2024 bekommt die MotoGP zum zweiten Mal in Folge nur einen Rookie-Piloten. Bei KTM-Supertalent Pedro Acosta handelt es sich jedoch nicht um einen normalen 'Rookie'. Vom amtierenden Moto2-Weltmeister, der sich 2021 bereits auch den Moto3-Titel im Alter von 17 Jahren gesichert hatte, wird in den kommenden Jahren viel erwartet. Motorsport-Magazin.com nutzt deshalb die Gelegenheit und blickt auf die erfolgreichsten MotoGP-Debütanten der Geschichte zurück.

Jorge Martin: Der letzte siegfähige MotoGP-Rookie

Um die erste, beeindruckende Performance eines MotoGP-Aufsteigers zu entdecken, müssen wir gar nicht weit in der Zeit zurückreisen. Drei Jahre, in die Saison 2021 um genau zu sein. Damals überraschte ein Pilot, der den WM-Titel erst vor wenigen Wochen nur denkbar knapp verpasste, die gesamte MotoGP-Welt: Jorge Martin. Der 23-jährige Madrilene debütierte mit Pramac Ducati und sicherte sich gleich an seinem zweiten Rennwochenende in Katar die erste Pole Position seiner MotoGP-Karriere - vor Teamkollege Johann Zarco und anderen Fahrern wie Maverick Vinales, Jack Miller, Fabio Quartararo und Francesco Bagnaia, die bereits allesamt in einem Werksteam unter Vertrag standen.

Jorge Martin gelang 2021 ein Blitzstart in der MotoGP, Foto: gp-photo.de - Ronny Lekl
Jorge Martin gelang 2021 ein Blitzstart in der MotoGP, Foto: gp-photo.de - Ronny Lekl

Den Sensationssieg verpasste Martin einen Tag später um 1,500 Sekunden zwar knapp, stand als Dritter aber zum ersten Mal auf dem Podest. Es sollte nicht das letzte bleiben, doch zunächst musste der Spanier eine schwere Verletzung wegstecken, die ihn vier Rennwochenenden zur Pause zwang. Nach drei weiteren Grand Prix Eingewöhnungszeit meldete sich Martin endgültig zurück - und wie! In Österreich holte sich er die nächste Pole Position und münzte diese dann auch zum ersten MotoGP-Sieg seiner Karriere und der Teamgeschichte von Pramac Racing um. Besonders beeindruckend, mit welcher Coolness er den Triumph nach Hause brachte. Selbst unter rundenlangem Druck von Suzuki-Pilot Joan Mir machte er keinen Fehler und deklassierte seine Markenkollegen. Zarco landete als erster Ducati-Verfolger mit 13 Sekunden Rückstand auf Platz sechs.

Nur eine Woche später kämpfte Martin im zweiten Österreich-Rennen erneut um den Sieg, ehe ihm ein Regenschauer und Brad Binders Kalkül einen Strich durch die Rechnung machten. Das bereits dritte von letztlich vier Podien in der Debütsaison konnte sich dennoch sehen lassen. Die Saison beendete Martin mit insgesamt vier Pole Positions und 111 Punkten auf Platz neun. Ohne die schwerwiegende Verletzung wäre wohl noch deutlich mehr möglich gewesen.

Kato, Spies und Zarco: Nah dran am ersten MotoGP-Sieg

Punktemäßig etwas besser als Martin schnitten zuvor die MotoGP-Rookies Daijiro Kato (2002, 117 Punkte), Ben Spies (2010, 176 Punkte) und Johann Zarco (2017, 174 Punkte) ab. Sämtlichen drei Piloten fehlte dabei jedoch der ganz große Wurf. Anders mal Martin konnten sie in ihrem Debütjahr kein Rennen in der Königsklasse gewinnen, auch wenn alle nah dran waren. In den entscheidenden Momenten machten sie jedoch (noch) zu viele Fehler, was einem Rookie aber natürlich zugestanden werden darf. Ohnehin wussten sie auch so zu gefallen: Zarco und Spies, die beide für Tech3 Yamaha fuhren, landeten auf einem starken sechsten WM-Rang. Während Spies als amtierender WorldSBK-Champion zwei Podien und eine Pole holte, gelangen dem zweifachen Moto2-Weltmeister Zarco sogar drei Podien und zwei Poles.

Johann Zarco mischte 2017 bereits ganz vorne in der MotoGP mit, Foto: Ronny Lekl
Johann Zarco mischte 2017 bereits ganz vorne in der MotoGP mit, Foto: Ronny Lekl

Kato dagegen landete 2002 einen WM-Rang schlechter auf Platz sieben und holte deutlich weniger Punkte, muss eigentlich aber sogar noch mehr gelobt werden. Denn im Jahr 2002 wurden nicht nur weniger Rennen gefahren, die MotoGP-Ära mit 990ccm-Viertakt-Maschinen startete auch gerade erst. Diese Bikes wurden zunächst nur von den Werksteams eingesetzt. Kundenteams wie Katos Gresini-Rennstall mussten mit den alten 500ccm-Zweitaktern vorliebnehmen und waren somit deutlich unterlegen - eigentlich, den Kato beeindruckte so sehr, dass er in der zweiten Saisonhälfte als einer von nur zwei Honda-Kundenpiloten noch in den Genuss einer RC211V kam. Der Japaner nutzte sie zu zwei Podien und einer Pole Position vor heimischen Fans in Motegi. 2003 wäre wohl noch einiges vom 26-Jährigen zu erwarten gewesen, wäre er nicht tragischeweise beim Saisonauftakt in Suzuka ums Leben gekommen.

Quartararo und Lorenzo: Zwei Yamaha-Youngster sorgen für Furore

Für noch mehr Furore als das Trio sorgen 2008 bzw. 2019 zwei Yamaha-Nachwuchstalente: Jorge Lorenzo und Fabio Quartararo. Die Vorzeichen waren dabei jedoch völlig andere: Während Lorenzo als amtierender Doppelweltmeister der 250ccm-Klasse in die MotoGP und das Yamaha-Werksteam einstieg, kam Quartararo als beinahe schon gescheitertes Talent zum neugegründeten Kundenteam Petronas SRT. Folglich sind die Leistungen des Franzosen in seiner Rookie-Saison eigentlich sogar noch etwas beeindruckender, auch wenn er bei einem zusätzlichen Rennen nur zwei Punkte mehr holte (192 zu 190) und einen WM-Rang schlechter abschnitt (4 zu 5).

Vielmehr war es die Art und Weise, wie der junge Quartararo die MotoGP-Bühne betrat: Völlig ohne Angst oder Respekt vor gestandenen Namen und mit gehörig Selbstvertrauen, obwohl er zuvor in den kleinen Klassen nur ein einziges Rennen gewonnen hatte. Und doch stieg Quartararo in Jerez mit 20 Jahren und 14 Tagen zum jüngsten MotoGP-Polesitter aller Zeiten auf und lies im weiteren Saisonverlauf noch fünf weitere folgen. Im Rennen war er mehrfach auch ganz nah am ersten MotoGP-Sieg dran, musste sich aber immer wieder Marc Marquez geschlagen geben. Ganze fünf zweite Plätze sammelte er 2019 und allein damit ebenso viele Podestplätze wie Lorenzo 2008 insgesamt.

Fabio Quartararo scheiterte 2019 einzig an Marc Marquez mehrfach, Foto: LAT Images
Fabio Quartararo scheiterte 2019 einzig an Marc Marquez mehrfach, Foto: LAT Images

Das große Plus des späteren Dreifach-MotoGP-Weltmeisters: Lorenzo stand bereits in seinem dritten MotoGP-Rennen erstmals ganz oben auf dem Podest. In Estoril hatte er sich gegen Dani Pedrosa behauptet und Yamaha-Teamkollege Valentino Rossi um ganze 12,723 Sekunden düpiert. Früher konnte nur ein einziger MotoGP-Debütant siegen, zu diesem gleich mehr. Lorenzo legte also stark los und teilte sich zu diesem Zeitpunkt gar die WM-Führung mit Pedrosa, hatte dann aber zur Saisonmitte verletzungsbedingt einen kleinen Durchhänger. Erst im letzten Saisondrittel drehte er nochmal auf, wodurch der Mallorquiner die Debütsaison mit starken vier Pole Positions, einem Sieg und fünf Podestplätzen beendete. Übrigens erlebte auch Andrea Dovizioso als WM-Fünfter 2008 eine starke Rookiesaison, der nur 16 Punkte weniger als Lorenzo sammelte. Allerdings schaffte es 'Dovi' im Honda-Kundenteam JiR Scot Racing nur einmal auf das Podium.

Dani Pedrosa: Nur 37 Punkte vom WM-Titel entfernt

Nochmal besser gemacht als Lorenzo hatte es zwei Jahre zuvor der bereits angesprochene Dani Pedrosa. Dieser kam zwar als dreifacher Weltmeister in die MotoGP, eigentlich aber auch mit einem viel zu kleinen Körper. Das war dem 'Little Samurai' aber gänzlich egal: Schon im ersten Saisonrennen fuhr er als Zweiter auf das Podest, im vierten Anlauf gewann er in China erstmals. Ein weiterer Triumph in Donington hielt den 21-Jährigen sogar lange im WM-Kampf, erst in den letzten vier Rennen des Jahres fiel der Honda-Pilot langsam ab. Zwei Siege, acht Podien, vier Poles und nur 37 Zähler Rückstand auf Weltmeister und Teamkollege Nicky Hayden waren aber aller Ehren wert.

Dani Pedrosa gewann in China sein viertes MotoGP-Rennen, Foto: Repsol
Dani Pedrosa gewann in China sein viertes MotoGP-Rennen, Foto: Repsol

Marc Marquez: Der einzige MotoGP-Rookie-Weltmeister

Ohnehin gibt es bislang nur einen MotoGP-Rookie, der in seinem Debütjahr noch besser abschnitt als Pedrosa 2006 - und zwar ausgerechnet dessen späterer Teamkollege Marc Marquez. Das spanische Supertalent drückte der Königklasse bereits in seiner ersten Saison mit dem Repsol Honda Team den Stempel auf und veränderte sie mit seinem Fahrstil nachhaltig. Beim Saisonauftakt in Katar wurde er bereits Zweiter, beim nachfolgenden Amerika-GP in Austin siegte er dann erstmals.

Marc Marquez wurde 2013 sensationell Rookie-Weltmeister, Foto: Milagro
Marc Marquez wurde 2013 sensationell Rookie-Weltmeister, Foto: Milagro

Die MotoGP begann zu rätseln: Könnte dieses Wunderkind wirklich die versammelte Weltelite um Rossi, Lorenzo und Pedrosa düpieren? Die simple Antwort: Ja! Sechs Siege, neun Pole Positions und sensationelle 16 Podiumsankünfte bei 18 Rennen sprechen eine deutliche Sprache. Es sind Zahlen, die so nie zuvor gesehen wurden und wohl auch nie wieder gesehen werden. Mit 334 Punkten krönte sich Marquez beim Saisonfinale in Valencia mit 20 Jahren und 266 Tagen nicht nur zum jüngsten MotoGP-Weltmeister, sondern auch zum bislang einzigen Rookie-Weltmeister der MotoGP-Ära.

Ob sich Pedro Acosta 2024 in diese Liste einsortieren und ähnliche Erfolge erringen kann, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Mit der KTM RC16 scheint er jedenfalls ein konkurrenzfähiges Bike zur Verfügung zu haben, sein erster Eindruck beim Valencia-Test Ende November 2023 war positiv. Doch selbst wenn nicht: Eine erfolgreiche MotoGP-Karriere ist auch ohne starkes Rookiejahr möglich. Auch hierfür gibt es genügend Beispiele: Marco Melandri, Aleix Espargaro, Jack Miller, Maverick Vinales, Alex Rins, Joan Mir oder Francesco Bagnaia. Sie alle fuhren im ersten Jahr hinterher. Was sie seither noch erreicht haben, ist bekannt.