nicht da, wo wir es gerne hätten. Wir sind nie mehr als zehn Runden am Stück gefahren." Somit wisse man gar nicht, wie sich die Bremsen mit vollen Tanks verhalten werden und wie sich das Auto nach vielen Runden anfühlen wird.

Hoffnungsschimmer dank Renault

Zwei Ründchen - mehr war für Maldonado am Freitag nicht möglich, Foto: Sutton
Zwei Ründchen - mehr war für Maldonado am Freitag nicht möglich, Foto: Sutton

Die Fortschritte bei Motorenpartner Renault sind unübersehbar - vor allem allerdings bei den anderen Renault-Kundenteams wie Red Bull. Dennoch betonen sowohl Maldonado als auch Grosjean die großen Verbesserungen, die den Franzosen innerhalb kürzester Zeit seit dem letzten Test gelungen sind. "Die Fahrbarkeit ist viel besser, aber es passieren manchmal noch ein paar seltsame Dinge", räumt Grosjean ein.

Insgesamt habe Renault aber seine Hausaufgaben gemacht. "Jetzt scheint der Motor viel besser zu sein und sogar noch mehr Power zu haben", verrät Maldonado, der im 1. Training ein Elektronikproblem hatte und im zweiten Training wegen eines defekten Kabelbaums aussetzen musste.

Die Kabelbäume sind in den neuen Autos laut Technikdirektor Nick Chester so komplex, dass es nicht einfach möglich war, das Problem schneller zu beheben. "Es ist ein großer Teufelskreis", sagt Grosjean frustriert. "Alles dauert Ewigkeiten." Dabei denkt der Schweizer mit französischer Rennlizenz aber nicht nur an sich selbst. Gerade für die Mechaniker bedeutet diese Situation eine riesige Arbeitsbelastung. "Sie haben derzeit wirklich ein hartes Leben." Geteiltes Leid ist eben manchmal doch kein halbes Leid.