Eine lange Tradition ist nicht immer alles. Doch der Sachsenring besticht mit leidenschaftlichen Fans, die schon seit fast einem Jahrhundert in Scharen nach Hohenstein-Ernstthal pilgern und ihren Lieblingsfahrern bei spannenden Rennen zujubeln. Doch nicht nur die Zuschauer sind etwas Besonderes, sondern auch der Kurs in Sachsen selbst. 14 Links- und 10 Rechtskurven zeichnen das außergewöhnliche Layout aus. Mit nur 3,671 km Länge zählt der Sachsenring zu den kürzesten Strecken im Rennkalender und doch sind sich Fahrer, Teams und Fans einig: Der Sachsenring ist einzigartig und keinesfalls wegzudenken.

Jorge Lorenzo stürzte direkt auf seine Metallplatte, Foto: Yamaha Factory Racing
Jorge Lorenzo stürzte direkt auf seine Metallplatte, Foto: Yamaha Factory Racing

"Wir sind seit Jahrzehnten mit Rennbenzin im Blut aufgewachsen. Uns würde einfach etwas fehlen, wenn es den Grand Prix nicht mehr gäbe. Deshalb sind ja auch 2011 tausende Menschen auf die Straße gegangen, um für den Erhalt des Grand Prix zu demonstrieren", erklärt Wolfgang Streubel, der Geschäftsführer der SRM - Sachsenring-Rennstrecken-Management GmbH. Der Deutschland Grand Prix war auch 2013 ein voller Erfolg. "Wir haben uns alle über den größeren Zuspruch gefreut und hoffen, dass es auch in den Folgejahren so bleibt", spielt Streubel auf die angestiegenen Zuschauerzahlen an, die am besagten Juli-Wochenende bei 204.491 lagen.

Dennoch hagelt es seit Jahren Kritik, die sich beim Deutschland GP in diesem Jahr noch zuspitzte. "Es ist hier immer kritisch, weil es zu viele Linkskurven gibt. Deshalb ist der Sachsenring auch ganz und gar nicht meine Lieblingsstrecke", äußert Stefan Bradl. Auch Valentino Rossi stellte nach 30 Stürzen am diesjährigen Sachsenring-Wochenende fest, dass das schlichtweg zu viel sei. Gefährlichster Punkte der Strecke ist Kurve elf. "Dort schaut man eigentlich in jeder Runde, ob es eine gelbe Flagge gibt. Ansonsten versucht man einfach, nicht zu stürzen. Bei jedem Sturz hat man mehr Angst", verriet der Italiener.

"Ich finde diese Kurve gefährlich. Man fährt dort sehr schnell bergab und kommt nach sieben oder acht Linkskurven rein, also ist der rechte Teil des Reifen kalt", beschreibt der neunfache Weltmeister das Grundproblem, das auch Cal Crutchlow zu Fall brachte. "Wir sind hier in den Kurven eins und vier einfach nicht schnell genug, um die Reifen ausreichend aufzuheizen", meint der Brite selbst. Nicht nur die Fahrer, sondern auch die Verantwortlichen bemerkten die gestiegene Sturz-Zahl. "Es gab speziell in der MotoGP mehr Trainingsstürze in Kurve elf, die auch die Sicherheitskommission auf den Plan rief", erklärt Streubel. Kurve elf auf dem Sachsenring gehört laut Javier Alonso momentan zu den anspruchsvollsten Kurven der gesamten Meisterschaft. Der Veranstaltungschef der Dorna schildert: "Dass sie anspruchsvoll ist, macht sie manchmal auch unsicher und in diesem Jahr hatten wir viele Stürze an dieser Stelle. Auch das Tempo in dieser speziellen Kurve macht sie gefährlich."

Fast selbstverständlich verletzte sich auch Dani Pedrosa, Foto: Repsol Honda
Fast selbstverständlich verletzte sich auch Dani Pedrosa, Foto: Repsol Honda

Rossi findet schnell eine Ursache: "Das Problem liegt zwischen den Reifen und der Strecke: Bridgestone-Reifen brauchen Temperatur, um arbeiten zu können." Da vor Turn elf nur drei Rechtskurven gefahren werden, stürzen die meisten Fahrer über die kalte rechte Flanke. "Wir müssen mit Bridgestone arbeiten, um einen speziell auf solche Situationen ausgerichteten Vorderreifen zu entwickeln", schlägt er eine erste Lösung vor. "Die Strecke ist aber nicht gefährlicher als andere." Der 34-Jährige ist sich sicher, dass ein Umbau der Kurve schwieriger wäre, als die Entwicklung eines neuen Vorderreifens.

"Dennoch könnte ein Umbau eine Option sein. Alles, was man macht, hemmt aber das Fahrgefühl dort, denn die Kurve ist eigentlich fantastisch. Die Sicherheit ist allerdings wichtiger als der Fahrspaß. Man könnte das Layout beibehalten, aber die Kurve einfach spiegeln - ich weiß aber nicht, inwiefern das umsetzbar wäre", grübelt Rossi, der nicht der einzige Fan der speziellen Kehre ist. "Ich mag schnelle Kurven, deshalb würde ich Kurve elf nicht unbedingt verändern. Allerdings haben wir dort in den vergangenen Jahren sehr viele Stürze gesehen. Vor allem hat man dort keine Zeit, einen Crash abzufangen - das geht in dieser Kurve einfach nicht. Ich finde an Turn elf nichts falsch, ich würde sie nur deshalb verändern, weil es dort so viele Unfälle gab", äußert Crutchlow.

Auch Andrea Iannone startete nicht auf dem Sachsenring, Foto: Pramac Racing
Auch Andrea Iannone startete nicht auf dem Sachsenring, Foto: Pramac Racing

Wie seine Kollegen denkt auch Bradl darüber nach, was man an Kurve elf ändern könnte. "Diese Passage ist auch sehr reizvoll, weil sie unheimlich viel Spaß macht. Ich würde nicht unbedingt Kurve elf verändern, sondern stattdessen eine andere Rechtskurve einbauen." Am Sachsenring herrscht aber bekanntlich ein gewisser Platzmangel, was auch der Lokalmatador schnell einsieht. "Das wird schwierig umzusetzen sein." Über eine Änderung macht sich Marc Marquez kaum Gedanken. Nach seinem Sieg sagte der MotoGP-Rookie: "Ich finde Kurve elf anspruchsvoll. Problematisch ist, dass man sie nach so vielen Linkskurven anfährt. Auch kommt man auf die Kerbs, sollte man dort also die Front verlieren, stürzt man unweigerlich. Ich mag die Kurve, obwohl ich dort in der Moto2 schon heftig abgeflogen bin. Es gibt aber eine große Auslaufzone, daher ist diese Passage nicht gefährlich."

Das hohe Sturzrisiko ist dennoch nicht zu leugnen. "Die Kurve wurde schon immer von den Fahrern als schwierig, aber auch interessant bezeichnet. Jahr für Jahr werden die Geschwindigkeiten höher und das Vorderrad durch die Beschleunigung und das folgende Gefälle immer mehr entlastet. Wenn dann nach sieben Linkskurven diese Rechtskurve kommt, hat der Reifen nicht den notwendigen Grip. Aber im Rennen gab es keine Stürze in dieser Kurve. Ein Indiz dafür, dass die Kurve selbst nicht das Problem ist, sondern das Zusammenwirken verschiedener Ursachen", stellte SRM-Geschäftsführer Streubel fest.

Nach einem Treffen der Sicherheitskommission wurde beschlossen, dass etwas geändert werden muss. "Franco Uncini teilte uns mit, dass wir schon ab Kurve neun die Geschwindigkeit durch eine veränderte Linienführung reduzieren sollten. Dazu haben wir Lösungsvorschläge erarbeitet", so Streubel. Auch der Veranstaltungschef der Dorna bestätigte dem Motorsport-Magazin, dass sich Promoter und Organisatoren im Gespräch befinden. "Wir versuchen, eine Lösung zu finden, um diese Kurve sicherer zu machen. Wir haben gemeinsam mit den Organisatoren schon einige Ideen. Eine davon ist, zu versuchen, das Tempo am Eingang dieser Kurve zu verringern, aber ohne etwas am Streckenlayout zu verändern. Wir könnten die Strecke in Kurve neun und elf etwas enger machen, dadurch würden die Fahrer mit etwas weniger Geschwindigkeit in dieser gefährlichen Kurve ankommen."

Außerdem plant Alonso, mit Bridgestone zu sprechen. Der alleinige Reifenlieferant soll für die MotoGP-Prototypen einen asymmetrischen Vorderreifen herstellen, der zuvor ausgiebig getestet wird. "Wir hatten in dieser Kurve in diesem Jahr viele Stürze, aber keine wirklich gefährlichen Abflüge. Also keine Stürze, die die Fahrer echt in Gefahr brachten, weil zum Beispiel die Auslaufzone zu klein ist, der Asphalt Unebenheiten aufweist oder die Sicherheitsbarriere zu dicht an der Strecke stand. Aber das ist eine Herausforderung, nichts, das wir als Sicherheitsproblem bezeichnen würden", so der Veranstaltungschef. Die Dorna ist also zuversichtlich. Auch die Sachsenring-Rennstrecken-Management GmbH sieht keine großen Probleme. "Ein Umbau der Kurve elf wurde weder von den Fahrern noch vom Safety Officer gefordert", so Streubel. "Wir gehen davon aus, dass durch Verlegung der Kerbs die gewünschte Geschwindigkeitsreduzierung erreicht wird. In Verbindung mit dem Einsatz von Dualreifen mit einer weicheren rechten Flanke sollte das Problem zu beheben sein."

Alonso glaubt nicht, dass die vielen Stürze in diesem Jahr auf den Zustand der Strecke zurückzuführen waren. "Das lag vorrangig am Wetter an diesem Wochenende. Dadurch waren die Stürze in einigen Fällen regelrecht programmiert. Wir haben Daten aus vielen Jahren und es variiert einfach von Jahr zu Jahr." Auch einer Vertragsverlängerung nach 2016 stehe nichts im Wege. "Bis jetzt sind uns keine Forderungen bekannt, die eine Verlängerung behindern würden", bestätigt Streubel, während Alonso erst einmal auf 2014 blickt: "Wir machen uns keine Sorgen, denn wir denken, wir können eine Übereinkunft treffen und versuchen, schon für das nächste Jahr die beste Lösung zu finden."

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