Herr Haug, 2011 ist die längste Formel-1-Saison aller Zeiten. Was wird die größte Herausforderung in der Marathonsaison?
Norbert Haug: Es ist nicht lange her, da umfasste die Formel-1-Saison noch 16 Rennen. Über 20 Prozent mehr sind 2011 eine enorme Steigerung, die alle Teams, ihre Mitarbeiter und ihre Logistik an den Rand des Machbaren bringen wird. Aber 20 Auftritte vor großem Publikum und weltweite TV- und Medienresonanz bringen auch weitaus größeren Widerhall als die 16 Rennen der Vergangenheit. Dazu besucht die Formel 1 wichtige Länder mit enorm wachsenden Märkten - eine positive Entwicklung für den Sport und die an ihm Interessierten also.

Die Formel 1 drängt in neue Märkte. Was erwarten Sie sich von den geplanten Rennen in Indien, Russland und der Rückkehr in die USA? Wie wichtig sind sie für Mercedes?
Norbert Haug: Diese Rennen sind sehr wichtig für Mercedes-Benz, und unsere Ländervertretungen werden diese neuen Grands Prix jeweils für Kundenveranstaltungen und Auto-Präsentationen nutzen. Das hat sich in Australien, Brasilien, China, Malaysia, Japan und Südkorea bestens bewährt und bei den klassischen europäischen Rennen traditionell sowieso.

Mercedes hat schon immer sehr kosteneffizient gearbeitet. Ist das in Zeiten der Ressourcen-Beschränkungen und kleineren Budgets ein zusätzlicher Vorteil?
Norbert Haug: Wir waren und sind Pioniere der effizienten und besonders der kosteneffizienten Formel 1. Unsere Kosten betrugen im letzten Jahr über 65 Prozent weniger als fünf Jahre zuvor. Nur mit den selbstauferlegten Restriktionen hat die Formel 1 eine große Zukunft vor sich, und Mercedes-Benz will diese Zukunft erfolgreich mitgestalten. Für unsere Marke und für die Formel 1 und vor allem deren weltweites Millionenpublikum an den Rennstrecken, vor dem Fernseher, am Radio, auf den Websites oder bei den Zeitungen und Zeitschriften.

Wie schafft man den Balanceakt zwischen möglichst geringen Kosten und der bestmöglichen Performance?
Norbert Haug: Durch gute Ideen, besten Geist in der Mannschaft und wenig Fehler. Wir sind noch nicht am Ziel mit unserer im Konkurrenzvergleich reduzierten Mannschaft und definieren noch nicht die Messlatte zu günstigsten Kosten. Aber das ist unser Ziel, das wir erreichen wollen und nach einer Aufbauzeit auch erreichen werden.

Mit KERS und dem beweglichen Heckflügel gibt es 2011 zwei Überholhilfsmittel. Ist der Überholvorgang dann noch immer eine besondere Kunst?
Norbert Haug: Garantiert. Nichts ist in der Formel 1 im Folgejahr je leichter geworden als im Jahr zuvor. Die Formel 1 wird 2011 eine weitere Verdichtung des Wettbewerbs erleben. Wer um ein Prozent langsamer ist als der Schnellste - so wie wir im letzten Jahr - fährt nicht um Siege sondern nur um Punkte.

Norbert Haug glaubt, dass die Fahrer 2011 mehr gefordert werden denn je, Foto: Mercedes-Benz
Norbert Haug glaubt, dass die Fahrer 2011 mehr gefordert werden denn je, Foto: Mercedes-Benz

Die Fahrer müssen mit den Reifen haushalten, auf den Benzinverbrauch achten und viele Knöpfe drücken. Müssen sie wieder mehr Professoren sein? Wie sehr liegt das Nico und Michael?
Norbert Haug: Fahrer müssen Rennwitz besitzen und sich die Distanz einteilen - aber natürlich nicht im Bummeltempo. Auch hier sprechen wir von 99 und von 100 Prozent-Phasen. Die Fahrer werden im neuen Jahr mehr gefordert sein denn je. Nur der gescheiteste mit dem größten Talent im besten Auto, koordiniert von der besten Mannschaft, wird sich durchsetzen können.

Ein Blick in die Zukunft: Ab 2012 gilt ein neues Motorenreglement. Ist die Formel 1 mit 1,6 Liter Vierzylinder-Motoren noch immer die Königsklasse des Motorsports?
Norbert Haug: Absolut. Das wird eine vollkommen neue technische Herausforderung werden. Und 1,5 Liter Turbomotoren mit vier Zylindern haben in der Formel 1 schon vor über 25 Jahren über 1000 PS geleistet. Die neue Motorenformel will den Benzinverbrauch um mindestens 25 Prozent senken und die Kosten um den gleichen Wert.

Hybrid-Systeme sollen ab 2012 noch mehr an Bedeutung gewinnen. Ist das der richtige Weg, um dem Sport zu einem neuen oder besseren Image zu verhelfen?
Norbert Haug: Das Image der Formel 1 war letztes Jahr bestens, mit großartigem Sport, dem jüngsten Weltmeister aller Zeiten - Sebastian Vettel im Red Bull - und der Rückkehr der Mercedes-Silberpfeile und Michael Schumacher. All das hat zu stark gesteigerten TV-Quoten und noch größerem Interesse als bisher geführt. Und zeitgemäße Automobiltechnik, wie sie Mercedes-Benz seit 125 Jahren als Erfinder des Automobils konsequent vorantreibt, wird das Image der Formel 1 weiter anheben.