Der 14. Saisonlauf der MotoGP im Motorland Aragon nahe der spanischen Stadt Alcaniz hatte es mehr als nur in sich. Spektakuläre Duelle an der Spitze, heftige Stürze, plötzlicher Wetterwandel, verrückte Taktikspiele und ein kaum für möglich gehaltenes Endergebnis werden das 800. Rennen der MotoGP-Geschichte noch lange in der Erinnerung verankert lassen. Motorsport-Magazin.com analysiert das verrückte Rennende des Spanien-Spektakels.

Vor dem Regen: Zwei Horrorstürze und 'business as usual'

Der Rennbeginn hatte aus sportlicher Sicht keine großen Überraschungen zu bieten. Bereits Ende der zweiten Runde lagen mit Marc Marquez, Jorge Lorenzo und Dani Pedrosa die drei Dominatoren des Sonntags an der Spitze. Nachdem in Runde zwei mit Andrea Iannone der Führende nach einem Umlauf durch einen Fahrfehler spektakulär abflog, tat es ihm nur eine Runde später ausgerechnet Landsmann und Mugello-Sieger Valentino Rossi gleich.

Unmittelbar nach dem Start formierten sich die Favoriten erwartungsgemäß an der Spitze, Foto: Repsol Honda
Unmittelbar nach dem Start formierten sich die Favoriten erwartungsgemäß an der Spitze, Foto: Repsol Honda

Iannone kam nach einem Zweikampf mit Marquez von der Strecke ab und stürzte heftig auf dem Kunstrasen, Rossi kopierte dies bei einem Überholversuch gegen Pedrosa. Bis zum Beginn des Regens in Runde 13 von 23 hatten sich die Top-3, mit Ausnahme von zwei Führungsrunden Lorenzos, mehr oder minder stabil auf ihren Positionen gehalten.

Während das Spitzentrio kontinuierlich innerhalb einer Sekunde lag, betrug der Rückstand des zu diesem Zeitpunkt viertplatzierten Andrea Dovizioso jedoch bereits über neun Sekunden. Crutchlow und Espargaro auf den Rängen acht und neun spielten bis dahin keine Rolle, während Stefan Bradl als Sechster zumindest eine bis zu diesem Punkt passable Performance erbrachte.

Position vor dem RegenFahrerRückstand
1.Marquez-
2.Lorenzo 0.610
3.Pedrosa 1.060
6.Bradl13.783
8.Crutchlow14.288
9. A. Espargaro 14.497

Feuchte Strecke: Repsol-Boys dominieren zunächst

Bei nasser Strecke waren die Repsol-Honda-Stars zunächst eine Klasse für sich, Foto: Milagro
Bei nasser Strecke waren die Repsol-Honda-Stars zunächst eine Klasse für sich, Foto: Milagro

Über die nächsten fünf Umläufe nahm der Regen dann kontinuierlich zu, was sich zusehends auf die Rundenzeiten der Piloten an der Spitze auswirkte. Hatte Lorenzo dank der weicheren Reifen (vorne: weich, hinten: medium) bis dato etwas überraschend gegen die überlegenen Werks-Hondas (vorne: medium, hinten: hart) mitgehalten, musste der Yamaha-Star plötzlich doch stark abreisen lassen.

Kurios: In Runde 15 überließ Marquez Lorenzo zunächst noch einmal die Führung, um ihn quasi als 'Versuchskaninchen' auf dem immer feuchteren und rutschigeren Kurs vorauszuschicken. Nach nur einem Umlauf riss der WM-Leader aber wieder das Heft an sich, da er merkte, dass die Honda RC213V nun deutlich im Vorteil war. Auch Pedrosa, bis dahin permanent Dritter, schnappte sich Lorenzo. Nach einem sehenswerten Duell gegen Marquez über mehrere Kurven ging er gar für zwei Runden in Führung.

Runde 19: Lorenzo mit entscheidendem Schachzug

Nachdem der Rückstand des vier Runden vor Ende deutlich unterlegenen Lorenzos zwischen Umlauf 16 und 19 bereits auf knapp fünf Sekunden angewachsen war, entschied er sich bei nun sehr starkem Regen über dem Kurs, für einen Wechsel auf das Nummer-2-Bike an die Box zu kommen. Bereits in Runde 17 war der bis dato Sechstplatzierte Aleix Espargaro an die Box gekommen. In Umlauf 18 folgten dann Crutchlow und Bradl.

Auf Regenreifen sicherte sich Jorge Lorenzo problemlos den Sieg, Foto: Milagro
Auf Regenreifen sicherte sich Jorge Lorenzo problemlos den Sieg, Foto: Milagro

Im Glauben an die eigene Überlegenheit und durch eine gravierende Fehleinschätzung entschieden sich die beiden Honda-Werkspiloten als einzige verbliebene Fahrer zu diesem Zeitpunkt, weiter draußen zu bleiben. Nur wenige Sekunden später stürzte Pedrosa zu Beginn der 20. Runde und verabschiedete sich so aus dem Spitzenkampf. Marquez, der am Ende desselben Umlaufs trotz Slicks noch immer einen Vorsprung von über 23 Sekunden vor Lorenzo hatte, entschied sich trotz strömenden Regens fatalerweise für eine weitere Runde - und stürzte prompt.

Lorenzo hatte an der Spitze nun leichtes Spiel und fuhr problemlos mit über zehn Sekunden Vorsprung seinen ersten Saisonsieg und den ersten Triumph für sich und Yamaha im Motorland Aragon nach Hause.

Aufgelöst: Das brachte ein früherer Bike-Wechsel an der Spitze

Durch seinen frühen Bike-Wechsel in Runde 17 fiel Espargaro zwar von Rang sechs bis auf Rang zwölf zurück, wie groß der Vorteil der Regenreifen gegenüber den Slicks zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits war, zeigt ein Rundenvergleich der Umläufe 17-20 mit dem führenden Honda-Piloten Marquez.

Runde EspargaroRunde MarquezRückstand
1:58.2452:02.05119.195
2:03.3482:26.87442.782
2:08.8452:04.503 38.253
2:15.9792:04.51426.788

Alleine in Runde 20 verlor Marquez unglaubliche 11,5 Sekunden auf Espargaro, während das Defizit in Runde 19 mit knapp über 4 Sekunden bei der geringen Restdistanz durchaus noch annehmbar gewesen wäre. Dies zeigt einmal mehr das goldene Händchen Lorenzos am Sonntag, der quasi auf die Sekunde genau den letztmöglichen Zeitpunkt für die Einfahrt in die Boxengasse wahrnahm. Gleichzeitig beweist ein Blick auf die Tabelle das totale Honda-Fiasko: Selbst ohne Stürze wären Marquez und Pedrosa weit durchgereicht worden.

Nach seinem Sturz hätte sich Marc Marquez am liebsten im Erdboden vergraben, Foto: Milagro
Nach seinem Sturz hätte sich Marc Marquez am liebsten im Erdboden vergraben, Foto: Milagro

Wie kamen Aleix Espargaro und Crutchlow noch auf das Podest?

Innerhalb von nur drei Runden schob sich Espargaro von Rang zwölf auf Rang zwei nach vorne, was den Boxenstopps von sieben Kontrahenten sowie den Stürzen von Dovizioso, Pedrosa und Marquez geschuldet war. Effektiv machte Espargaro durch seinen früheren Stopp auf der Strecke jedoch nur eine Position innerhalb dieser Runden gut. Ausgerechnet Bruder Pol wurde für seinen späten Stopp in Runde 19 bestraft.

Crutchlow hingegen fuhr in Runde 18 auf Position sieben liegend an die Box, überholte somit ebenfalls Pol Espargaro und lag nach den Stürzen der drei Top-Piloten drei Runden vor Ende auf Rang drei. Durch seine überlegene Regenperformance gegenüber Aleix Espargaro machte der Engländer in drei Umläufen knapp drei Sekunden auf den Spanier gut, scheiterte jedoch nach beinhartem Kampf auf der Start-und-Zielgeraden letztlich um 17 (!) Tausendstelsekunden an Rang zwei.

Aleix Espargaro gewann das beinharte Duell gegen Cal Crutchlow auf der letzten Rille, Foto: Milagro
Aleix Espargaro gewann das beinharte Duell gegen Cal Crutchlow auf der letzten Rille, Foto: Milagro

Stefan Bradl, der mit Einsetzen des Regens in Runde 13 zunächst komplett den Faden verlor, scheiterte letztlich an seiner vorsichtigen Herangehensweise. Innerhalb von nur vier Runden büßte er auf Espargaro und Crutchlow über zwei Sekunden ein, rutschte von Rang sechs auf Platz zehn ab. Durch den gut getimeten Boxenstopp sowie die Stürze vor ihm scheiterte er letztlich lediglich um 1,4 Sekunden an Rang zwei.