Man könnte meinen, die Welt ist schwarz und besteht aus Gummi. Wäre am Donnerstag nicht die Partnerschaft von McLaren und Honda bekanntgegeben worden, wäre Pirellis Plan, die Reifen bis zum Kanada GP zu überarbeiten, wohl bis zum nächstwöchigen Rennen in Monaco das einzige Gesprächsthema der Formel 1 gewesen. Doch auch nach den Meldungen aus Japan reißen die Diskussionen nicht ab, fühlen sich manche Teams doch über den Tisch gezogen, während andere über die Adaptionen alles andere als unglücklich sind.

Einer der Profiteure könnte das zuletzt im Rennen stark schwächelnde Mercedes-Team sein, denn kein anderes Auto fraß die Reifen dermaßen gierig auf, wie der Silberpfeil. "Das ist sehr positiv - und da spreche ich als neutraler Beobachter und nicht als Mercedes-Chairman", sagte Niki Lauda, der die Pneus zuletzt harsch kritisiert hatte. "Denn keiner versteht, wenn wir keinen Kampf Mann gegen Mann mehr sehen. Da ist doch jeder nur mehr mit dem Auto und den Reifen beschäftigt."

Der dreimalige Weltmeister aus Österreich betonte, dass es nicht der Sinn des Rennsports sein könne, dass der Langsamste gewinnt. "Jeder hofft nur, dass er in das Fenster fällt, in dem die Reifen funktionieren. Oft ist es reiner Zufall, wer an einem bestimmten Tag aufgrund der Temperatur schneller fährt", klagte er. "Die Fahrer beklagen sich mit Recht darüber, dass sie nicht mehr Rennfahren können. Aber sie müssen wieder volle Pulle aufs Gas steigen dürfen, um zu zeigen, wer der Schnellste ist - zuletzt hat sich das keiner mehr getraut."

Große Verärgerung bei Lotus

Gänzlich anders stellt sich die Gefühlslage hingegen bei Lotus dar, denn Kimi Räikkönen verstand es zuletzt wie kaum ein anderer, aus dem schwarzen Gold das Maximum herauszuholen und kam daher in Barcelona mit einem Boxenstopp weniger als die Konkurrenz über die Runden. "Es gibt nicht viele Sportarten, in denen solche tiefgreifende Entscheidung inmitten der Saison getroffen werden", meinte Teamchef Eric Boullier verärgert. "Man stelle sich vor: Ein Fußballteam kann nicht so schnell wie der Gegner laufen, weshalb die Größe des Spielfelds in der Halbzeit verändert wird!"

Der Franzose ließ seinem Frust freien Lauf, hegt aber die Hoffnung, dass sich die Änderungen nicht zu extrem auf das Kräfteverhältnis auswirken werden. "Es ist klar, dass Pirelli sich in einer schwierigen Situation und unter Druck verschiedener Parteien befunden hat", gab Boullier zu Protokoll, der die Situation besonders unfair findet, da alle Teams für die Konstruktion ihrer 2013er-Boliden Zugang zu Pirellis Daten hatten.

Verärgert: Eric Boullier, Foto: Sutton
Verärgert: Eric Boullier, Foto: Sutton

"Im letzten Jahr, als wir unser Auto für 2013 entwickelt haben, bekam jedes Team die Informationen von Pirelli und jeder hat den bestmöglichen Job gemacht, um ein Chassis zu entwickeln, das mit der Charakteristik der Reifen am besten umgeht", erklärte er und erinnerte an das Saisonfinale in Brasilien, wo sogar bereits Reifen der nächsten Generation eingesetzt wurden, um die Teams in ihrer Entwicklung zu unterstützen. "Es ist wie in jeder Saison - manche Teams machen einen besseren Job als andere mit ihrem Design und manche Fahrer passen sich besser an die Veränderungen der Autos und Reifen an."

Daher sei es enorm frustrierend, wenn man ein Auto auf der Basis von Daten entwickle, die allen frei zugänglich waren, und dann mitgeteilt bekommt, dass es während der laufenden Saison zu einschneidenden Veränderungen kommt. Trotz der scheinbaren Rückschläge will man bei Lotus aber nicht den Kopf in den Sand stecken, denn immerhin weist Räikkönen lediglich vier Punkte Rückstand auf WM-Leader Sebastian Vettel auf und verfügt daher über beste Titelchancen. "Wir haben ein Team von talentierten Ingenieuren, die nun doppelt so hart wie bisher arbeiten werden, um sicherzustellen, dass wir uns an diese Änderungen anpassen", ließ Boullier sich zu einer Kampfansage hinreißen.