Die Rallye Deutschland hielt die Fans buchstäblich bis zur letzten Sekunde in Atem: Hinter dem erneut unantastbaren Sébastien Loeb stritten nicht nur die weiteren WM-Protagonisten Marcus Grönholm und Mikko Hirvonen herzhaft um die Podestplätze - beim deutschen WM-Lauf mischte sich auch noch WM-Rückkehrer François Duval sensationell in den Spitzenkampf ein. Und als Tabellenführer Grönholm in der letzten Prüfung den sicher geglaubten zweiten Platz durch einen Highspeed-Ausritt verspielte, war auch dies noch nicht genug Drama - der Weg des waidwunden Ford Focus WRC bis zum offiziellen Ziel, der Porta Nigra in Trier, geriet zur Zitterpartie. Als Triumphator aber wurde vor dem römischen Stadttor zum sechsten Mal in Folge Sébastien Loeb gefeiert; Duval und Hirvonen komplettierten das Poodium.

So abwechslungsreich der zehnte Saisonlauf verlief - ein Mann hatte das Geschehen von Anfang an unter Kontrolle: Sébastien Loeb ließ nie einen Zweifel an seiner Absicht aufkommen, der einzige Sieger des deutschen WM-Laufes zu bleiben. Einziger Lapsus des dreifachen Weltmeisters: Auf der letzten Prüfung der ersten Etappe schnappte sich sein ehemaliger Teamkollege François Duval im Vorjahres-Citroën Xsara WRC um 1,3 Sekunden die Führung vor Loeb. Vorausgegangen war eine etwas optimistische Reifenwahl des Elsässers: Nach trockenem Auftakt hatte es über Mittag rund um Trier geregnet. Loeb erwartete weitere Schauer und setzte auf besonders weiche BFGoodrich Pneus. Ein besseres Gespür für Regen zeigten die Herren Grönholm und Hirvonen: Beide BP Ford-Piloten wählten für die Nachmittagsprüfungen leicht nachgeschnittene BFGoodrich Trockenreifen in Medium-Soft-Mischung - perfekt für die überwiegend trockenen Straßen, die im Schatten aber oft matschig und von den ersten Durchfahrten mit Schmutz bedeckt waren. Dennoch musste Grönholm erkennen, dass auch die Reifen auf dem Citroën C4 WRC tadellos funktionierten: "Ich war überrascht, dass Sébastien trotz falscher Reifenwahl so schnell ist."

Hinter dem Führungsquartett aus Duval, Loeb, Grönholm und Hirvonen schlug die Stunde der Außenseiter - auch, will viele Top-Piloten mit der Technik zu kämpfen hatte. So befand sich Dani Sordo zwischenzeitlich auf Rang drei, musste seinen Citroën C4 WRC aber mit Motorproblemen abstellen. Den fünften Platz des Spaniers erbte Toni Gardemeister im Vorjahres-Xsara. Jan Kopecky gelang im nicht mehr ganz taufrischen Skoda Fabia WRC 05 der Sprung auf Zwischenrang sechs. Subaru-Pilot Chris Atkinson beeindruckte mit einer Bestzeit am Freitag, hatte zuvor aber bereits acht Minuten verloren, als sein Impreza WRC rückwärts eine Böschung hinuntergerutscht war. Teamkollege Petter Solberg fiel am Ende der ersten Etappe auf Rang neun zurück, weil der Norweger auf der vorletzten WP des Tages einen Stein getroffen und seine Lenkung beschädigt hatte.

Zweikampf um Rang 2

Als es am Samstag ins St. Wendeler Land und auf die berühmt-berüchtigte "Panzerplatte" des Truppenübungsplatzes Baumholder ging, stellte zumindest das Wetter kein Problem mehr dar: Es blieb durchgehend trocken, sodass alle Werksfahrer auf unmodifizierte BFGoodrich Trockenreifen setzten. Überraschungs-Spitzenreiter François Duval leistete sich zum Auftakt erst einen Ausflug in den Acker, dann einen Verbremser - 20 Sekunden Zeitverlust und ein neuer alter Führender namens Sébastien Loeb waren die Folge. Jetzt nahm auch BP Ford-Pilot Mikko Hirvonen mit zwei WP-Bestzeiten den Belgier unter Feuer, doch Duval konnte die Attacken des Finnen erfolgreich abwehren. Er zementierte Position drei hinter Grönholm, der am Samstag seine einzige Prüfung des gesamten Events gewann.

Nicht unkritisch fasste "Magic Marcus" seinen Tag zusammen: "Ich bin heute anscheinend mit dem falschen Fuß aufgestanden, denn ich fand einfach keinen Rhythmus. Erst im Laufe des Tages wurde es besser. Ich habe mich nun auf jeder Etappe um einen Platz verbessert - mal sehen, wie das morgen weitergeht".

Petter Solberg kam trotz weiterhin auftretender Lenkprobleme nun besser in Schwung - genau wie sein Teamkollege Atkinson, der sich mit zwei Bestzeiten zurückmeldete. Petters Bruder, Ford-Privatier Henning Solberg, erging es dagegen schlechter: Er schied mit gebrochener Aufhängung aus. Auch Manfred Stohl im privaten Citroën Xsara WRC musste nach einem Motorschaden die Waffen strecken. Vorne sorgte Sébastien Loeb mit drei Bestzeiten und einem Vorsprung von 37,8 Sekunden für klare Verhältnisse.

Dramatisches Finale für Grönholm

Völlig ungeklärt blieb hingegen die Situation im Kampf um Platz zwei: Duval attackierte derart, dass Grönholm an eine geruhsame Heimfahrt nicht einmal denken durfte. Auf der Jagd nach dem Tabellenführer holte sich der Belgier im BFGoodrich-bereiften Vorjahres- Citroën Xsara des Kronos-Teams alle fünf Bestzeiten des Tages. Dem gehetzten Grönholm verblieben von 13 Sekunden Vorsprung nach der zweiten Etappe gerade noch fünf vor der 19. und letzten WP. Und dort übertrieb es der Finne: Bei hoher Geschwindigkeit haute er seinen Ford Focus WRC 07 in die Botanik und beschädigte eine Radaufhängung schwer. Bis zur letzten Zeitnahme hatte er anderthalb Minuten eingebüßt. Um auf dem knapp geretteten vierten Rang aber wirklich gewertet zu werden, musste er den waidwunden Focus aber noch bis ins Ziel schleppen - und zwar mitsamt allen vier Rädern. Die Schleichfahrt gelang und das Resultat stand fest: Loeb siegte zum sechsten Mal in Folge in Deutschland, Duval feierte ein grandioses WM-Comeback, Hirvonen und Grönholm verteidigten die WM-Führung von Ford.

"Trotz meiner nicht sehr gelungenen Reifenwahl am Freitagnachmittag ist dies ein sehr positives Ergebnis für mich", untertrieb der dreifache Weltmeister Loeb im Ziel und beschrieb noch einmal die Szene, die seine Gegner hoffen ließ: "Vergangenes Jahr verschaffte uns die weichere Reifenoption Vorteile, diesmal nicht. Als wir aus dem Servicepark in Trier herausfuhren, regnete es stark und wir erwarteten, dass die Strecken feucht bleiben oder es sogar noch weiter regnen würde. Also entschieden wir uns für die weiche Mischung. Drei Minuten nach dem Losfahren sahen wir, dass dort, wo wir hinfuhren, strahlender Sonnenschein herrschte. Ich wusste, dass es nicht einfach werden würde, doch wir konnten den Schaden in Grenzen halten, indem wir voll angriffen."