Kennen sie noch Björn Waldegård? Dem 16-fachen WRC-Sieger und Rallye-Weltmeister von 1979 gelang im Jahr 1990 etwas Besonderes: Gleich bei seiner ersten Teilnahme bei der Rallye Dakar fuhr er als Zweiter auf das Podest des Langstrecken-Klassikers. Seitdem zeigte sich, wie wichtig Erfahrung in diesem Rennen ist, denn dieses Kunststück gelang danach niemandem mehr. Nun zumindest bis 2023, denn der Brasilianer Lucas Moraes fuhr in der diesjährigen Ausgabe auf Anhieb auf Platz 3.

Sein Podestplatz darf allerdings als eine noch größere Sensation als bei Waldegård gelten. Ersterer war ein Spitzenpilot der Rallye-Weltmeisterschaft und hatte bei seinem Debüt zwei Jahrzehnte Rallye-Erfahrung vorzuweisen, wenn auch nicht bei der Dakar. Moraes hingegen war international ein unbeschriebenes Blatt. In seiner brasilianischen Heimat wurde der 32-Jährige dreimal Staatsmeister und gewann zweimal die Rallye dos Sertoes, die nach der Abwanderung der Dakar nach Saudi-Arabien als härtestes Rennen in Südamerika gilt. Über seinen Kontinent hinaus hatte sich Moraes aber kaum gewagt. Besonders ins Sachen Wüstenrallyes besaß er also noch keine Erfahrung.

Gottschalk: Alle Erwartungen übertroffen

Dass der Schritt in den internationalen Wettbewerb irgendwann kommen würde, war aber spätestens seit dem Abschluss eines Sponsorendeals mit Red Bull klar. Wie er sich dann gleich bei seiner ersten Rallye Dakar im Umfeld von Al-Attiyah, Peterhansel, Sainz, Loeb und Co. präsentierte, das überraschte aber alle Beobachter. Der Toyota-Pilot war zwar nie der Tagesschnellste - die beste Platzierung war Rang Drei auf Etappe 10 -, doch zeigte er eine fehlerfreie und konstante Leistung. Nach Etappe 6 lag er auf einem Podestrang und gab diesen bis ins Ziel nicht mehr ab. Nach Henk Lategans Technikpech auf Etappe 9 stand sogar Platz 2 hinter Nasser Al-Attiyah in Aussicht. Am Ende zog jedoch Sebastien Loeb mit seiner unglaublichen Siegesserie in Woche zwei noch vorbei. Die Freude über den Podestplatz blieb dennoch ungetrübt.

Da es für Moraes die erste Teilnahme war, musste sein Navigator den Mangel an Erfahrung etwas kompensieren. Der deutsche Timo Gottschalk war bereits mit Nasser Al-Attiyah 2011 siegreich gewesen, dennoch konnte er den Erfolg mit Moraes kaum fassen: „Man müsste mich bitte mal kurz kneifen: Wir sind auf dem Podium! Es ist zwar das dritte Mal für mich, nach 2010 und 2011 mit Nasser Al-Attiyah – aber da haben wir, mehr oder weniger, die Erwartungen an uns erfüllt. Dieser dritte Platz mit Lucas übertrifft allerdings alle Erwartungen und Ziele – das fühlt sich besonders gut an. Ich könnte kaum stolzer darauf sein, was wir in den vergangenen gut zwei Wochen erreicht haben."

Lucas Moraes unterlief während seiner ersten Rallye Dakar kein schwerwiegender Fehler, Foto: A.S.O. / DPPI
Lucas Moraes unterlief während seiner ersten Rallye Dakar kein schwerwiegender Fehler, Foto: A.S.O. / DPPI

Moraes will wieder mit Gottschalk antreten

Auch Moraes konnte kaum glauben, was er da geleistet hatte. Der Brasilianer deutete an, dass er und Gottschalk die Dakar auch in Zukunft aufmischen könnten: "Dass wir bei meinem Debüt gleich auf Anhieb aufs Podium gefahren sind und auch mit den Spitzenfahrern mitgehalten haben, macht mich richtig stolz. Die Zusammenarbeit mit Timo hat super funktioniert, er hat mit seiner Erfahrung viel zum Erfolg beigetragen. Sein Einsatz war großartig. Ich hoffe, wir können das wiederholen!“

Moraes/Gottschalk durften mit den Größen der Rallye-Szene feiern, Foto: A.S.O. / DPPI
Moraes/Gottschalk durften mit den Größen der Rallye-Szene feiern, Foto: A.S.O. / DPPI

Neben einer fehlerfreien Fahrt konnte sich Moraes aber auch auf die Arbeit seines Teams Overdrive verlassen. An seinem Toyota Hilux gab es während der gesamten 4.247 Wertungskilometer nicht einen einzigen Defekt. Lediglich dreimal gab es einen Reifenschaden zu beklagen. Dadurch war das brasilianisch-deutsche Duo auch immer zur Stelle, um von den Problemen der Favoriten zu profitieren. Etappe 6 katapultierte sie mit den Unfällen der Audis von Stephane Peterhansel und Carlos Sainz auf den Podestrang nach vorne, doch bereits zuvor waren Moraes/Gottschalk in den Top 6 der Gesamtwertung zu finden.

Die Konkurrenz ist beeindruckt

Vor dem ersten Antreten war das Ziel gewesen, einmal unter die Top 10 der Tageswertung zu kommen. Am Ende haben die Sensationsdritten 10 von 14 Etappen unter den ersten 10 beendet. Angesichts der enormen Anpassungsfähigkeit und Lernkurve von Moraes erwartet auch die Konkurrenz, dass dies noch lange nicht das Ende der Fahnenstange war. Der überlegene Gesamtsieger Nasser Al-Attiyah sprach im Bezug auf das Duo Moraes/Gottschalk sogar von der "Zukunft der Rallye Dakar". So sehr sie 2023 überrascht haben, so wenig werden sie weiterhin in einer Außenseiterrolle agieren können. Für 2024 dürften alle Konkurrenten Lucas Moraes und Timo Gottschalk auf dem Zettel haben.