Die Zukunft der Formel E steht fest: Die Verantwortlichen der Elektro-WM präsentierten am Donnerstagabend im Vorfeld des Monaco ePrix an diesem Wochenende (27. April 2024) erstmals das brandneue Gen3-Evo-Auto der Weltöffentlichkeit. Der neuentwickelte und leistungsstärkere Rennwagen folgt mit dem Beginn der Saison 2025 auf das aktuelle Gen3-Auto, das nach zwei Jahren im Einsatz ausgedient hat.

Der Formel-E-Bolide soll bis zu 200 Meilen pro Stunde (rund 322 km/h) schnell sein und damit eine Performance-Steigerung von circa zwei Prozent zum aktuellen Gen3-Fahrzeug darstellen. Auf einer Strecke wie in Monaco erhoffen sich die Formel-E-Bosse davon ungefähr zwei Sekunden schnellere Rundenzeiten. Durch die Rekuperierungskapazitäten der Bremse von 600 Kilowatt sollen die Fahrer fast 50 Prozent der im Rennen benötigten Energie währenddessen rekuperieren.

Formel E: Neues Gen3-Evo-Auto auf der Strecke (00:34 Min.)

Mit Allradantrieb schnellere Beschleunigung als Formel 1?

Auch bei der Beschleunigung soll das Gen3-Evo-Auto im Vergleich zu seinem Vorgänger noch einmal eine Schippe drauflegen. Der Bolide soll in 1,86 Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen können. Laut der Pressemitteilung der Formel E soll dies sogar etwa 30 Prozent schneller als die Beschleunigung der Formel-1-Autos sein und 36 Prozent schneller als das aktuelle Gen3-Auto. Die Elektro-Serie betitelt die neuen Fahrzeuge deshalb als den am schnellsten beschleunigenden FIA-Einsitzer.

Eine nicht unbedeutende Rolle bei der schnelleren Beschleunigung dürfte der neue Allradantrieb im Gen3-Evo-Auto spielen. Die Formel E hatte schon bei den Gen3-Boliden erstmals einen zweiten Elektro-Motor an der Vorderachse eingeführt, der bisher jedoch lediglich zur Rückgewinnung von Energie genutzt werden durfte. Bei der Gen3-Evo-Generation wird der Frontmotor erstmals auch zur Beschleunigung zum Einsatz kommen. Dies wird sich jedoch auf einzelne Zeitpunkte am Wochenende beschränken. Konkret genutzt werden dürfen die neuen Fähigkeiten nur im Qualifying während der Duellphase sowie beim Rennstart und während des Attack Modes.

Das neue Gen3-Evo-Auto für die Formel-E-Saison 2025.
Das Gen3-Evo-Auto debütiert in der Saison 2025., Foto: Formel E

Neuer Hankook-Reifen für mehr Grip

Optisch macht das Gen3-Evo-Auto mit kleineren, aber markanten Änderungen auf sich aufmerksam. Die größten Veränderungen sind im Bereich des Chassis' sichtbar. Die neuen Formel-E-Autos kommen nun nicht mehr im 'Dreieck-Look' daher. Stattdessen wölben sich die Seitenkästen mehr zur Nase nach vorne. Auch die Frontflügelendplatten gehen nicht mehr in gerader Linie quer nach oben und ragen über die obere Strebe hinaus, sondern sind ebenfalls nach oben hin gewölbt. Die Formel E bleibt bei offenen Radhäusern, verzichtet aber nach wie vor auf einen echten Heckflügel.

Insgesamt sollen die Änderungen die Autos robuster und aerodynamischer machen. Besonders bei Kontakt zwischen Fahrzeugen auf der Strecke sollen die Teile nicht mehr so einfach beschädigt werden wie im Moment und somit wieder mehr in Richtung der Gen2-Boliden gehen. Diese ließen aufgrund ihrer Bauart sogar derart starke Kontakte zu, dass die Rennen oftmals als Auto-Scooter-Veranstaltungen verunglimpft wurden.

Ebenso abstinent wie ein Heckflügel sind weiterhin Slick-Reifen. Dennoch erhält auch der Allwetterreifen ein Update: Er soll nun 5-10 Prozent mehr Grip für die Fahrer bieten. Die Einheitsreifen kommen nach wie vor vom südkoreanischen Hersteller Hankook, der ab 2027 von Bridgestone als Exklusivausstatter der Formel E abgelöst wird. Hergestellt werden sollen die Pneus aus 35 Prozent recyceltem und nachhaltigem Material, was nach Formel-E-Angaben einen Anstieg von neun Prozent zu den aktuellen Reifenmischungen darstellen soll.

Formel-E-CEO: Neues Auto könnte eigene Fahrzeuggeneration sein

"Die Gen3-Evo ist Vorbote für ein bahnbrechendes Kapitel in der Evolution der Formel E, indem sie unsere Hingabe gegenüber nachhaltig erreichter Innovation und High-Performance verkörpert", wird Formel-E-CEO Jeff Dodds in der Presseaussendung der Elektro-Rennserie zitiert. Dodds vergleicht den Schritt zwischen Gen3 und Gen3-Evo gar mit den Performance-Sprüngen von Gen1 zu Gen2, beziehungsweise Gen2 zu Gen3. "Wenn ich auf die Gen3-Evo schaue, könnte sie auch selbst einen gesamten Generationen-Schritt darstellen", sagte Dodds am Mittwoch in einer Online-Medienrunde, an der auch Motorsport-Magazin.com teilnahm.

Auch FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem zeigte sich in der Pressemitteilung von dem neuen Auto begeistert: "Die FIA und die Formel E haben im Entwicklungsprozess des Gen3-Evo-Rennautos hart gearbeitet, was einen weiteren signifikanten Sprung nach vorne bei der Technologie von elektrischem Rennsport darstellt."

Es ist nicht das erste Mal, dass die Formel E ein Update für die Boliden innerhalb eines vierjährigen Generationen-Zyklus' anpeilt. Schon die Gen2-Autos, die zwischen 2018 und 2022 in der Formel E unterwegs waren, sollten 2021 eine Evo-Version erhalten, die Anfang 2020 bereits präsentiert worden war. Doch die Corona-Pandemie machte einen Strich durch die Rechnung: Zunächst wurde die Einführung auf 2022 verschoben und schließlich komplett verworfen.

Das neue Gen3-Evo-Auto für die Formel-E-Saison 2025.
Kommen mit dem neuen Auto die Schnelllade-Boxenstopps?, Foto: Formel E

Was wird aus den Schnelllade-Boxenstopps?

Das Gen3-Evo-Auto soll die Option für die Einführung von Schnelllade-Boxenstopps besitzen. Bei diesen sollen innerhalb von 30 Sekunden 600 Kilowatt während des Rennens nachgeladen werden können. Die Einführung wurde in den vergangenen zwei Jahren immer wieder verschoben, auch das zuletzt angepeilte Debüt in Misano fiel nach nicht planmäßig verlaufenen Tests ins Wasser.

"Die Technologie hat sich als Erfolg bewiesen", erklärte Dodds dennoch am Mittwoch. "Wir haben sie getestet und sie funktioniert absolut, wir können sie (die Batterie; d. Red.) aufladen. Aber es gibt einige kleinere Herausforderungen nach dem Abschluss des Schnelllade-Boxenstopps, die wir auszumerzen versuchen. Im Moment sind wir nicht zu 100 Prozent sicher, dass wir sie in einem Rennen einsetzen können und es kein Problem geben wird."

Deshalb ging Dodds tendenziell von einer Einführung 2025 aus, obwohl er zugleich die Tür für ein Debüt noch im Jahr 2024 offen hielt. Im spanischen Valencia soll vor einer Entscheidung später im Jahr zunächst ein weiterer, umfangreicher Test erfolgen. "Und wenn es alles brillant funktioniert, dann können wir es in Saison 11 mit dem Gen3-Evo-Auto einführen", so Dodds.

Lola und Yamaha steigen 2025 in die Formel E ein
Lola-Yamaha steigt 2025 als siebter Hersteller in die Formel E ein, Foto: FIA Formula E

Formel E in Gen 3.5 mit sieben Herstellern

Für die in der Formel E involvierten Hersteller bedeuten die neuen Autos die Chance auf einen größeren Sprung im Kräfteverhältnis, da die Boliden 2025 neu homologiert werden. Zuletzt war dies zu Beginn der Gen3-Ära 2023 der Fall, während die Fahrzeuge 2024 technisch unverändert blieben.

Doch nicht nur die Autos werden 2025 neu sein. Mit Lola-Yamaha gesellt sich ein neuer Hersteller zu den bereits etablierten Namen Porsche, Jaguar, Nissan, DS, Mahindra sowie ERT, ehemals NIO. Die neue Lola-Yamaha-Allianz wird in der kommenden Saison mit Abt Sportsline zusammenspannen. Die Äbte hatten schon vor Saisonbeginn 2023 die Trennung vom bisherigen Antriebs-Partner Mahindra bekanntgegeben.

Währenddessen wirft auch die Gen4-Ära ab 2027 bereits ihre Schatten voraus. Während technisch der Fokus zunächst den neuen Gen3-Evo-Autos gilt, müssen die aktuellen und potenzielle neue Hersteller eine Entscheidung über ihre Zukunft in der Formel E treffen. Bis Ende 2024 bleibt zur Registrierung Zeit. Bisher bekannte sich lediglich Nissan zum Gen4-Verbleib. "Ich wäre vielleicht enttäuscht, wenn wir es durch dieses Wochenende ohne eine weitere Bekanntgabe schaffen", schürte Dodds auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com zumindest Hoffnungen, dass weitere Hersteller zeitnah folgen könnten.