Wie beurteilen Sie das Rennen Ihrer Fahrer in Singapur?
Christian Horner: Beide Fahrer starteten von der schmutzigen Seite, verloren jeweils einen Platz an Nico Rosberg respektive Fernando Alonso. Mark [Webber] griff Alonso in der ersten Runde an, wobei beide in Kurve 7 neben die Strecke kamen. Es war ein Rennzwischenfall, aber leider wurde ihm einige Runden später gesagt, dass er Alonso wieder vorbeilassen sollte. Da war Timo Glock aber zwischen ihnen. Deshalb musste er beide vorbeilassen und verlor viel Zeit. Das war frustrierend. Sebastian [Vettel] hielt locker mit Rosberg mit, der einen Fehler nach seinem Boxenstopp machte. So konnte Sebastian viel Druck auf Lewis Hamilton ausüben. Das Auto funktionierte sehr gut. Beim letzten Stopp bekamen wir leider eine Strafe, was sehr frustrierend ist.

Wie kam es dazu? War es ein Elektronikfehler oder ein Fehler des Fahrers?
Christian Horner: Wir waren bei der Rennleitung, da unsere Daten zeigen, dass das Auto nicht schneller als 100 km/h gefahren ist. Wir wollten nur eine Klarstellung haben. Das Problem ist, dass Sebastian die Boxeneinfahrt leicht geschnitten hat und so wie die Zeitmessung gelegt ist, fuhr er vielleicht einen engeren Winkel, was sie als höhere Geschwindigkeit interpretierten. Aber laut den Daten aus dem Auto fuhr er nie schneller als 100 km/h. Wir baten die FIA, es sich anzuschauen und es zu erklären. Denn wir verstehen es nicht. Unsere Daten sagen, dass wir unter dem Limit waren, ihre Daten sagen, dass wir darüber waren. Wir werden eine eigene Analyse anstrengen, um herauszufinden, ob Sebastian abgekürzt hat oder was er im Vergleich zu anderen Fahrern anders gemacht hat. Das ist frustrierend, denn Sebastian hat nichts anders gemacht als beim vorherigen Stopp.

Danach lief es nicht mehr rund...
Christian Horner: Ja, danach kam er neben die Strecke und verlor einige Teile des Diffusors, die ziemlich wichtig für die Leistung des Autos sind. Davon abgesehen war seine Leistung auf den weichen Reifen sehr stark. Es war ein starker vierter Platz, der ohne die Strafe ein sicherer zweiter Platz gewesen wäre.

Mark Webbers Bremsen versagten., Foto: Sutton
Mark Webbers Bremsen versagten., Foto: Sutton

Wie kam es zum Ausfall von Mark?
Christian Horner: Wir haben auf den Daten gesehen, dass Marks Bremsenverschleiß plötzlich stark anstieg. Deshalb haben wir ihn zwei Runden früher reingeholt als geplant, um einen Sicherheitscheck zu machen. Das Teil sah dabei in Ordnung aus. Aus diesem Grund hat der Chefingenieur das Auto weiterfahren lassen. Aber auf der Out-Lap ging der Verschleiß wieder nach oben. Weil Mark außerhalb der Punkte lag, haben wir entschieden, ihn aus dem Rennen zu nehmen. Leider brach genau in diesem Moment die Bremsscheibe.

Ist der Titelkampf für Ihr Team damit gelaufen?
Christian Horner: Es ist niemals vorbei, so lange eine mathematische Chance besteht. Sebastian kam Jenson [Button] und Rubens [Barrichello] ein bisschen näher. Ermutigend ist, dass wir an diesem Wochenende ein sehr schnelles Auto hatten - auf einer Strecke, die theoretisch den Brawns hätte liegen müssen. Ohne die rote Flagge im Qualifying hätten wir schnell genug sein können, um das Rennen zu gewinnen. Das ist ermutigend für Japan und die verbleibenden Rennen. Wir greifen bei jedem Rennen weiter an. Es gibt noch 30 Punkte zu holen, aber Sebastian liegt 25 Punkte zurück, das setzt viel Glück voraus. Natürlich geben wir nicht auf, aber realistisch gesehen ist es eine extreme Herausforderung.

Kann man rückblickend sagen, dass Sie die Titelchancen selbst weggeschmissen haben - mit Zuverlässigkeitsproblemen und anderen Fehlern?
Christian Horner: Wenn wir die Saison Revue passieren lassen, gab es den Rummel um den Doppeldiffusor, den verlorenen zweiten Platz in Melbourne, die Strafe in Malaysia und einige Motorschäden. Aber es gab auch einige gute Rennen. Wir haben zwölf Podestplätze, vier Pole Positions und drei Siege eingefahren. Unser Chassis war wohl konstant das Schnellste auf verschiedenen Streckentypen. In dieser Saison waren viele Teams vorne mit dabei, wir gehörten konstant zur Spitze - abgesehen von Valencia und Monza. Es war bislang eine sehr positive Saison. Die Fahrer sind sehr gut gefahren. Die Motorschäden waren schwierig, aber insgesamt war es eine fantastische Saison für das Team.

Gibt es eine Deadline für die Motorentscheidung?
Christian Horner: Die Motorfrage ist wichtig und wir müssen sie in naher Zukunft beantworten. Aber wir haben noch etwas Zeit und möchten sicherstellen, dass wir die richtige Entscheidung treffen. Renault war in den vergangenen drei Jahren ein sehr guter Motorenpartner, aber wir müssen uns alle Optionen ansehen.

Wie hoch sind die Chancen auf einen Mercedes-Motor?
Christian Horner: Das ist mehr eine Frage für Mercedes als für mich.

Sebastian Vettel hatte in Singapur kein Glück., Foto: Sutton
Sebastian Vettel hatte in Singapur kein Glück., Foto: Sutton

In der neuen Saison verändert sich nicht so viel an den Autos wie vor dieser Saison. Glauben Sie, dass Sie auch 2010 um den Titel kämpfen können?
Christian Horner: Das ist unser Ziel. Wir hatten eine tolle Saison, haben einige starke Teams geschlagen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Brawn GP bis zum Winter eines der großen Herstellerteams gewesen ist. Wir sind hingegen ein unabhängiges Team, das eine starke Truppe hat, die schon letztes Jahr ein gutes Auto gebaut hat, mit dem Sebastian für Toro Rosso ein Rennen gewonnen hat. Das haben wir in diesem Jahr fortgesetzt. Diese Kontinuität sollte auch dem RB6 für 2010 zugute kommen. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht konkurrenzfähig sein sollten.

Erwarten Sie 2010 mehr Gegenwehr von den Topteams wie McLaren und Ferrari?
Christian Horner: Das sind klasse Teams, die schon dieses Jahr einige starke Rennen hatten. Andererseits wird es 2010 kein KERS geben. Das wird einen kleinen Unterschied machen. Wir haben keinen Grund, uns zu fürchten. Aber die Formel 1 ist die am härtesten umkämpfte Rennserie der Welt. Wer hätte gedacht, dass BMW Sauber in diesem Jahr so eine Saison haben würde? Trotzdem bleiben wir sehr zuversichtlich und optimistisch.