Damit hätte selbst der Optimist in Michael Schumacher niemals gerechnet. Keinen Pfennig hätte er vor dem Großen Preis von Spanien 1996 auf sich und Ferrari gesetzt - egal ob im Trockenen oder im Regen. Kupplungsprobleme am Start und etliche Platzverluste in der Gischt auf dem Weg zur ersten Kurve geben ihm recht. Dann das rote Wunder von Montmelo: Michael kommt immer besser in Fahrt, überholt einen Gegner nach dem anderen. Mit 45 Sekunden Vorsprung gewinnt er zum ersten Mal für Ferrari.

Michael Schumacher war der Regenkönig von Barcelona., Foto: Sutton
Michael Schumacher war der Regenkönig von Barcelona., Foto: Sutton

"Das ist unglaublich, es ist ein tolles Gefühl", sagt er. "Ich kann es mit Worten kaum beschreiben." Besonders angesichts der Tatsache, dass er ab Runde 35 komische Geräusche aus dem Heck seines Autos vernimmt. "Der Ferrari ist von da an nur noch mit acht, statt mit zehn Zylindern gefahren. Mir haben dadurch auf der Geraden rund 10 Stundenkilometer gefehlt. Ich habe nur noch gebetet, dass das Auto hält." Es hält - diesmal.

Vor und nach diesem Rennen sieht das ganz anders aus. Schon beim Saisonauftakt in Melbourne bestätigt sich, dass Michael und Ferrari eine harte Saison bevorsteht. Die Ferrari-Ära beginnt wenig verheißungsvoll: ein Bremsdefekt führt zum Ausfall.

In diesem Trott geht es weiter: Der Ferrari ist zu langsam und viel zu unzuverlässig. In Argentinien bricht der Heckflügel, in Imola explodiert eine Bremsscheibe, in Kanada fliegt die Antriebswelle aus dem Auto, in Frankreich schafft Michael noch nicht einmal die Einführungsrunde - Motorschaden. In Silverstone scheidet er mit einem Hydraulikdefekt aus. In Monaco macht er einen seiner wenigen Fehler. Auf einem rutschigen Kerb rutscht er früh in die Leitplanke. Aber Michael stellt sich schützend vor Teamchef Jean Todt, dessen Kopf die italienische Presse nach der Defekt- und Pannenserie rollen sehen will.

In späteren Jahren wird Michael saisonübergreifend keine technischen Defekte in Rennen haben, doch bis dahin vergeht noch viel Zeit, fließt noch viel Schweiß in Maranello. Zumindest zwei Podestplätze am Nürburgring und in Imola machen Hoffnung - immerhin sind das die ersten Heimspiele für Michael und Ferrari. Noch besser läuft es auf Michaels Lieblingskurs in Spa-Francorchamps und im Ferrari-Mekka in Monza: beide Male siegt Michael und holt damit die unerwarteten Saisonsiege zwei und drei.

Schumachers erster Ferrari war nicht so gut wie erhofft., Foto: Sutton
Schumachers erster Ferrari war nicht so gut wie erhofft., Foto: Sutton

Der Triumph in Monza ist der erste Ferrari-Sieg beim Italien GP seit dem Doppelsieg von Gerhard Berger und Michele Alboreto 1988; damals kurz nach dem Tod des Commendatore, Enzo Ferrari. In Monza gibt Michael auch bekannt, dass er und Corinna Nachwuchs erwarten. Im Februar des kommenden Jahres erblickt Töchterchen Gina-Maria das Licht der Welt. "In Monza mit einem Ferrari zu gewinnen, das ist einfach das Größte", jubelt Michael. "Dass ich dazu mein Glück verkünden konnte, Vater zu werden, ist noch ein zusätzliches Geschenk."

In der WM beschenkt sich Michael im Endklassement mit Platz drei - hinter den beiden Titelrivalen Damon Hill und Jacques Villeneuve. Gegen sie hat er keine Chance. Wunder dauern eben etwas länger. Doch Michael kündigt an: der WM-Pokal sei nur verliehen; nur die genaue Verleihdauer steht noch nicht fest.

Lesen Sie morgen: Schumachers Karriere - Teil 9: 1997