Er gilt als das Superhirn, der Strategieguru der Formel 1. Aber auch Ross Brawn muss sich für die neue Saison neue Tricks einfallen lassen. Durch das Tankverbot während der Rennen erwartet die Fahrer und Teams eine gänzlich neue Herausforderung. "Das Hauptziel wird es sein, das Auto im Renntrim hinzubekommen", sagt Brawn. Das Qualifying ist zwar wichtig für die Startposition, aber es wird in diesem Jahr auch mit einem fast leeren Tank gefahren - also mit einem ganz anderen Auto als dann im Rennen, wenn 150 bis 160 Kilo im Tank sein werden.

Auf das Rennen setzen

"Wenn ein Auto am Start nicht ausbalanciert ist, zerstörst du die Reifen", mahnt Brawn. Damit sei dann auch das Rennen gelaufen. Für das Qualifying werde man die Autos wohl im Rahmen der Regeln anpassen, also beim Reifendruck und am Frontflügel, aber ansonsten liegt die Konzentration auf einem guten Setup fürs Rennen. "Man könnte auch aufs Qualifying setzen, bräuchte dann aber Glück im Rennen." Glück gehört aber nicht zu den Faktoren, die Brawn in seine Strategien einfließen lässt. "Mein Instinkt sagt mir, dass man auf das Rennen setzen sollte."

Angesichts geringer Trainingszeiten zum Rennzeitpunkt, nämlich am Nachmittag, wird Erfahrung viel zählen, allerdings haben alle Toppiloten aus Brawns Sicht genügend Erfahrung, so dass etwa Michael Schumacher davon nicht allzu sehr profitieren sollte. "Überhaupt lässt sich vieles nur schwer vorhersagen", betont Brawn. "Vielleicht gibt es am Samstagabend einen Regenschauer, der die Strecke abwäscht und dann sind die Reifen nach 10 Runden zerstört."

Reagieren statt vorausplanen

Die Reifen nehmen eine entscheidende Rolle bei der Strategie ein., Foto: Sutton
Die Reifen nehmen eine entscheidende Rolle bei der Strategie ein., Foto: Sutton

In diesem Jahr werde die Strategie weniger im Vorfeld festgelegt, als im Laufe des Rennens selbst. "Man muss auf die Situationen reagieren, kann nicht so viel im Voraus planen." Brawn nennt ein Beispiel: "Der erste Stint wird schmerzhaft sein, mit viel Benzin und schnell abbauenden Reifen. Derzeit fallen die Rundenzeiten nach 10 Runden ab." Deshalb müssen die Fahrer das richtige Fenster für den Reifenwechsel finden. "Aber mit anderen Fahrern hinter dir, kannst du dir das nicht leisten."

Gründsätzlich stimmt Brawn der Aussage seines Williams-Kollegen Sam Michael zu, dass die Tendenz hin zu Einstopprennen gehen wird. "Es wird Rennen geben, wo ein Stopp reichen wird, ich schließe aber zwei Stopps bei einigen Rennen nicht ganz aus", betont er. "Beim ersten Stopp muss man auf die anderen reagieren. Hat der andere freie Fahrt und ist zwei Sekunden schneller oder bleibt man selbst länger draußen und kann dann bis zum Ende mit frischeren Reifen durchfahren, ohne dass sie abbauen und ein zweiter Stopp nötig wird?"

Knifflige Strategiefrage

Im letzten Jahr habe der Fahrer nach einem Boxenstopp keinen allzu großen Nachteil gehabt. "Dieses Jahr wird der Unterschied pro Boxenstopp größer sein", sagt Brawn voraus. "Durch die neuen Reifen wird die Rundenzeit ein oder zwei Sekunden schneller sein."

Umso kniffliger wird es, die richtige Strategie und den richtigen Zeitpunkt für den Stopp zu ermitteln. "Wer die Reifen zu früh wechselt, kann vielleicht nicht mit dem zweiten Satz zu Ende fahren", erinnert Brawn. "Wenn die Reifen in den letzten 10 Runden auseinanderfallen, ist man anfällig für jemanden, der später gestoppt hat." Brawn hält diese Aussichten für faszinierend. Das Superhirn hat neues Futter erhalten.