Die Honda-Krise in der MotoGP-Saison 2023 wird immer schlimmer. Am letzten Wochenende am Sachsenring erlebte sie einen Höhepunkt: Während Werksfahrer Joan Mir und LCR-Mann Alex Rins aufgrund von Sturzverletzungen ohnehin nicht am Start waren, zog auch Starpilot Marc Marquez nach einer Serie von fünf Stürzen vor dem Sonntagsrennen zurück. Am Ende stand nurmehr Takaaki Nakagami am Start, ein Armutszeugnis für den erfolgreichsten Hersteller der Geschichte der Motorrad-WM.

Eine Woche später in Assen ist Marquez zurück, aber die Honda-Teams sind per Reglement auch dazu verpflichtet, Ersatzfahrer für Mir und Rins an den Start zu bringen. Im Werksteam wird dies Honda-Superbike-Pilot Iker Lecuona sein. Bei LCR kommt ein alter Bekannter des Teams zum Zuge: Testfahrer Stefan Bradl. Der Deutsche war von 2012 bis 2014 Stammfahrer der Mannschaft von Lucio Cecchinello. Zuletzt war er 2018 in Valencia für LCR am Start, damals vertrat er Cal Crutchlow. Auch wenn das fast fünf Jahre her ist, erwartet Bradl keine Probleme: "Es ist schön, wieder bei diesem Team zu sein. Es fühlt sich gut an, diese Farben zu tragen. Ich bin zurück in der Familie. Wir blieben die ganze Zeit in Kontakt, also kenne ich alle Jungs hier. Es ist nicht so, dass ich komplett nervös in die Garage gehe. Alles fühlt sich vertraut an."

Bradls Ziel in Assen: Job machen und gesund bleiben

Nervosität herrscht allerdings bei allen Honda-Fahrern aufgrund der akuten Sturzgefahr, die aktuell bei der RC213V immer mitfährt. Auch Bradl konnte und wollte dies nicht verbergen: "Wir wissen, dass die Situation gerade nicht leicht ist. Alles was wir tun können, ist ruhig zu bleiben, unseren Job zu machen und zu versuchen, gesund zu bleiben." Der 33-Jährige wird daher auch nicht volles Risiko gehen: "Ich weiß um die Schwächen des Bikes und so werde ich auch fahren. Ich habe nicht vor, mich an diesem Wochenende selbst zu zerstören. Es ist eine Zeit des Überlebens, die wir durchmachen."

Am Sachsenring gab Bradl deswegen sogar in seiner Funktion als Experte bei Servus TV zu, dass er aktuell lieber nicht auf der Honda sitzen würde. Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com erklärte er seine Aussage: "Das habe ich im Sinne von Marc gemeint, denn sein Anspruch ist ein anderer als meiner." Von Marc Marquez werden logischerweise Spitzenresultate erwartet, beim Testfahrer Hondas gibt es eine andere Priorität: "Ich muss zusehen, dass ich fit bleibe und das Projekt weiter am Laufen halte. Unser japanischer Testfahrer Nagashima ist aktuell verletzt."

Stefan Bradl ist normalerweise Fahrer des Honda-Test-Teams, Foto: Tobias Linke
Stefan Bradl ist normalerweise Fahrer des Honda-Test-Teams, Foto: Tobias Linke

Dennoch stellte Bradl klar, dass er trotz aller gegebener Vorsicht und anderer Ansprüche als die der Werksfahrer nicht zum Bummeln in Assen antritt: "Wenn sich die Chance ergibt, dann ist es [das Rennfahrergen, Anm. d. Red.] noch da. Wenn ich jemanden vor mir sehe, dann will ich rankommen. Wenn ich das nicht mehr hätte, dann hilft auch das Testen nichts. Dann fahre ich drei Sekunden langsamer und denke mir: Schön! Aber bringen tut das nichts. Die Motivation kommt automatisch, sobald du auf dem Bike sitzt."

Honda arbeitet an Verbesserungen, aber keine großen Schritte in Assen zu erwarten

Damit bei Honda langsam Besserung eintritt war Bradl vor der Dutch TT bereits eineinhalb Tage zum Testen in Misano. Einer der Gründe für die Sturzgefahr der Honda sind Elektronikaussetzer. Genau daran wurde gearbeitet: "Wir haben mit der Elektronik herumgespielt. Da ist nicht gerade das Spannendste für einen Testfahrer. Am Ende will ich aber helfen und wenn es das Beste für die Sicherheit und Gesundheit unserer Fahrer ist, dann mache ich das."

Die Sturzgefahr ist das eine, aber das Speed-Defizit der Honda hat andere Gründe: "Es ist ehrlicherweise nicht die Elektronik, die uns zurückhält. Was wir brauchen, ist viel mehr Grip am Hinterreifen." Auch hier hat Honda etwas im Gepäck, doch den heiligen Update-Gral haben die Japaner in Misano nicht gefunden: "Ein paar Teile waren hilfreich und wir werden sie auch schon dieses Wochenende nutzen können. Aber es ist nichts Weltbewegendes, da müssen wir realistisch sein. Es wird unser Bike nicht komplett verändert, aber es gibt Positives." Honda und seinen Fahrern wird momentan aber jeder Strohhalm recht sein, an den sie sich klammern können.