Rund 310 Kilometer mit genau 100 Kilogramm Benzin - so lautet die große Aufgabe für das Jahr 2014. War die Benzinmenge in der vergangenen Saison noch den Teams überlassen, regelt Artikel 29.5 des Sportlichen Reglements nun, dass kein Fahrer mehr als besagte 100 Kilogramm für die Renndistanz benötigen darf. 100 Kilogramm, das sind rund 130 Liter. 2013 wurden noch zirka 200 Liter verbrannt, die Einsparung beträgt also rund 30 Prozent. Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch sinkt von etwa 65 auf 43 Liter pro 100 Kilometer.

Das Benzin-leer-Taxi wird es wohl nicht geben müssen, Foto: Sutton
Das Benzin-leer-Taxi wird es wohl nicht geben müssen, Foto: Sutton

Doch das neue Reglement wirft auch Fragen auf: Beinhalten die 100 Kilogramm auch die Aufwärmrunde? Was ist mit der Fahrt in die Startaufstellung? Wer kontrolliert die Einhaltung des Limits und vor allem wie? Was passiert, wenn 100 Kilogramm verbraucht wurden, das Rennen aber noch nicht zu Ende ist? Motorsport-Magazin.com hat sich im Fahrerlager umgehört und das Reglement noch einmal genau durchgelesen.

Zunächst wichtig: Die Tanks sind zwar deutlich geschrumpft, fassen jedoch weiterhin mehr als 100 Kilogramm Benzin. Denn das Verbrauchslimit bezieht sich ausschließlich auf das Rennen selbst. Also vom Erlöschen der fünf roten Lichter der Startampel bis zum Überqueren der Ziellinie. Dazu genügt es nicht, dass der Rennsieger die karierte Flagge gesehen hat. Der entsprechende Pilot muss selbst abgewinkt werden. Der Weg in die Startaufstellung, die Aufwärmrunde, sowie die Ehrenrunde zählen nicht mehr zum Limit. Außerdem muss nach dem Rennen weiterhin eine Kontrollmenge von einem Liter im Tank verbleiben.

Dass selbst der Weg in die Startaufstellung aufgeschlagen wird, hat einen einfachen Grund: In der Startaufstellung dürfen die Fahrzeuge nicht mehr betankt werden. Das darf aus Sicherheitsgründen weiterhin nur in der Garage gemacht werden. Dass die Tanks also trotzdem mehr als 100 Kilogramm Treibstoff fassen, führt dazu, dass die Autos selbst bei Überschreiten des Limits nicht einfach stehen bleiben.

Doch was passiert, wenn für die Renndistanz mehr als 100 Kilogramm Sprit benötigt werden? Im Normalfall wird der Fahrer von der Wertung ausgeschlossen. Doch dazu wird es nicht kommen, wie Paddy Lowe auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com erklärte: "Eigentlich ist es wie letztes Jahr. Es geht nur um das Spritmanagement." Heißt: Der Benzinverbrauch wird - wie auch in der Vergangenheit - während des Rennens genauestens betrachtet und entsprechend reagiert.

So stellte Mercedes beispielsweise 2013 in Malaysia fest, dass man sich bei Hamiltons Spritmenge verkalkuliert hatte. Der Brite musste im letzten Renndrittel extrem spritsparend fahren, um nicht stehen zu bleiben. 2014 könnte ein ähnliches Szenario geschehen, um nicht mehr als 100 Kilogramm zu verbrauchen. Der einzige Unterschied: Zuvor bestimmte das Team die Startspritmenge für jedes Rennen einzeln, jetzt sind es auf jeder Strecke besagte 100 Kilogramm.

Höhere Gewalt? Hier sagten die Stewards nein, Foto: Red Bull
Höhere Gewalt? Hier sagten die Stewards nein, Foto: Red Bull

Doch selbst für den Fall, dass mehr Sprit als erlaubt verbrannt wird - eine Disqualifikation muss nicht immer die Folge sein. Denn es liegt im Ermessensspielraum der Stewards, ob die Überschreitung auf 'Höhere Gewalt' zurückgeführt werden kann. Was das sein könnte, lässt das Reglement komplett offen. Ein ähnlicher Passus wurde erst im vergangenen Jahr aus dem Reglement gestrichen. Damals ging es um die Kontrollmenge, die im Tank verbleiben muss. Der Fahrer musste in den Trainingssitzungen aus eigener Kraft zurück an die Box kommen, außer 'Höhere Gewalt' war für das Stehenbleiben verantwortlich. Nach mehreren diskutablen Entscheidungen wurde dieser Artikel präzisiert. Eine Anpassung beim Maximalverbrauch ist deshalb denkbar.

Wie wird die Einhaltung überwacht?

So sieht das Fuel-Flow-Meter aus, Foto: Gill Sensors
So sieht das Fuel-Flow-Meter aus, Foto: Gill Sensors

Um die Überwachung des Limits einheitlich zu gestalten, führte die FIA ein Einheitsbauteil ein. Das sogenannte FIA-Fuel-Flow-Meter überwacht neben der Durchflussrate - ab 2014 ebenfalls beschränkt - auch den Gesamtverbrauch. Die Teams haben das gesamte Rennen über Zugriff auf die Daten des Fuel-Flow-Meters. Zusätzlich können die Daten auch mit der injizierten Menge an Sprit in den einzelnen Zylindern abgeglichen werden. Ausschlaggebenden sind aber nur die Werte, die das Fuel-Flow-Meter misst.

Ein Fragezeichen steht auch noch hinter der Taktik. In der Theorie ist die schnellste Strategie mit konstanter Geschwindigkeit das gesamte Rennen zu fahren. "Aber man muss sich auch nach der Konkurrenz und der Strecke richten", schränkte Toro Rosso Teamchef Franz Tost gegenüber Motorsport-Magazin.com ein. "Wo kann ich überholen - kann ich überhaupt überholen? Es nützt mir nichts, wenn ich in Monaco zu Beginn schön konstant in Anführungsstrichen langsam fahre und am Ende habe ich dann vielleicht noch 10 kg Sprit im Tank aber kann nicht überholen. Das heißt also, es spielen mehrere Komponenten eine wichtige Rolle."

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Die Formel 1 soll mit dem knapp kalkulierten Spritlimit einen grünen Anstrich erhalten. Für Kenner sind diese Werte durchaus imposant, doch in Sachen Effizienz waren auch die alten Aggregate keine Verschwender. Für den Otto-normal-Zuseher klingt der Verbrauch aber noch immer utopisch. Problematischer aber könnte die Umsetzung werden: Sind alle FIA-Flow-Meter so identisch, dass keiner einen Nachteil hat? Wird es nach den Rennen Diskussionen geben? Was ist 'Höhere Gewalt'? Welche Live-Informationen erhält der Zuschauer am TV? Richtig gemacht, kommt ein weiteres Spannungselement hinzu. Doch das Fehler- und Diskussionspotential ist enorm.