Das WMSC hat gleich mehrere Regeländerungen beschlossen. Unter anderem, dass beim Saisonfinale doppelte Punkte vergeben werden - das sorgte bei vielen Fans für Diskussionen. Wie stehen Sie zu der Idee?
Norbert Haug: Ich halte nichts von dieser Idee und hoffe im Sinne des Sports und seiner Interessierten, dass sie revidiert wird. Wenn beim Fußball vorgeschlagen würde, beim letzten Spiel der Saison für ein Tor zwei zu geben hielte man das für einen mäßig gelungenen Aprilscherz.

Ändert sich in Ihren Augen durch die permanenten Startnummern etwas?
Norbert Haug: Ich fände es gut, wenn die Formel 1 als Königsdisziplin des Motorsports innovative eigene Wege ginge anstatt eine Praxis der NASCAR zu übernehmen. Ich bezweifle auch, dass der beabsichtige Merchandising-Mehrverkauf eintreten wird: Hat ein Fahrer immer dieselbe Startnummer ist auch das Teamcap oder T-Shirt aus dem Vorjahr noch aktuell, jedes Jahr eine andere Startnummer kurbelt dagegen den Verkauf an. Aber im Gegensatz zu der beabsichtigten doppelten Punktvergabe beim Finalrennen kann man mit den permanenten Startnummern leben.

Außerdem soll 2015 die Budgetgrenze kommen. Halten Sie diese Einführung für längst überfällig?
Norbert Haug: Ich habe es stets für überlebensnotwendig gehalten, dass die Kosten deutlich gesenkt werden, in der Formel 1 genauso wie in der DTM. Wer langfristig Motorsport betreiben will, muss diese Zielsetzung nicht nur als Priorität 1 auf seiner Agenda haben, sondern dieses Ziel auch erreichen. Konsequentes Umsetzen der dringend notwendigen Einschränkungen der Ausgaben hat es unter den Teams allerdings nie gegeben. Darunter wird die Formel 1 in der kommenden Saison leider leiden.

Bisher gibt es noch keine konkreten Pläne zum Budget-Cap. Könnten Sie sich vorstellen, wie diese Kostendeckelung aussehen könnte?
Norbert Haug: Das am schwächsten finanzierte Formel-1-Team muss heute nach eigenen Angaben rund 70 Millionen Euro pro Jahr aufbringen, um in den Rennen um Platz 20 zu kämpfen. Die Umsetzung von wirkungsvollen Ausgaben-Limitierungen ist alles andere als eine triviale Aufgabenstellung. Sie muss den Formel-1-Teams allerdings gemeinschaftlich gelingen, soll die Zukunftsperspektive der Rennserie nicht riskiert werden. Und die Formel 1 muss wieder wie früher ein Business-Modell werden. Ein Investor, der weiß, dass er in der Formel 1 die Chance hat aus 50 Millionen 55 Millionen zu machen, steigt gerne ein. Einer, der weiß, dass er aus 50 Millionen mit größter Wahrscheinlichkeit null oder minus 50 Millionen macht, bleibt der Serie allerdings in aller Regel fern.

Norbert Haug kennt auch die Probleme der kleinen Teams, Foto: Sutton
Norbert Haug kennt auch die Probleme der kleinen Teams, Foto: Sutton

2014 steht mit der Einführung der V6-Turbo-Aggregate der große Paradigmenwechsel in der Formel-1-bevor. Teilen Sie die Bedenken, dass die Formel 1 zu langsam und zu leise werden könnte oder freuen Sie sich auf die neue Technologie?
Norbert Haug: Die Formel 1 wird 2014 nicht zu langsam werden und der Sound der Motoren wird anders, aber gut sein. Die Formel 1 erlebt 2014 die größte technische Umstellung ihrer Geschichte und es wird spannend sein zu sehen, wer die Aufgabenstellung am besten löst.

Glauben Sie, dass der Motor - oder genauer die Antriebseinheit - dadurch wieder an Bedeutung gewinnen wird?
Norbert Haug: Motor und Antriebseinheit sind auch heute nicht ohne Bedeutung. Vielmehr liegen die Konkurrenzfabrikate in ihrem Leistungsvolumen am Ende der mittlerweile achtjährigen V8-Ära recht dicht beieinander. Und das wird zu Beginn der neuen Power Unit-Ära womöglich anders sein.

Pirelli sorgte 2013 nicht nur für Reifenschäden sondern auch für Spannung, Foto: Sutton
Pirelli sorgte 2013 nicht nur für Reifenschäden sondern auch für Spannung, Foto: Sutton

Die Reifen waren 2013 das große Thema. Pirelli will 2014 deutlich konservativer angehen. Eine gute Entscheidung?
Norbert Haug: Pirelli hat viel dazu beigetragen, dass viele Rennen sehr spannend waren. Trotzdem haben sie viel Kritik einstecken müssen, was nicht immer gerechtfertigt war. Sollten die Reifen konservativer ausgelegt werden, sind weniger gute Rennen die Folge.

Sebastian Vettel demontierte die Konkurrenz in der zweiten Saisonhälfte. Erwarten Sie in der kommenden Saison ein ähnliches Bild? Red Bull und dann erst einmal lange nichts?
Norbert Haug: Das vorherzusagen, ist nicht möglich. Ich bin sicher, dass Red Bull Racing und Sebastian Vettel wie immer extrem gut vorbereitet in die neue Saison gehen werden. Das gilt aber auch für Mercedes, für Ferrari, McLaren Mercedes und auch andere Teams. Ich rechne 2014 mit sehr starken Silberpfeilen, im fünften Jahr seit Teamübernahme- und Umstrukturierung wird man mit Lewis Hamilton, Nico Rosberg, dem konsequent aufgebauten Technikerteam und dem Management sehr gut aufgestellt sein und kann hoffentlich um beide WM-Titel kämpfen. Red Bull Racing, Sebastian Vettel, Ferrari, Alonso und Räikkönen zu schlagen, wird allerdings kein Spaziergang werden.

Hülkenberg 2013 mit Hammer-Rennen

Nico Hülkenberg blieb der Sprung in ein Top-Team verwehrt und kehrt deshalb zu seinem alten Arbeitgeber zurück. Wie bewerten Sie den Schritt? Hätte er etwas Besseres verdient?
Norbert Haug: Nico war für mich in der zweiten Saisonhälfte neben Sebastian Vettel der beeindruckendste Fahrer. Er wird seinen Weg machen, er hat 2013 Hammer-Rennen abgeliefert und in deren Verlauf gelegentlich Weltmeister im ganzen Rudel hinter sich gehalten.

Weg von der Formel 1, hin zur DTM: Sie verliert im TV an Reichweite, fragwürdige sportliche Entscheidungen sorgen für großes Unverständnis und Mercedes fuhr das Engagement 2013 auf Sparflamme. Können sie einen negativen Trend erkennen?
Norbert Haug: Mercedes fuhr nicht auf Sparflamme, hatte allerdings das Handicap im Qualifying den Prime-Reifen nicht bestens nutzen zu können und im Rennen den Optionsreifen weniger gut als die Konkurrenz - speziell in der zweiten Saisonhälfte. Das AMG Mercedes C-Coupé ist ein extrem gutes Rennauto und ich habe keinerlei Bedenken, dass Gerhard Ungar und seine HWA-Truppe 2014 hundertprozentig konkurrenzfähig sein und um den Titel fahren werden. Die Macher der DTM von DMSB und ITR um Hans Werner Aufrecht sind Profis, ihnen wird wie in der Vergangenheit immer etwas einfallen, um die DTM attraktiv und sportlich wertvoll zu halten.

Norbert Haug hat Vertrauen in Hans Werner Aufrecht, Foto: Markus Heimbach
Norbert Haug hat Vertrauen in Hans Werner Aufrecht, Foto: Markus Heimbach

Die DTM wirkt vom Rennsport her etwas steril, durch DRS und Optionsreifen außerdem künstlich aufgepeppt. Sollte es wieder mehr richtiges Racing geben? Also weniger Flügel, mehr Power und mehr Lackaustausch?
Norbert Haug: Müsste ich das Unwort der Tourenwagenbranche wählen, fiele meine Wahl auf 'Lackaustausch'. Rennsport ist kein Rempel-Sport und ein wahrer Meister seines Fachs wie Bernd Schneider hat mehr Rennsiege in der DTM geholt, als Gegner im Rennen berührt. Ich denke, dass die DTM spätestens 2015 so spannend, spektakulär und gerne gesehen wie eh und je sein wird.

Paul di Resta könnte 2014 wieder in der DTM fahren. Wäre das ein guter Schritt für alle Beteiligten?
Norbert Haug: Ich habe sehr gerne mit Paul gearbeitet und wir unterstützten ihn bei seinem Aufstieg in die Formel 1 nach seinem DTM-Titelgewinn 2010. Ob ein DTM-Comeback von Paul bei Mercedes in der Planung ist, weiß ich nicht.