Wenn Michael Schumacher eine Handlung in seiner Karriere ungeschehen machen könnte, einen Tag noch einmal erleben, den Ablauf eines Tages verändern könnte, dann wäre es ganz gewiss der 26. Oktober des Jahres 1997. Er sagt: "Wenn es eine Sache gäbe in meiner Formel 1-Zeit, die ich ungeschehen machen könnte, würde ich Jerez wählen."

Mit einem WM-Punkt Vorsprung reist Schumacher Ende Oktober zum WM-Finale nach Jerez. Die Rechnung ist einfach: wenn er vor Jacques Villeneuve ins Ziel kommt, ist er zum dritten Mal Formel 1-Weltmeister, zum ersten Mal mit Ferrari. 47 Runden geht alles gut. In Runde 48 kommt es zur Kollision. Villeneuve ist klar schneller, greift an und Schumacher zieht rein. Nach dem Einschlag in den Seitenkasten des Williams fliegt der Ferrari ins Kiesbett. Villeneuve kann weiterfahren und wird in seiner zweiten F1-Saison Weltmeister.

Die Titelrivalen: Michael Schumacher und Jacques Villeneuve., Foto: Sutton
Die Titelrivalen: Michael Schumacher und Jacques Villeneuve., Foto: Sutton

Die Weltpresse und weite Teile des Fahrerlagers sind empört. Michael versteht die Verärgerung zunächst nicht, erkennt nicht, dass er einen Fehler begangen hat. "Ich habe es wahrscheinlich nicht wahrhaben wollen", gesteht er später. "Ich habe auch zunächst wirklich gedacht, Jacques Villeneuve sei noch gar nicht vor mir gewesen, und es sei korrekt gewesen, sich zu wehren." Auch die Rennkommissare sprechen bei der Anhörung nach dem Rennen von einem ganz normalen Rennunfall. "Erst am Abend bröckelte meine falsche Überzeugung zum ersten Mal. Ich kann mich genau daran erinnern, weil ich im ersten Moment aus allen Wolken fiel, als unser Präsident Luca di Montezemolo irgendwann sinngemäß zu mir sagte: Mensch, was hast du da bloß gemacht - und ich dachte: Wie bitte? Wieso bin ich jetzt der Idiot?" Im Lauf der nächsten Wochen erkennt Michael, dass er im Unrecht war, "dass es ein Fehler war", der die FIA dazu veranlasst, ihm den Vizeweltmeistertitel abzuerkennen.

Zu Saisonbeginn sieht die Welt noch besser aus: ein neues Auto, mit Rory Byrne und Ross Brawn neue, alte Bekannte aus der erfolgreichen Benetton-Zeit - Ferrari schickt sich an, zu jenem Dreamteam zu werden, das in einigen Jahren die Formel 1-Welt dominieren wird. Den ersten Saisonsieg schnappt sich Michael in Monaco. Damit übernimmt er auch zum ersten Mal die WM-Führung. Allerdings nur für kurze Zeit, in Barcelona schlägt Villeneuve zurück, danach setzt sich aber Michael mit Siegen in Kanada und Frankreich bis in den Herbst an der Spitze fest. Doch es sind hart erkämpfte Siege.

Die Wende kommt am A1-Ring. Michael erhält eine 10 Sekunden-Strafe, weil er Heinz-Harald Frentzen unter Gelb überholt. Am Ende springt nur Platz 6 heraus. Beim Heim-GP am Nürburgring scheidet er schon kurz nach dem Start nach einer Kollision mit seinem Bruder Ralf Schumacher aus. Plötzlich liegt Villeneuve neun Punkte vor Michael.

Michael Schumacher muss den Rest des Rennens von draußen verfolgen., Foto: Sutton
Michael Schumacher muss den Rest des Rennens von draußen verfolgen., Foto: Sutton

Der F1-Tross reist zum vorletzten Rennen nach Suzuka. Dort begeht Villeneuve einen Fehler: er überfährt zum wiederholten Male eine gelbe Flagge, obwohl er noch unter Bewährung fährt. Er wird zunächst disqualifiziert, darf dann aber als eine Art Geisterfahrer am Rennen teilnehmen, weil sein Team Protest gegen die Strafe eingelegt hat. Diesen zieht Williams aus Angst vor einer Sperre für das WM-Finale jedoch zurück. So fährt Michael als WM-Führender wie 1994 mit einem Zähler Vorsprung zum Saisonfinale.

Das WM-Finale beginnt mit einem Qualifyingkrimi: Jacques Villeneuve, Heinz-Harald Frentzen und Michael fahren bis auf die Tausendstelsekunde identische Rundenzeiten. Die Top-3-Startpositionen werden in der Reihenfolge vergeben, in welcher die Piloten die dreifache Polezeit zuerst gefahren sind. Das Ende des WM-Finales an jenem 26. Oktober ist dann ebenfalls ein Krimi, allerdings ohne Happy End.

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