Eine Viertelstunde vor zwei Uhr: Schicht im Schacht. Das Duell im Kampf um den Sieg beim vermeintlich legendärsten 24-Stunden-Rennen der Welt ist entschieden. Alexander Wurz rollt im einzig verbliebenen Toyota langsam in seine Box hinein. Ein Motorschaden macht das Weiterfahren unmöglich. Bereits am Abend zuvor war sein Teamkollege Anthony Davidson mit einem haarsträubenden Unfall verletzt aus dem Wettbewerb geschieden. Indessen an der Spitze des Feldes: Audi. Gleich drei der vier Ingolstädter Boliden rasen scheinbar unaufhaltsam durch die nordfranzösische Nacht - bereit, Motorsport-Geschichte zu schreiben.

Der triumphale Erfolg bei den 24 Stunden von Le Mans 2012 war wohl einer der süßesten, den die Marke Audi jemals feiern durfte. Angetreten gegen einen neuen, namhaften und ernstzunehmenden Gegner, manifestierten André Lotterer, Marcel Fässler und Benoît Tréluyer gemeinsam mit ihrem Team den ersten Sieg eines Fahrzeugs mit Hybridantrieb in Le Mans. Ein historisches Ergebnis. Insgesamt durfte sich der süddeutsche Automobilbauer zum elften Mal als Bezwinger der 24 Stunden bejubeln lassen. Darüber hinaus standen abermals ausschließlich Audi-Akteure auf dem Podest, denn Allan McNish, Rinaldo "Dindo" Capello und Tom Kristensen sowie Oliver Jarvis, Marco Bonanomi und Mike Rockenfeller landeten auf den Plätzen zwei und drei.

Große Heiterkeit auf dem Podium, Foto: Audi
Große Heiterkeit auf dem Podium, Foto: Audi

Des einen Freud ist des anderen Leid: Toyota, nach mehr als elf Jahren Abstinenz an die Sarthe zurückgekehrt, wollte dem Platzhirsch unbedingt die Stirn bieten, doch wie schon in der Vergangenheit reichte es für die Japaner nicht. Zwar zeigte sich der TS030 genannte Hybrid-Benziner in puncto Performance durchaus konkurrenzfähig; es mangelte jedoch abermals an Zuverlässigkeit und dem berühmten Quäntchen Glück. Letzten Endes schätze sich der Konstrukteur mit Sitz in Köln-Marsdorf aber vor allem froh, dass Pilot Davidson bei seinem Überschlag-Abflug nichts allzu Schlimmes passiert war und gratulierte den Gewinnern in typisch fernöstlicher Manier fair.

Ferrari furios

Für eine waschechte Sensation sorgte derweil die Ferrari-Mannschaft AF Corse. Giancarlo Fisichella, Toni Vilander und Gianmaria Bruni stürmten von Startplatz 49 in herausragender Art und Weise gen Front und schnappten sich schlussendlich den Sieg in der Gran-Turismo-Kategorie der Profifahrer. Die drei Roten mussten das Feld von hinten aufrollen, nachdem Ex-Formel-1-Fahrer Fisichella das Auto bei einem Unfall in den Trainings nahezu gänzlich zerstört hatte. In Windeseile brachten Mechaniker ein neues Chassis direkt aus Italien heran; der 458 wurde neu aufgebaut und gerade noch für das große Rennen qualifiziert. Es war das erste Mal, dass AF Corse in Le Mans ganz oben stehen durfte.

Großes Pech ereilte hingegen Henri Pescarolo. So hätte es katastrophaler wohl kaum laufen können: Erst ein Besuch der französischen Justiz, dann ein schwerer Unfall und zu alledem technische Gebrechen en masse. Die Equipe der Le-Mans-Legende bekam durchweg kein ein Bein auf die Erde. Genau genommen schaffte man es mit keinem der zwei eingesetzten LMP1-Flitzer in die Wertung des Rennens. Zwar boxten die Mechaniker zumindest das weiße Dome-Coupé mit Hängen und Würgen über den Zielstrich, doch lediglich 203 absolvierte Runden der Startnummer 17 reichten nicht einmal für eine offizielle Platzierung aus.

Das Pescarolo-Coupé auf der Strecke, Foto: ACO / Nikon
Das Pescarolo-Coupé auf der Strecke, Foto: ACO / Nikon

Nullnummer für Porsche

Ebenfalls schlecht lief es für Porsche. Die Elfer, zumeist immer und überall erfolgreich, waren in diesem Jahr schlicht und ergrteifend nicht schnell genug, um ganz vorne eingreifen zu können. Für das Spitzenteam der Stuttgarter, Felbermayr-Proton, kam es besonders dicke: Beide Boliden erreichten das Ziel nicht. Alarmierend war diesbezüglich der Fakt, dass sowohl der Wagen von Marc Lieb, Richard Lietz und Wolf Henzler als auch jener von Christian Ried, Gianluca Roda sowie Paolo Ruberti durch einen Defekt am Getriebe niedergestreckt wurde, so steht die Marke aus dem Schwabenland doch eigentlich für Haltbarkeit wie kaum eine zweite.

Niedergestreckt wurde auch der viel diskutierte Nissan DeltaWing, nämlich von einem Toyota. Die leidenschaftliche Rettungsaktion von Fahrer Satoshi Motoyama, um den futuristischen Renner zurück an die Box zu bringen, war dabei ein Sinnbild des Langstreckenklassikers: Kampf, Anspannung und Emotionen vom Anfang bis zum Ende - 2012, davor und auch in den nächsten Jahren.