Sie ist die wohl verrückteste und zugleich spektakulärste WM-Rallye des Jahres: Der "Grand Prix von Finnland" gehört zu jenen Veranstaltungen, die jeder Rallye-Crack im Laufe seiner Karriere mindestens einmal gewinnen will. Tatsächlich aber ist die irrwitzige Flugschau im Land der 1000 Sprungkuppen wählerisch, was die Vergabe des Siegerpokals betrifft: Seit 1973, dem Gründungsjahr der Weltmeisterschafts-Wertung, ist es nur drei Nicht-Skandinaviern gelungen, die Gastgeber vor eigenem Publikum zu blamieren - Carlos Sainz (Toyota, 1990), Didier Auriol (Lancia, 1992) und Markko Märtin (Ford, 2003). In diesem Jahr könnte die vierte Niederlage hinzukommen: Titelverteidiger Sébastien Loeb hat Tabellenführer Marcus Grönholm den Kampf angesagt. Einziges Problem: Auch der Finne will am Steuer seines Ford Focus gewinnen - es wäre sein siebter Erfolg und ein neuer Rekord. Noch nie hat ein Fahrer eine WM-Rallye so oft für sich entscheiden können.

Dabei zählt es in diesem bevölkerungsarmen Teil Skandinaviens seit Jahrzehnten zum lustigen Ritual, dass die hoffnungsvollsten Rallye-Talente des Landes einmal im Jahr die eigens von weit her angereisten Mittel- und Südeuropäer nach Strich und Faden abledern. Schnell genug bei diesem WM-Lauf ist nur, wer sich auf den variantenreich durch den Wald schlängelnden Berg- und Talbahnen seit frühester Jugend seine Sporen verdient hat - was zumeist in Tateinheit mit der anmutigen Aufopferung kleinerer Fahrzeugbestände einhergeht. Jetzt allerdings tritt mit Sébastien Loeb ein entschlossener Gegner auf, der den Gastgebern diesen Spaß verderben will.

Zu was er in der Heimat der "Flying Finns" fähig ist, dies hat der dreifache Weltmeister bereits im Vorjahr aufblitzen lassen: Er stanzte auf der ebenso berühmten wie gefürchteten Wertungsprüfung "Ouninpohja" die Bestzeit in den Schotter - mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 128 km/h. Erst ein unfreundliches Tête-a-Tête mit einem Stein warf den ambitionierten Angriff des Franzosen zurück. Die Revanche könnte jetzt bevorstehen, denn Loeb liegt in der Fahrer-Zwischenwertung vor dem Beginn der zweiten Saisonhälfte neun Punkte hinter Marcus Grönholm zurück und muss attackieren, will er seinen Titel verteidigen.

Der 39-jährige Finne sieht die Kampfansage seines Kontrahenten entspannt. "Diese Rallye ist mein absoluter Favorit im ganzen WM-Kalender", so der Ford-Werkspilot, der erstmals mit dem aufwändig fortentwickelten Focus RS WRC 07 an den Start geht. "Ich bin mir sehr sicher, dass ich sie erneut gewinnen kann. Auch wenn es im Hinblick auf die Weltmeisterschaft für mich in erster Linie darauf ankommt, Sébastien wichtige Punkte abzuknöpfen."