Da Sergio Perez am ersten Testtag die Aufgabe zufiel, den VJM07 - soweit möglich - um die Strecke zu bugsieren, übte sich Nico Hülkenberg als Beobachter der Szenerie. "Man sieht heute, wie schwer es für viele Teams ist, die Autos überhaupt aus der Garage zu rollen", meinte er. "Den Leuten ist nicht klar, wie komplex das alles ist mit dem neuen Power Unit, wie schwierig das für die Ingenieure zu verpacken ist."

"Im Moment reden wir nur über das Auto ans Laufen kriegen und noch nicht mal über Performance", gab er zu bedenken. In den ersten Tagen gebe es viel zu lernen und zu bewältigen. Wenn danach alles mehr oder weniger in den üblichen Bahnen verlaufe, müsse man sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Das Ganze sei für die Formel 1 aber definitiv "untypisch". "Eigentlich kann man alles berechnen, jeder weiß, was passiert, man weiß, was man tut. Es ist schon ein bisschen eine neue Situation, das gab's in der Form wohl noch nie", stellte Hülkenberg fest.

Als größte "Baustelle" nannte der Force-India-Pilot auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com die Software in Zusammenspiel mit ERS, sowie die Elektronik. "Das hängt irgendwo alles zusammen. Es gibt einen Memory-Effekt - wenn es eine Stelle betrifft, betrifft es auch eine andere Sache. Da müssen wir jetzt alles in die Reihe bekommen. In dem Stadium befinden wir uns jetzt", erläuterte er. Als Fahrer könne man in dieser Situation selbst im Auto nichts tun, man sei nur "Passagier".

Hülkenberg geht jedoch von einer steilen Lernkurve bei den Teams aus. Bis zum zweiten Test in Bahrain sei genug Zeit, um einige Dinge zu verstehen und zu lösen. "Wenn wir nach Bahrain kommen, ist hoffentlich soweit alles geordnet, damit wir mit der normalen Wintervorbereitung beginnen können: Setup-Arbeit, Longruns, Reifentests und so weiter", sagte er.

Dass es sinnvoll gewesen wäre, die ersten Testfahrten weiter nach hinten zu schieben, um den Teams mehr Zeit zum Entwickeln zu geben, glaubte Hülkenberg nicht. "Ein paar Tage später hätten keinen Unterschied gemacht", stellte er auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com klar. "Man hat den Test auch vorgeholt, um den Teams Zeit zu geben, nochmal zu reagieren zwischen hier und Bahrain, damit man Zeit hat, etwas auszusortieren und anzupassen."

Nicht nur für das Team, sondern auch für den Fahrer gibt es laut Hülkenberg viel zu lernen. Allein am Lenkrad gibt es mit ERS nun neue Spielmöglichkeiten. Auch an sich werde das Fahren wohl anders sein. "Ohne gefahren zu sein, kann man das nicht 100-prozentig sagen. Aber schon letztes Jahr war es so, dass man die Reifen managen musste und nicht immer voll fahren konnte. Jetzt kommt das mit dem Sprit noch dazu. Es wird sich schon verändern", erläuterte er. "Als Rennfahrer liegt es in unserer Natur, immer volles Hörnchen, alles was geht, zu fahren. Jetzt sind die Regeln, wie sie sind, und wir müssen uns eben daran anpassen."

Für die Zuschauer werde die Formel 1 mit dem neuen Reglement wohl etwas schwerer vorstellbar, etwa was es mit der neuen Power Unit auf sich hat. Die neuerdings begrenzte Benzinmenge dagegen hält er für leicht verständlich. "Man wird Funksprüche hören, in denen es heißt: Der hat nicht mehr genug, der muss sparen. Da ist es klar, dass er langsamer ist und leichter überholt wird", meinte er.

Was für die Zuschauer möglicherweise ebenso enttäuschend wird wie für Hülkenberg ist der Sound der neuen V6-Motoren. "Es klingt wie ein DTM Auto! Mich zumindest erinnert es an die DTM", meinte Hülkenberg. "Es ist nicht der gleiche Klang wie bei einem V8, es ist viel leiser. Vielleicht verändert sich ja noch etwas, aber ich bin mir nicht sicher. Es ist eben nicht der alte, schreiende, hochdrehende V8."

Ein weiteres Streitthema sind die durch das neue Reglement bedingten Nasen, die Ähnlichkeiten mit allerlei Tieren aufweisen. "Es ist interessant, die verschiedenen Herangehensweisen und Designs zu sehen", so Hülkenberg. "Aus ästhetischer Sicht sind es nicht die schönsten Autos."