Der Ferrari-Launch in Maranello gehört zu den Highlights der Vorsaison. Diesmal machte heftiger Schneefall der Scuderia allerdings einen Strich durch die Rechnung. Ein reiner Online-Launch des F2012 war die Folge. Ein Vorbote für weitere Probleme während der Vorbereitung auf die neue Saison? Bei der Präsentation der Roten Göttin war Ferrari zumindest noch guter Dinge. "Das wird eine rote Saison", kündigte Luca di Montezemolo bedeutungsschwanger an. Einen Monat und drei Testfahrten später klang der Ferrari-Präsident ganz anders: "Ich will wissen, warum wir uns in dieser Lage befinden, und noch viel wichtiger ist es mir, dass wir schnell die notwendigen Änderungen herbeiführen."

Während der Tests in Jerez und Barcelona wurden die Piloten natürlich befragt, wen sie in dieser Saison als Titelaspiranten ausmachen. Red Bull? Klar. McLaren? Auch stark. Mercedes? Besser als 2011. Ferrari? "Hinter Ferrari stehen noch viele Fragezeichen", lautete meist die einhellige Antwort. Solange nur die Konkurrenten über Ferraris Stärke rätseln, gibt es in Maranello eigentlich keine Probleme.

Aber: die Scuderia hat den F2012 noch nicht verstanden. Schnell wurden die Ziele dank mäßiger Testleistungen nach unten korrigiert, Fernando Alonso wollte von einem Sieg in Melbourne zum Schluss nichts mehr wissen. "Wir werden zu Beginn leiden", machte er den Ferrari-Fans nur wenig Hoffnung auf eine schnelle Besserung.

Das Team: Panik und Fragezeichen sind zwei Worte, die in diesem Jahr eng mit Ferrari zusammenhängen. Panik angesichts der vielen Fragezeichen, die das neue Auto dem Team aufgibt. Italienische Tageszeitungen stellten bereits plakativ die Frage, welcher der Ferrari-Verantwortlichen wohl zuerst seinen Hut nehmen muss, sollten die geforderten Resultate in den ersten Rennen ausbleiben. Aldo Costa lässt grüßen. Costa-Nachfolger Pat Fry hatte bereits im vergangenen Jahr strukturelle Änderungen in Maranello vorgenommen und ist laut eigener Aussage immer noch dabei, das Team in gewissen Bereichen umzukrempeln. Die Frage, die sich viele Beobachter im Fahrerlager stellen: wie lang gibt ihm Ferrari dafür noch Zeit, bevor sie ihn vor die Tür setzen?

Vor Ferrari liegt noch viel Arbeit, Foto: Sutton
Vor Ferrari liegt noch viel Arbeit, Foto: Sutton

"Ich bin enttäuscht von unserem aktuellen Performance-Level", hatte Fry unlängst Worte angeschlagen, die man sonst nur selten aus Kreisen der selbstbewussten Scuderia hört. Eine Enttäuschung erlebte auch die Presse während der abschließenden Testfahrten in Barcelona, als Ferrari Alonso und Felipe Massa kurzerhand einen Maulkorb verpasste und sämtliche Gespräche mit den anwesenden Journalisten untersagte. Die ungeliebte Folge: die Presse stürzte sich noch mehr auf Ferraris Probleme und machte das Gesprächsverbot zum großen Thema.

Die Fahrer: "Ich glaube immer noch, dass wir um das Podium kämpfen können. Das ist im Moment der einzige Gedanke, den ich habe", sorgte zumindest Massa für gute Stimmung. Er gilt bei Ferrari als kleiner Gewinner der Saisonvorbereitung, denn angesichts der Performance-Probleme rückt die zweifelhafte Zukunft des Brasilianers völlig in den Hintergrund. Vor dem Testauftakt zu Beginn des Jahres war die Causa Massa ein beherrschendes Thema, inzwischen liegt der Fokus vollends auf dem kriselnden F2012. Nur einmal sorgte ein unbekannter Twitter-Nutzer für Wirbel, als er Massas Rauswurf bei Ferrari verkündete.

Wie üblich sprangen viele Leser auf den Zug auf und schnell machte das Gerücht die Runde. Doch Ferrari reagierte prompt und zeigte Bilder Massas während eines Briefings, um seinem Schützling demonstrativ den Rücken zu stärken. Teamkollege Alonso - der im Gegensatz zu Massa ziemlich unnahbar ist und auf dessen Stärke heimliche Hoffnung gesetzt wird - scheint mit der aktuellen Situation zwar unzufrieden, pocht aber auf die lange Saison: "Es kommt nicht darauf an, das erste Rennen zu gewinnen, sondern am Ende der Saison vorne zu sein."

Das Auto: Ferrari hat sein Versprechen wahr gemacht und mit dem F2012 ein wesentlich aggressiveres Design gewählt als noch im vergangenen Jahr. Als erstes fällt die kantige Höckernase auf, die selbst die Ferrari-Oberen als nicht gerade ästhetisch beschreiben. Doch die neue Rote Göttin weist noch andere Besonderheiten auf. Bei der Aufhängung setzt das Ingenieurs-Team 2012 vorne wie hinten auf ein Pull-Rod-System, außerdem wurde der Flatterflügel weiter entwickelt und ein schmaleres Heck-Design konstruiert. Doch viele neue Teile setzen ein umfassendes Verständnis fürs Auto voraus, welches bei Ferrari offenbar noch nicht vorhanden ist.

Wann wird der F2012 schnell?, Foto: Sutton
Wann wird der F2012 schnell?, Foto: Sutton

Zunächst hieß es während der Tests, dass Ferrari bluffen könnte. "So negative Kommentare aus dem eigenen Haus habe ich noch nie gehört. Das ist dramatisch. An einen Bluff glauben jetzt nicht einmal mehr die härtesten Fans", wies Niki Lauda derartige Vermutungen jedoch zurück. In der Tat machte Ferrari kein Geheimnis aus seinen Problemen, wie Fry offen ansprach: "Die Ausrichtung des Auspuffs, die Red Bull hat, scheint offensichtlich die Richtige zu sein und auch wir haben in diese Richtung einen Versuch unternommen. Aber wir haben es nicht richtig hinbekommen und mit den Problemen, die wir hatten, hätten wir uns die ersten vier Saisonrennen herumgeschlagen." Kurz vor dem Saisonauftakt wird vermutet, dass Ferrari einen Umbau des Chassis plant. Vor allem die Seitenkästen sollen ein neues Design erhalten.

Saisonziel: Wie in jedem Jahr - nur der WM-Titel

Abschreiben oder hoffen?

PRO: Wer Ferrari vorzeitig abschreibt, ist eigentlich selbst schuld. Die Scuderia hat am Auto endlich etwas riskiert und sich an gewagte Designs gewagt, bei so einem Paradigmenwechsel sollte es niemanden wundern, wenn die Abstimmung des neuen Pakets etwas dauert. Es sollte keiner vergessen, dass Ferrari im Vorjahr ausgerechnet jenes Rennen gewinnen konnte, bei dem der angeblasene Diffusor am stärksten beschnitten war. Wie man ein schnelles Auto ohne das System baut, weiß die Scuderia also. Und noch eines sollte nicht außer Acht gelassen werden: Fernando Alonso holt aus jedem Auto das Maximum heraus.(Falko Schoklitsch)

CONTRA: Auweia, Ferrari! Luca di Montezemolo muss nach den Wintertests fast schon körperliche Schmerzen haben. Nicht nur beim Anblick der alles andere als ästhetischen Frontpartie seiner roten Göttin, nein, auch der Rest des roten Renners entpuppte sich zwischen Jerez und Barcelona als wenig anschaulich – allen voran in den Zeitenlisten! Natürlich sind Testzeiten mit Vorsicht zu genießen, doch was rund um und aus den Kreisen der Scuderia nach außen drang, machte keineswegs Hoffnungen auf eine Wunderheilung des F2012 wie vor einem Jahr bei McLaren. In dieser Form klappt es auch im dritten Jahr nicht mit dem ersehnten Titelgewinn für Fernando Alonso. Die Aufholjagd hat begonnen, noch vor dem Saisonstart. (Stephan Heublein)