Du sagst relativ offen: Das Auto hat Potenzial, aber wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. Bei den Tests hast du noch optimistischer gewirkt. Hast du es dann wirklich erst beim ersten Rennen gemerkt?
Nico Hülkenberg: Ja, bei den Tests ist es noch ein bisschen so, dass man Äpfel mit Melonen vergleicht. Jeder tappt irgendwie im Dunkeln, weil man nicht weiß, mit welcher Spritmenge die anderen unterwegs sind; und die Spritmenge hat immer noch einen Rieseneffekt auf die Performance eines Formel-1-Wagens. Und da man nie genau weiß, was die anderen machen kann man bei den Tests immer nur 'guessen'. Nach dem ersten direkten Vergleich sieht man dann schon besser, wo man steht.

Ist das nicht auch eine ziemliche Enttäuschung für dich und das Team? Ihr habt doch bestimmt gehofft, dass ihr da anknüpfen könnt, wo ihr letztes Jahr aufgehört habt?
Nico Hülkenberg: Im ersten Moment ist es natürlich eine Enttäuschung. Es darf aber nicht passieren, dass sich die Enttäuschung in negative Energie umwandelt. Ein Formel-1-Jahr ist sehr lang. Das ist jetzt mein drittes aktives Jahr und 2010 und 2012 war es ähnlich: Wir haben mit einem schlechteren Paket angefangen, aber waren am Ende der Saison permanent in den Punkten. Von daher kenne ich die Situation. Alles was zählt, ist, an einen Strang zu ziehen, die Probleme zu identifizieren und zu beheben. Wir sind mittendrin - es läuft ganz gut.

Drei Rennen, zweimal in den Punkten: Guter Saisonstart für Nico Hülkenberg, Foto: Sutton
Drei Rennen, zweimal in den Punkten: Guter Saisonstart für Nico Hülkenberg, Foto: Sutton

Bei dir kommt noch hinzu, dass du das Team gewechselt hast. Die Momentaufnahme in Australien war, dass das alte Team besser beziehungsweise erfolgreicher war, als das, zu dem du gegangen bist. Denkt man darüber nach?
Nico Hülkenberg: Das muss man muss völlig ausblenden. Ich habe eine Entscheidung getroffen - hinter der stehe ich und von der bin ich nach wie vor überzeugt. Meine Gedanken drehen sich im Moment nur darum, wie wir es herumbiegen könen. Das sind ohnehin nur Momentaufnahmen. Es gibt 19 Rennen - an einem Sonntag glänzt ein Team, an einem anderen ist alles schwarz. Das hat man bei Force India in Malaysia gesehen, als es aus anderen Gründen nicht gelaufen ist. Die Formel 1 ist sehr schnelllebig, und ich bin weiterhin überzeugt, dass auch in Melbourne dicke Punkte drin gewesen wären und wir Force India hätten herausfordern können.

In China hast du das Rennen acht Runden lang angeführt. War das eine Bestätigung dafür, dass ihr auf dem richtigen Weg seid?
Nico Hülkenberg: Wir haben natürlich vor allem deshalb geführt, weil wir auf einer anderen Strategie unterwegs waren. Aber ich habe Jenson Button und Sebastian Vettel überholt, dadurch sind wir erst in Führung gegangen. Das war ein sehr angenehmes und positives Gefühl - und es gibt uns ein gewisses Momentum.

War es etwas Besonderes, vor Sebastian Vettel zu fahren? Doktor Helmut Marko meinte, dass die deutschen Fahrer immer sehr motiviert sind, wenn sie vor Sebastian fahren...
Nico Hülkenberg: Das ist Quatsch, ich mache immer meinen Job. Wenn ich Dritter gewesen wäre, wäre ich genauso gefahren - egal, ob Fernando Alonso oder Sebastian Vettel hinter mir ist. Es geht nur um die aktuelle Rennsituation.

In den ersten zwei Stints hast du vorne mitgemischt. Was hast du zu diesem Zeitpunkt gedacht, was möglich ist? Oder rechnet man überhaupt nicht mit?
Nico Hülkenberg: Doch, man rechnet immer mit, man hofft und denkt sich: 'Wow, ich bin in Führung.' Ich war mir aber im Klaren darüber, dass die Option-Runner nicht zu erreichen sind und ich nicht auf Siegeskurs bin. Ich habe gedacht, dass wir eventuell um Platz fünf oder sechs kämpfen können. Felipe Massa war Sechster, beim letzten Stopp sind wir noch mit ihm geraced. Allerdings haben wir da verloren - und danach noch viel mehr. Ich glaube, Platz sieben wäre für uns das ideale Ergebnis gewesen.

Immer wieder die Reifen: Auch Nico Hülkenberg hat mit dem Schwarzen Gold zu kämpfen, Foto: Sutton
Immer wieder die Reifen: Auch Nico Hülkenberg hat mit dem Schwarzen Gold zu kämpfen, Foto: Sutton

War es prinzipiell richtig, den Stint auf den Soft-Reifen vorzuziehen?
Nico Hülkenberg: Wir haben das vorher mit dem Team besprochen und uns alle Optionen offen gelassen. Wir wollten nach den Umständen und der Position auf der Strecke entscheiden. Im Nachhinein wäre es andersherum vielleicht glücklicher gewesen, es war aber nicht kriegsentscheidend.

Und was war auf dem letzten Reifensatz kriegsentscheidend? Die Temperatur?
Nico Hülkenberg: Es waren verschiedene Faktoren. Die Temperatur hat sicherlich auch eine Rolle gespielt. Zehn bis fünfzehn Grad machen bei den Reifen einen riesigen Unterschied. Und die Balance war auch nicht mehr so gut.

Ärgert das dich als Fahrer nicht unheimlich, wenn ein äußerer Faktor wie die Temperatur alles verdirbt?
Nico Hülkenberg: So ist Racing, so waren die Bedingungen, das können wir nicht beeinflussen. Andere haben das besser hingekriegt und ihre Performance gehalten. Darum ist die Formel 1 eben so ein Mysterium, weil so viele Details und äußere Umstände mit hineinspielen.

Wie ist das für einen Fahrer? Merkst du plötzlich, dass du keinen Speed mehr hast?
Nico Hülkenberg: Man merkt es vor allem daran, dass man nicht mehr den Grip hat, den man haben sollte. Und man sieht es, wenn man über die Start-Ziel-Geraden fährt und die Rundenzeit nicht stimmt.

Erste Führungsrunden 2013: In China lag Nico Hülkenberg für acht Runden an der Spitze, Foto: Sutton
Erste Führungsrunden 2013: In China lag Nico Hülkenberg für acht Runden an der Spitze, Foto: Sutton

Und den Frust darüber kannst du wegstecken?
Nico Hülkenberg: Ich war nicht megafrustriert von dem Rennen, ich habe viel Positives mitgenommen: wie es gelaufen ist, wie ich mich bei Sauber einlebe, dass wir wieder einen Schritt nach vorne gemacht und den Grand Prix sogar kurzzeitig angeführt haben. Natürlich wären alle glücklicher, wenn wir Platz sieben eingetütet hätten, aber am Endes des Tages war es nicht so. Das müssen wir jetzt abhaken, daraus lernen und in Bahrain wieder angreifen.

Wie groß ist die Verantwortung als Nummer eins? Ist es eine Belastung für dich, dass sich mit Rookie Esteban Gutierrez zusammen alles auf dich konzentriert?
Nico Hülkenberg: Ich nehme es nicht als Belastung war. Ich mache meine Arbeit wie letztes Jahr mit einem gleich erfahrenen Teamkollegen. Ich muss meine Hausaufgaben genauso erledigen, als wenn ich mit Rubens Barrichello zusammen fahre, der was weiß ich wie viel Erfahrung hat. Die Situation ist für mich nicht anders.

Zum Rennen in Bahrain: Es ist nicht ganz eure Strecke, oder? Bist du trotzdem optimistisch?
Nico Hülkenberg: Man geht immer open-minded in die Rennen und versucht das Beste herauszuholen. Ziel ist es auch hier, um Punkte mitzukämpfen. Von der Charakteristik ist es für uns tatsächlich ein bisschen schwieriger. Wir haben ein paar neue Sachen und müssen sehen, wie die funktionieren, und im Rennen das Maximum aus unserem Paket machen.

Wie gefällt dir die Strecke?
Nico Hülkenberg: Ich habe mich von Anfang an recht wohl gefühlt. Mir macht es Spaß, hier zu fahren.

Auch in Bahrain hat Nico Hülkenberg die Punkteränge im Visier, Foto: Sutton
Auch in Bahrain hat Nico Hülkenberg die Punkteränge im Visier, Foto: Sutton

Du bist bereits am Dienstag angereist. Wie hast du die Zeit verbracht. Warst du die ganze Zeit am Pool?
Nico Hülkenberg: Natürlich nicht permanent, aber ab und zu springt man wegen der Hitze auch rein. Und ich habe mir die Fernsehbilder vom Sonntag angeschaut und das Rennen zusammen mit meinem Ingenieur analysiert. Darüber hinaus habe ich ein bisschen Sport gemacht und versucht, mich zu akklimatisieren - es war auch eine Mall dabei und ein bisschen Sightseeing.

Ferrari hat seinen Fahrern in Bahrain ein Ausgehverbot erteilt. Das war bei euch anscheinend nicht der Fall?
Nico Hülkenberg: Ich habe mich ganz normal bewegt. Es war alles friedlich und ich habe mich nirgends unsicher gefühlt.

Du hast dich im letzten Jahr zur politischen Lage in Bahrain geäußert und gesagt, da macht man sich als Fahrer schon seine Gedanken...
Nico Hülkenberg: Vermutlich lag es daran, dass meine Jungs angegriffen worden sind. Da reagiert man vielleicht ein bisschen emotionaler.

Knackpunkt ist, dass in Bahrain im Vorfeld 200 Leute prophylaktisch verhaftet worden sind, damit sie keine Unruhe stiften. Wie gehst du damit um?
Nico Hülkenberg: Wir sind hier, um Rennen zu fahren. Es wurde entschieden, dass es sicher ist, darum fahren wir - und ich kann hier auch keine Probleme erkennen. Aber das ist ohnehin nicht unser Business.