Der Countdown zum Saisonfinale der FIA World Touring Car Championship (WTCC) läuft. Vor den Rennen 19 und 20 auf dem "Guia Circuit" von Macau (CHN) haben noch neun Fahrer die Chance, den Weltmeistertitel zu gewinnen. Drei Titelanwärter sind auf einem BMW 320si WTCC unterwegs: Titelverteidiger Andy Priaulx (GBR) vom BMW Team UK sowie die beiden BMW Team Germany Piloten Jörg Müller (Hückelhoven) und Dirk Müller (Burbach). In der Herstellerwertung reist BMW als Führender in die ehemalige portugiesische Kolonie. BMW Motorsport Direktor Mario Theissen spricht im Interview über den Showdown im Fernen Osten und bewertet den bisherigen Verlauf der WTCC-Saison.

Herr Theissen, wie 2005 entscheidet sich der WTCC-Titelkampf in Macau. Ist dies ein würdiger Schauplatz für das Finale?
Mario Theissen: Ja, ganz sicher. Ich war im vergangenen Jahr vor Ort, als Andy Priaulx den Fahrertitel gewann und wir die Hersteller-WM für uns entschieden. Die Atmosphäre war einmalig und hat mich sehr beeindruckt. Die Rennstrecke ist für die Piloten zum Abschluss des Jahres noch einmal eine einzigartige Herausforderung. Der Guia Circuit erinnert an die engen Straßenschluchten von Monaco. Nicht umsonst gelten Stadtkurse dieser Art als ungemein anspruchsvoll.

Sind Sie überrascht, dass noch neun Fahrer Weltmeister werden können?
Mario Theissen: Ich sehe diese Situation mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist es großartig, dass wir noch drei Eisen im Feuer haben. Gepaart mit der Tatsache, dass wir in der Herstellerwertung vorne liegen zeigt dies, wie konkurrenzfähig der BMW 320si bereits in seinem ersten Jahr gewesen ist. Aus Herstellersicht muss man die durch individuelle Handicaps bzw. Zugeständnisse herbeigeführte Ausgeglichenheit des Feldes jedoch auch kritisch bewerten.

Für die Fans kann es nicht spannend genug zugehen...
Mario Theissen: Das ist richtig. Ich finde es ebenfalls positiv, dass nicht schon weit vor Ende der Saison klar ist, wer den Titel gewinnt. Wir haben in dieser Saison schon elf verschiedene Sieger gesehen, die vier Hersteller repräsentieren. Das Element Spannung ist damit auf der Fahrerseite kaum noch zu steigern. Allerdings geht es in der WTCC auch um den WM-Titel der Hersteller. Und ein solcher Titel macht nur Sinn, wenn am Ende das beste Auto vorne steht. Wird die Performance der Autos per Reglement auf gleiches Niveau gebracht, verliert dieser Titel an Wert und ein ambitionierter Hersteller an Interesse.

Wie beurteilen Sie die bisherige Leistung der drei BMW Titelaspiranten?
Mario Theissen: Andy Priaulx hat in dieser Saison nicht nur gewohnt konstant gepunktet, sondern sich außerdem noch zum Seriensieger entwickelt. Vier Mal stand er bisher ganz oben auf dem Treppchen. Drei Mal häufiger als 2005 - und damals wurde er Weltmeister. Jörg Müller hat sich mit einem starken Zwischenspurt auf Rang drei der Fahrerwertung gekämpft und konnte drei Siege verbuchen. Er kennt Macau sehr gut. Seine Erfahrung wird ihm dort sicher helfen. Dirk Müller ist diesmal der Außenseiter, nachdem er im Vorjahr als Spitzenreiter beim Finale angetreten ist und noch von Andy überholt wurde. Allerdings wird sich auch die Verteilung des Handicapgewichts erheblich auswirken.

Was erwarten Sie von den drei weiteren Fahrern der BMW Länderteams?
Mario Theissen: Alessandro Zanardi hat auch in diesem Jahr wieder für besondere Momente in der Tourenwagen-WM gesorgt und nach seinem Sieg in Oschersleben 2005 einen weiteren Erfolg in Istanbul folgen lassen. Das ist eine herausragende Leistung. Ihm ist in Macau viel zuzutrauen. Gleiches gilt für seinen BMW Team Italy-Spain Teamkollegen Duncan Huisman. Kein Fahrer hat so oft in Macau gewonnen wie er. Im Kampf um den Herstellertitel wird uns auch Jan Magnussen unterstützen. Er ist ein erfahrener Pilot, der den BMW 320si bereits aus der dänischen Tourenwagenmeisterschaft kennt.

Was fasziniert Sie an der Tourenwagen-Weltmeisterschaft?
Mario Theissen: In der Formel 1 und in den meisten anderen Rennserien gilt es, auf der Strecke jeden Kontakt mit anderen Autos zu vermeiden. In der WTCC ist dies anders. Vielfach ist der Kontakt sogar erwünscht, und die Piloten lehnen sich in den Kurven regelrecht an ihre Gegner an, um Zeit zu gewinnen. Das ist einzigartig. Die Rennen sind überaus spannend und bieten sehr viel Rennaction. Bisher war jeder Tourenwagen-Weltmeister auf einem BMW unterwegs. Ich hoffe, dass dies auch nach dem Saisonabschluss in Macau noch gilt.

Welche Bedeutung hat für Sie der geplante Test von Alessandro Zanardi mit dem BMW Sauber Team?
Mario Theissen: Ich freue mich, dass wir Alessandro die Gelegenheit geben können, ans Steuer eines Formel-1-Autos zurückzukehren. Er sprach mich vor vielen Monaten auf dieses Thema im Spaß an. Nun wird aus diesem Spaß Realität. Unsere Ingenieure konnten den BMW Sauber F1.06 auf seine Bedürfnisse anpassen. Ich bin sehr gespannt auf den Test.