Nach knapp vier Wochen Ruhepause nimmt die 'Silly Season' der MotoGP am Rande des Frankreich Grand Prix in Le Mans wieder Fahrt auf. Hatte sich zuletzt noch Fabio Quartararo zwei weitere Jahre an Yamaha gebunden, steht diesmal der zweite Platz im Ducati-Werksteam an der Seite von Francesco Bagnaia im Mittelpunkt. Um diesen kämpfen gleich drei Fahrer: Der derzeitige Inhaber Enea Bastianini, Pramac-Pilot Jorge Martin und MotoGP-Superstar Marc Marquez. Schien die Entscheidung der Ducati-Bosse bislang noch recht offen, könnte sich nun ein Favorit herauskristalisieren.

"Das ist eine wirklich schwierige Entscheidung", kommentierte Ducati-Teamchef Gigi Dall'Igna am Donnerstag nämlich im Gespräch mit MotoGP-Reporter Jack Appleyard und ließ mit seiner anschließenden Aussage aufhorchen: "Ehrlich gesagt dürfen wir nicht nur auf die Rennen des Jahres 2024 blicken. Wir müssen vielmehr die gesamte Historie unserer Fahrer in Betracht ziehen. Das finde ich persönlich sehr wichtig. Die Entscheidung wird schwierig, denn alle drei Fahrer sind Champions, aber wir werden sehen."

Marc Marquez vor Jorge Martin im Sprint der MotoGP in Portimao
Marc Marquez und Jorge Martin kämpfen mit Enea Bastianini um den zweiten Ducati-Platz, Foto: LAT Images

Dall'Igna: Ducati-Entscheidung wird auf Gesamt-Historie beruhen!

Ducati will den zweiten Werksplatz also nicht nur aufgrund der Leistungen der Fahrer in den jüngsten Rennen vergeben, sondern vorallem auch aufgrund vergangener Erfolge. Hätte dabei Pramac-Pilot Martin in der Saison 2024 bislang als WM-Führender noch klar die Nase vorne gehabt, zeichnet ein Blick auf die Gesamthistorie der drei Anwärter natürlich ein gänzlich anderes Bild. Dort kämpfen die beiden einmaligen Motorrad-Weltmeister Martin und Bastianini nämlich gegen den achtmaligen Champion Marquez, der alleine auf knapp viermal so viele Grand-Prix-Siege und doppelt so viele Podien und Pole Positions wie das Duo kommt.

"Marc hat all die Historie", interpretierte auch MotoGP-Experte Simon Crafar am Donnerstag und erklärte: "Wenn du aktuell auf die reine Performance schaust - was genau das ist, was wir bis zu Gigis Aussagen alle getan haben - haben alle drei Fahrer eine Chance. Wenn du aber aus geschichts- und marketingtechnischer Sicht schaust, dann ist Marc die logische Wahl. Er schreibt all die 'Headlines'." Muss der Gresini-Pilot jetzt also als Topfavorit auf den Platz an der Seite Bagnaias gesehen werden? Ex-Ducati-Fahrer Danilo Petrucci meint: "Ich habe keine Insider-Information, aber ich habe die Vermutung, dass Marquez dorthin gehen wird. So wie ich ihn kenne, wird Gigi Dall'Igna einen Fahrer wie Marquez nicht mehr gehen lassen."

Gigi Dall'Igna scheint Gefallen an Marc Marquez gefunden zu haben, Foto: LAT Images
Gigi Dall'Igna scheint Gefallen an Marc Marquez gefunden zu haben, Foto: LAT Images

Francesco Bagnaia will Marc Marquez nicht als Teamkollege? Bullshit!

Doch kann Ducati den teaminternen Frieden wirklich riskieren, indem man dem amtierenden Doppel-Weltmeister Francesco Bagnaia ein Alphatier wie Marquez als neuen Teamkollegen vor die Nase setzt? Vermutlich, denn der Italiener zeigt sich unbesorgt. "Ich habe dieser Tage auf Twitter ein Video von einem spanischen Journalisten gesehen, der gehört haben wollte, dass ich Marc nicht im Werksteam haben wollen würde. Das ist Bullshit!", verkündet er und legt nach: "Es ist mir völlig egal, ich will sie alle schlagen. Ich werde immer versuchen, der Beste zu sein und werde das auch so weiter machen. Ich habe keine Präferenz. Ich arbeite gut mit Enea zusammen, aber wenn das Team etwas verändern möchte, dann fange ich eben neu an. Meine Ambition bleibt gleich, ich will immer besser als der andere sein."

Eine deutliche Ansage von Bagnaia also, der die Tür für einen Marc-Marquez-Transfer ins Werksteam damit öffnet. Der Gresini-Pilot selbst hielt sich am Donnerstag in der MotoGP-Pressekonferenz zurück, machte seine Ambitionen für die kommenden Saison abschließend aber auch nochmal deutlich. Das Ziel für 2025 bleibt ein Werksmotorrad: "Verglichen mit Jorge bin ich noch neu bei Ducati und kam in einer besonderen Situation. Schritt für Schritt fühle ich mich aber immer besser und bekomme mehr Selbstvertrauen. Das war mein Ziel für dieses Jahr. 2025 und 2026 werde ich ein anderes Ziel haben, ich will um den Titel kämpfen. Dazu brauche ich das aktuellste Material, um meine Chancen zu erhöhen. Wenn ich schnell bin, habe ich mehr Optionen für die Zukunft und wenn ich die Chance bekomme, nehme ich das Beste."

Das Beste? Das ist und bleibt in der MotoGP natürlich eine Werks-Ducati und das weiß auch Rivale Martin. Der Pramac-Pilot zeigt sich im Kampf um den zweiten Ducati-Werksplatz noch kämpferisch: "Ich bin glücklich, wo ich gerade bin, aber der natürliche nächste Schritt wäre natürlich das Werksteam. Ich war schon 2022 nah dran und auch letzte Saison bis zum letzten Rennen. Mein Ziel bleibt, dorthin zu wechseln. Ich hoffe, dass ich das schaffen kann. Wenn nicht, dann werden wir sehen, was passiert."

Dall'Igna kündigt an: Ducati-Entscheidung bis Mugello

Einen Verbleib bei Pramac Racing hatte der Vizeweltmeister der Vorsaison bereits mehrfach kategorisch ausgeschlossen, er will ab 2025 unbedingt in einem Werksteam fahren. Wenn nicht bei Ducati, dann eben anderenorts. Neben Honda und Yamaha wird dabei speziell Aprilia ein bestehendes Interesse am 'Martinator' nachgesagt, welcher dort auf seinen guten Freund Aleix Espargaro folgen könnte. Aber auch mit Bastianini flirtete der italienische Hersteller bereits, speziell Aprilia-Racing-CEO Massimo Rivola gilt als großer Fan der Startnummer 23.

Die nächsten Wochen und Monate der 'Silly Season' dürften also spannend werden, zumindest im Falle Ducati müssen die MotoGP-Fans aber wohl nicht mehr lange rätseln. Teamchef Dall'Igna kündigte eine Entscheidung bis zum Heimrennen in Mugello (31.05. - 02.06.) an: "Ich denke, dass wir allen Fahrern fair gegenüber sein und ihnen die Möglichkeit geben müssen, einen Platz auf dem bestmöglichen Motorrad zu finden, sollte das nicht die Ducati sein. Daher ist das ein angemessener Zeitraum."