Honda befindet sich in der schlimmsten MotoGP-Krise seiner Geschichte und erlebt einen Tiefpunkt nach dem anderen. Die Strecke in Barcelona mit ihren niedrigen Gripverhältnissen zeigt die Defizite der RC213V doppelt und dreifach auf. Im Sprint des Katalonien GP belegten Iker Lecuona, Takaaki Nakagami und Joan Mir geschlossen die letzten Plätze. Superstar Marc Marquez schaffte es mit viel Risiko auf Rang Elf und damit dennoch nicht in die Punkte. Für Honda sieht es düster wie nie aus.

Das MotoGP-Bike der Japaner hat zahlreiche Schwächen, doch die schwerwiegendste ist der Mangel an Grip am Hinterrad. Auf der rutschigen Strecke in Barcelona leiden die Honda-Fahrer extrem. Takaaki Nakagami macht das Ausmaß des Gripmangels eindrucksvoll deutlich: "Auf der Datenanzeige sieht man nicht einmal, wenn sich der Wheelspin etwas legt. Die Messwerte sind über unserer Anzeigetafel. In sechs Jahren MotoGP habe ich so etwas noch nie gesehen."

Die Honda hat keinerlei Traktion, kann ihre Power nicht auf die Straße bringen und dreht die Reifen ständig durch. Den Japaner frustriert besonders, dass es keinerlei Aussicht auf Lösung der Probleme gibt: "Wir versuchen so viele Dinge am Setup des Bikes, aber es bleibt immer das gleiche Problem: Kein Grip. Wir versuchen wirklich verrücktes bei der Elektronik in Sachen Traktion, Drehmoment oder Kontrolle des Wheelies, aber es bleibt immer dasselbe."

Der über jede Skala gehende Wheelspin der Maschine geht so weit, dass sogar die Reifenwahl irrelevant geworden ist. "Sowohl in Österreich als auch hier hat selbst der weiche Reifen im Vergleich zum Medium keine Änderung gebracht. Es ist unglaublich. Ich kann zwischen den beiden Reifen keinen Unterschied spüren. Das ist eigentlich unmöglich, aber es ist die Realität", konstatiert der ratlose LCR-Pilot.

Takaaki Nakagami in Barcelona
Takaaki Nakagami verzweifelt mit der Honda, Foto: LAT Images

Marquez trickst mit Windschatten: Q2-Einzug keineswegs Pace der Honda

Werksfahrer Marc Marquez deklassierte seine Honda-Kollegen im Qualifying um über eine Sekunde. Der Spanier war deswegen aber keineswegs euphorisch, sondern teilte Nakagamis Einschätzung. "Die echte Leistung unseres Bikes liegt irgendwo bei (1:)39.6 oder (1:)39.8. Das war die Rundenzeit in Q2, als ich versuchte Pecco [Bagnaia, Anm. d. Red.] zu folgen. Aber schon nach drei Kurven war er weggezogen und ich war allein", wurde der Spanier im Vergleich mit dem Ducati-Weltmeister mit der Honda-Realität konfrontiert.

Zuvor hatte er sich aber mit einer deutlich schnelleren Rundenzeit im tiefen 1:39er-Bereich für das Q2 qualifiziert. Das Problem ist, dass Marquez dafür wieder einmal mit Windschatten tricksen musste: "In Q1 gelang mir eine perfekte Runde hinter einem Bike, das ein wenig langsamer war als die Ducati [Jack Miller auf der KTM, Anm. d. Red.]." Er ahnte aber schon, was danach kommen würde: "Als ich wieder in der Box war, sagte ich, dass ich gar nicht mehr rausfahren will. Ich wusste, es würde Platz 12 [in Q2, Anm. d. Red.] werden." Und so kam es dann auch.

Keine Honda-Verbesserung am Samstag, sondern volles Risiko von Marquez

Dennoch konnte er im Sprint nach gutem Start in den ersten Runden sogar um Puntke kämpfen, doch dies hielt nicht lange: "Meine Pace in den ersten fünf Runden war unglaublich. Ich fuhr komplett am Limit. Es war jederzeit möglich, einen Sturz zu haben. Als ich sah, dass ich ihnen wenigstens ein bisschen folgen konnte, bekam ich Graining. Ab da nahm ich zurück, um das Rennen zu beenden." Marquez erinnerte daran, wie weit er noch am Freitag zurücklag. Der Unterschied war einzig allein seiner Risikobereitschaft geschuldet: "Wenn ich so fahre wie gestern, dann bin ich auf dem Level des Bikes unterwegs. Nakagami, Lecuona und besonders Mir, ein Weltmeister, sind keine schlechten Fahrer. Gestern war ich bei ihnen in der Zeitenliste. Heute bin ich extra ans Limit gegangen."

Enea Bastianini vor Johann Zarco und Marc Marquez im Sprint in Barcelona
Marc Marquez musste seine Konkurrenten im Sprint irgendwann ziehen lassen, Foto: LAT Images

Doch gute Resultate im Rennen erzwingen will der sechsfache MotoGP-Weltmeister nicht mehr. Solange die Honda so schwach bleibt, kann er höchstens für kleine Highlights wie den Q2-Einzug sorgen: "In einzelnen Momenten kann ich so etwas machen. Aber ich kann nicht das ganze Wochenende so pushen. Wenn ich das mache, werde ich häufig stürzen. Heute kam ich ins Ziel, aber es hätte auch einer [ein Sturz, Anm. d. Red.] sein können."