Traumehe - anders ließ sich die Beziehung zwischen Kimi Räikkönen und Lotus in den ersten anderthalb Jahren der gold-schwarzen Zweisamkeit nicht bezeichnen. Kimi durfte machen, was er wollte - einen Donnerstag schwänzen? Kein Problem! Das Team hatte einen lustigen Tweet parat, der alles halb so schlimm erscheinen ließ

Aber auch Lotus profitierte von der britisch-finnischen Traumhochzeit. Erstens: Sie hatten einen Weltmeister, Spitzenfahrer und konstanten Punktegaranten, ohne den die Erfolge von 2012 und 2013 gar nicht möglich gewesen wären. Und zweitens: Sein Anti-Style, seine coolen Sprüche und seine Unmengen an Fans weltweit machten Lotus zum angesagtesten Team der Formel 1; zu dem, was Red Bull früher - vor den Erfolgen - einmal war. Lotus war dank Kimi cool, in und einfach anders.

Bei aller Liebe für diese Fahrer, aber wer hätte das alte Renault-Team schon beachtet, wären dort ausschließlich Grosjean, Heidfeld oder Valsecchi gefahren? Genau, keine Menschenseele. Der eine oder andere Podestplatz, vielleicht sogar Sieg wären beklatscht und sofort wieder vergessen worden. Sagt da jemand Pastor Maldonado? Eintagsfliegen eben. Kimi brachte Lotus ins Interesse der Fans, Medien, ja der gesamten Formel-1-Welt. Und genau das sorgte nun nach der bereits vollzogenen Bekanntgabe der Scheidung in Indien für den schmutzigen Höhepunkt der Scheidungsschlacht. Die gesamte Fanwelt sah zu und mischte mit.

Kimi Räikkönen fehlte am Donnerstag in Abu Dhabi, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen fehlte am Donnerstag in Abu Dhabi, Foto: Sutton

Mit seiner Entscheidung, das Team zu verlassen und öffentlich zu sagen, dass dieses ihm noch Geld schulde, weil es finanzielle Probleme habe, hat Räikkönen es sich mit Lotus doppelt verscherzt. Seitdem geht es in der gescheiterten Beziehung rapide bergab. Bereits nach der Ferrari-Bekanntgabe saß der Lotus-Stachel tief. Teamchef Eric Boullier betonte in einem vom Team veröffentlichten Interview gefühlt in jedem zweiten Satz, dass Lotus das Team gewesen sei, das Kimi in die Formel 1 zurückgeholt und an seine Fähigkeiten geglaubt habe, und dass Kimi nun dieses Team, das ihm die Chance zum Comeback gegeben habe, verlasse.

Offensichtlicher ging es nicht. Lotus nutzte jede Gelegenheit, um selbst in gutem Licht dazustehen, den Fans zu signalisieren: Wir sind die Guten, wir haben an ihn geglaubt und ihn zurückgeholt! So wollte man noch so viel wie möglich vom Kimi-Hype profitieren - als die schwarz-goldenen Retter in der Not, die ihn vor den Schotterpisten der WRC retteten. Tatsächlich: Lotus machte das Unmögliche möglich und brachte Kimi zurück auf die F1-Weltkarte, denn bei ihnen war er wesentlich besser aufgehoben als bei Williams, die seine zweite Option für ein Comeback gewesen wären.

Doch die ewigen Verzögerungen bei den Gehaltszahlungen und die mangelnde Weiterentwicklung um wirklich ein Titelkandidat zu sein zwangen Kimi zu einem Wechsel aus dem Paradies zurück nach Maranello. Ein konkurrenzfähiges Auto und rechtzeitige Gehaltszahlungen wiegen eben mehr als ein paar Freiheiten bei der PR-Arbeit und ein cooles Team-Image bei Twitter und Facebook.

Seitdem ist bei Lotus nichts mehr wie es einmal war. Wenn Kimi vor einem Jahr in Abu Dhabi im Funk harsche Sprüche abließ, lachte das gesamte Team und nutzte die Gelegenheit, um massenweise T-Shirts zu verkaufen. Ein Jahr später eskaliert die Situation um einen Funkspruch - die Fans laufen Sturm, beschimpfen das Team auf dessen Social Media Plattformen, wo als letzter Ausweg alle Posts rigoros gelöscht werden, und schlagen in Einzelfällen auch viel zu weit über die Stränge und bedrohen Alan Permane und dessen Familie.

Lotus reagiert am Montag danach mit einer umfangreichen Entschuldigung des Teamchefs in Form eines Interviews auf der Teamwebsite. Diese ist jedoch nicht an Räikkönen gerichtet, sondern zielt klar auf dessen Fans ab und soll diese beruhigen. Der Tenor: die Funksprüche hätten weniger hart gesagt werden können - dabei sind harte Worte im Funk nichts unübliches, auch und gerade von Kimi.

Der Iceman wird Lotus fehlen - das steht fest, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Der Iceman wird Lotus fehlen - das steht fest, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Nachdem der Iceman am Donnerstag in Abu Dhabi aus bislang ungeklärten Gründen fehlte und die Spekulationen abermals hochkochten, fuhr Lotus sogar die schweren PR-Geschütze auf - richtig geraten: natürlich in einem PR-Interview auf der Teamwebsite! Diesmal ließ man Teambesitzer Gerard Lopez in knapp 1.000 Wörtern ausschließlich über Kimi reden: Wie viel sie miteinander sprechen, wie gut sie sich verstehen, wieso Kimi der einzige Grund dafür ist, dass Lotus um Platz zwei in der Konstrukteurs-WM kämpft, wie viel Kimi noch erreichen könne und wie sehr ihn das Team vermissen werde... Alles wunderbar aufbereitet mit Fett- und Kursivschrift der Oscar-verdächtigsten PR-Floskeln.

Wie viele dieser Worte wirklich ehrlich gemeint sind, bleibt wie bei jeder Scheidung offen - aus Sicht der Formel-1-PR-Sprache wohl eher nicht so viele. Hoffentlich war die Einsicht der Vater dieses PR-Gedankens. Die Wahrheit ist: Beide Seiten haben von den zwei gemeinsamen Jahren profitiert. Kimi kam mit einem Paukenschlag zurück in die Formel 1, kämpfte zeitweise sogar um den WM-Titel und sicherte sich so ein hochbezahltes Top-Cockpit bei Ferrari. Und Lotus? Sie hatten Siege, Aufmerksamkeit ohne Ende und jede Menge Lacher auf ihrer Seite. Das sollten beide Parteien jetzt nicht mit einer unnötigen Scheidungs-Schlammschlacht zerstören - sonst endet die einstige Traumehe in den nächsten Wochen als Albtraum-Scheidung über die sich bestenfalls ein gewisser Davide Valsecchi freuen dürfte...