Man kann ja nach den Testfahrten zumindest von außen wenig sagen - aber wie würdest Du nach 5000 Testkilometern einschätzen, wie das Bild aussieht, ob wir in Jerez und Barcelona schon irgendetwas Realistisches gesehen haben?
Felipe Massa: Ich hoffe schon, dass das etwas Realistisches war. Denn das würde bedeuten, dass wir ein konkurrenzfähiges Auto haben, mit dem wir um Siege und um den WM-Titel mitkämpfen können. Aber wir haben auch schon oft genug gesehen, dass das Gegenteil passiert ist, dass ein Auto, das beim Testen gut war, dann plötzlich nicht mehr so funktioniert hat oder umgekehrt. Aber es bringt nichts, herum zu spekulieren, warten wir die nächsten Tage ab, dann werden wir eine Antwort haben. Was ich sagen kann, ist, dass ich bis jetzt mit dem Auto zufrieden bin, mich darin wohl fühle. Mal sehen, ob diese Zufriedenheit anhält.

Der Albert Park gilt als schwierige Strecke, es gibt hier auch immer zahlreiche Unfälle, Du selbst bist hier in zehn Rennen auch nur dreimal ins Ziel gekommen. Was ist das Problem auf diesem Kurs, wo sind die extrem kritischen Stellen?
Felipe Massa: Ich glaube nicht, dass es einzelne Stellen sind. Es ist einfach so, dass die Strecke insgesamt sehr wenig Grip hat, deshalb ist die Gefahr, einen Fehler zu machen, sehr groß. Das passiert sehr schnell, einem selbst oder jemandem anderen, der einen dann mitreißt. Viele meiner Ausfälle hier waren ja auch nicht meine Schuld. Aber ich werde auf jeden Fall versuchen, diesmal ein gutes Rennen, einen guten Saisonbeginn zu haben, vielleicht mein bestes Resultat hier überhaupt. 2010 war ich ja immerhin schon mal auf dem Podium.

Felipe Massa hat keine Lust bald wegen eines neuen Cockpits telefonieren zu müssen, Foto: Sutton
Felipe Massa hat keine Lust bald wegen eines neuen Cockpits telefonieren zu müssen, Foto: Sutton

Dein Landsmann Emerson Fittipaldi hat einmal gesagt, dass es in einer schlechten Phase seiner Karriere bei ihm mal plötzlich "Klick" gemacht habe, und er dann plötzlich draußen war. Du hast Ende letzten Jahres so etwas ähnliches gesagt, dass das im Laufe der Saison bei Dir passiert ist. Aber wie schwierig ist es, diesen "Klick" zu finden, wenn man gar nicht so genau weiß, was eigentlich die Ursache des Problems war?
Felipe Massa: Wir bewegen uns in einer Welt, in der die kleinsten Details schon einen großen Unterschied ausmachen. Drei Zehntel sind eine gewaltige Differenz. Und wenn man nicht auf allen Gebieten perfekt ist, auch psychisch, dann verliert man diese drei Zehntel sehr schnell. Man denkt immer, dass sich psychologisch bei einem nichts verändert, aber manchmal passiert das doch, auch ohne dass man es merkt. Man muss überall perfekt vorbereitet sein. Und ich glaube, dass es das ist, was letztes Jahr passiert ist. Auf einmal hat es eben "Klick" gemacht, ich habe etwas besser gearbeitet, die Resultate kamen, das hat mir weiter geholfen. Wenn man mal ein wirklich gutes Rennen hatte, dann kommt ein zweites leichter, die Motivation, die Kraft kommt zurück. Das alles hat geholfen, das Blatt zu wenden - und ich hoffe, dass das jetzt für den Rest meiner Karriere so bleibt.

Zum ersten Mal in deiner Formel-1-Karriere vertrittst Du als einziger die Farben Brasiliens. Ist das eine zusätzliche Belastung oder ein zusätzlicher Ansporn?
Felipe Massa: Da mache ich mir eigentlich keine großen Gedanken drüber. Der Druck ist sowieso immer da, einfach, weil man ja grundsätzlich das Bestmögliche erreichen will - schon allein für einen selbst. Es ist nicht so, dass ich beim Fahren daran denke, noch mehr leisten zu wollen, um mehr für mein Land zu erreichen. Ich will immer das Optimale leisten, um das bestmögliche Ergebnis für mich zu erreichen. Am Ende bin ja ich es, der auf das Podium steigt, der dieses tolle Gefühl genießt - der Erfolg für das Land kommt dann automatisch mit. Da ändert es nichts, ob nun einer, zwei oder zehn Fahrer aus einem Land am Start sind - die Verantwortung ist immer groß.

Dieses Jahr gibt es bei 19 Rennen nur noch fünf, bei denen ein oder mehr Fahrer ein Heimrennen haben. Die anderen finden in Ländern statt, die nicht durch einen eigenen Piloten vertreten sind. Hälst Du das für eine gefährliche Entwicklung, durch die die Formel 1 allgemein an Attraktivität verlieren wird, wenn sie vor allem in Ländern ohne Tradition und Bindung an den Sport vertreten ist?
Felipe Massa: Auf der einen Seite schon, logisch, weil in den klassischen Formel-1-Ländern die Leute schon oft Fans von ihren eigenen Fahrern sind, und die jetzt darunter leiden, dass sie kein eigenes Rennen mehr haben. Aber es ist halt auch ein neuer Weg, der Versuch, die Formel 1 in Ländern populär zu machen, wo sie bisher kein bekannter und angesehener Sport war, es in Zukunft aber sein soll.