1. - S wie Startaufstellung

"Damit hat keiner gerechnet", entfährt es Christian Danner und er sprach damit dem gesamten Paddock aus der Seele. Giancarlo Fisichella holte die erste Pole Position für Force India. "Aber das ist bei weitem nicht das einzige unerwartete Element der Startaufstellung", stellt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh fest. Neben Fisichella komplettiert Jarno Trulli die italienische erste Startreihe. Dahinter nehmen Nick Heidfeld und Rubens Barrichello Aufstellung, vor Robert Kubica und Kimi Räikkönen. Die großen Spa-Favoriten Red Bull stehen erst auf den Plätzen 8 (Sebastian Vettel) und 9 (Mark Webber).

"Das ist eine ziemlich ungewöhnliche Startaufstellung", merkt Christian Horner an. "Bei uns im Team gibt es seit Jahren eine Qualifyingwette, bei der man die ersten Fünf tippen muss", verrät Nick Heidfeld. "Ich schätze, da hat es heute kaum Treffer gegeben." Auch Timo Glock ist verblüfft: "So etwas habe ich noch nie erlebt. Das ist Wahnsinn. Wenn vorher jemand gesagt hätte, Force India steht auf Pole, hätte es geheißen, der ist wahnsinnig."

Das Beste daran, selbst der Pole-Mann muss gestehen: "Ich habe keine Ahnung, wie es zur Pole kommen konnte - es ist unglaublich", sagt Fisichella. "Ich hätte nicht mit der Pole gerechnet, vor allem, weil ich gestern schon von Platz 6 überrascht war und recht viel Untersteuern hatte. Ich bin überglücklich. Es war das beste Qualifying meines Lebens."

Nicht so gut lief es bei drei der vier Titelkandidaten. "Ich verlor das Heck in Kurve 14, die auf die Gegengerade führt und hatte dadurch keinen Speed", beschreibt Sebastian Vettel seinen Fehler. "Es machte keinen Sinn, die Runde zu beenden." Also kam Vettel an die Box zurück. "Ich hätte im Bereich von Rubens Barrichello sein können, vielleicht Platz 5."

Unglaublich, aber wahr: Fisichella und Force India stehen auf der Pole., Foto: Sutton
Unglaublich, aber wahr: Fisichella und Force India stehen auf der Pole., Foto: Sutton

Der WM-Spitzenreiter Jenson Button startet nur von Platz 14. "Es ist eine seltsame Situation an diesem Wochenende und viele Autos sind vorne, die man dort nicht erwartet hätte. Man müsste meinen, die Red Bull würden mit drei oder vier Zehnteln Vorsprung auf der Pole stehen, aber das tun sie nicht." Er schon gleich gar nicht.

Auch McLaren konnte seine Qualifyingleistung von Valencia nicht wiederholen. "Wir haben unseren Fahrern kein Auto gegeben, das schnell genug war", gesteht Whitmarsh. "Die Konsequenz ist ein enttäuschendes Qualifyingergebnis." Lewis Hamilton und Teamkollege Heikki Kovalainen scheiterten bereits im Q2.

2. - S wie Start

Wie gewohnt wird es am Start besonders spannend. An der Spitze möchte sich Nick Heidfeld gegen Jarno Trulli und vielleicht auch Giancarlo Fisichella durchsetzen. Denn sollte er den Trulli-Train erwischen, könnten damit seine Chancen auf ein gutes Ergebnis eingebremst werden. Von hinten droht Gefahr durch das einzige KERS-Auto unter den Top10: Kimi Räikkönen.

"Wir hoffen, dass uns KERS beim Start helfen kann einige Plätze gut zu machen, um in einer besseren Position für einen Podestplatz zu sein", kündigt der Finne an. "Am Ausgang der ersten Kurve und am Ende von Kurve 14 ist es sehr hilfreich."

Besonders spannend wird es im Mittelfeld. Einmal stehen die Red Bull mitten im Getümmel, aber auch die McLaren und Jenson Button sind der Gefahr einer Kollision ausgesetzt. Mit einem guten KERS-Start könnten die Silberpfeile Schwung ins Mittelfeld bringen. Davon abgesehen hofft Hamilton, dass er die Zusatz-PS auch sonst für Überholmanöver nutzen kann. "Es gibt uns die Möglichkeit auf den Geraden zu überholen, aber die meisten Autos vor uns sind auf den Geraden ebenfalls schnell. Es wird sehr schwer zu überholen."

3. - S wie Strecke

Spa-Francorchamps gilt als eine der letzten Natur- und Fahrerstrecken im F1-Rennkalender. "Die Streckenführung ist sehr spannend", findet Willy Rampf. "Nicht nur wegen der berühmten Eau Rouge: Das Spektrum der Kurvengeschwindigkeiten ist riesig, es reicht von der sehr engen Bus-Stop-Schikane bis hin zur schnellen Blanchimont."

Apropos Eau Rouge: Ist das wirklich die beste Kurve der Welt? "Ich habe keine Angst vor der Kurve, aber viel Respekt", gesteht Fernando Alonso, immerhin ein zweifacher Weltmeister. "Mit den V8 geht sie mit Vollgas. Früher, mit den V10, ging das nicht, jedenfalls nicht für uns im Minardi." Spaß macht die Eau Rouge aber immer. "Du spürst immer noch die Kompression im Körper - das ist ein schönes Gefühl, aber nicht mehr wie mit den V10. Damit musste man noch lupfen, um durchzukommen."

4. - S wie Setup

Spa ist der erste Kurs in dieser Saison, auf dem die Autos mit Medium-Downforce antreten. Dieses unbekannte Paket scheint einige Verschiebungen im Kräfteverhältnis bewirkt zu haben. "Der Unterschied ist signifikant und bedeutet, dass wir in Spa spezielle Flügel einsetzen", erklärt Rampf.

Auch die Motoren werden hart rangenommen: "Seit der Anpassung der Eau-Rouge-Kurve wird diese bei Trockenheit voll gefahren, dadurch ergibt sich die längste Volllastpassage der Saison", erläutert Mario Theissen. "Da diese zudem kräftig ansteigt, sind Motorleistung und Standfestigkeit besonders gefordert."

Gerade BMW Sauber vollbrachte bei der Setuparbeit Höchstleistungen, denn die Plätze 3 und 5 sind die beste Saisonleistung des Teams. "Wir haben kein Wunder vollbracht, sondern am Freitag schon gesehen, dass wir soweit dabei sind", erklärt Rampf. "Wir haben noch am Setup und an der optimalen Reifenausnutzung gearbeitet; das ist hier doch ein Schlüsselfaktor."

5. - S wie Strategie

In Spa steht den Piloten das gesamte Spektrum an Boxenstoppstrategien offen. Pro Boxenstopp verliert ein Fahrer rund 19,8 Sekunden. In den vergangenen sieben Jahren gab es in Belgien vier Safety-Car-Phasen, was einer SC-Wahrscheinlichkeit von 57% gleichkommt. "Spa ist die längste Rennstrecke im Kalender, und dementsprechend hat das Rennen die geringste Rundenzahl", sagt Rampf. "Das heißt, man ist bei der Rennstrategie sehr eingeschränkt, weil eine Runde mehr oder weniger einen großen Unterschied bei der mitgeführten Spritmenge ausmacht."

Am wenigsten Sprit hat unter den Top10 Rubens Barrichello in seinem Brawn, sogar noch weniger als Pole-Setter Fisichella. "Ich glaube, es ist eine aggressive Zweistoppstrategie", sagt Danner über Fisichella. Neben dem Sprit spielen die Reifen eine entscheidende Rolle. Auf einer Runde im Qualifying gab es dabei eine riesige Streuung: Bei einigen Fahrer funktionierten die weichen Reifen besser (etwa Adrian Sutil), bei anderen waren die harten Reifen besser (etwa Giancarlo Fisichella).

"Bei mir haben heute nur die harten Reifen funktioniert, die weichen überhaupt nicht", klagt Nico Rosberg. "Ich musste drei Runden fahren, erst in der dritten Runde habe ich etwas zusammenbekommen." Nick Heidfeld traf seine Reifenentscheidung schon am Freitag - zugunsten der harten Reifen: "Es war heute sehr schwierig, die richtige Reifenentscheidung zu treffen. Es ist ein kleines Rätsel, aber glücklicherweise funktionierten bei uns sowohl die weichen als auch die harten ganz gut."

Diese Aussage gilt auch für Sebastian Vettel, der die Reifen nicht als das größte Problem ansieht. "Unser Auto ist auf beiden Mischungen sehr schnell", verrät er. "Im Qualifying haben wir die weichen benutzt, weil die für uns auf einer Runde etwas besser waren, im Rennen ist das vielleicht anders."

Qualifying-Positionen und Gewichte

1. Fisichella 648.0 kg (11. Runde)
2. Trulli 656.5 kg (14. Runde)
3. Heidfeld 655.0 kg (13. Runde)
4. Barrichello 644.5 kg (10. Runde)
5. Kubica 649.0 kg (11. Runde)
6. Raikkonen 655.0 kg (13. Runde)
7. Glock 648.5 kg (11. Runde)
8. Vettel 662.5 kg (16. Runde)
9. Webber 658.0 kg (14. Runde)
10. Rosberg 670.0 kg (18. Runde)
11. Sutil 678.5 kg (21. Runde)
12. Hamilton 693.5 kg (25. Runde)
13. Alonso 684.4 kg (23. Runde)
14. Button 694.2 kg (26. Runde)
15. Kovalainen 697.0 kg (27. Runde)
16. Buemi 685.0 kg (23. Runde)
17. Alguersuari 704.5 kg (29. Runde)
18. Nakajima 706.1 kg (29. Runde)
19. Grosjean 704.7 kg (29. Runde)
20. Badoer 691.5 kg (25. Runde)

Die Angaben der ersten Boxenstopps basieren auf einer Hochrechnung von Motorsport-Magazin.com und sind ohne Gewähr.

6. - S wie Spa-Wetter

Spa ohne Regen ist nicht Spa. Irgendwann regnet es immer und irgendwie besteht immer ein gewisses Regenrisiko. Wenn nicht für die gesamte Strecke, dann wenigstens für einen bestimmten Abschnitt oder auch nur eine einzige Kurve. Das Ardennenwetter ist berühmtberüchtigt für seine Kapriolen. Fahrer wie Jenson Button, Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen hoffen genau darauf: Nur so können sie noch ganz vorne ein Wörtchen mitreden.

"Je weiter hinten man steht, desto mehr hofft man auf verrückte Wetterbedingungen", weiß Mario Theissen, der in dieser Saison schon zu oft auf genau diese Hoffnung hegte. "Hier würde ich ein Trockenrennen bevorzugen." Schließlich starten seine Fahrer vorne. "Aber wenn es nass sein sollte, weiß ich, dass unsere Fahrer damit gut umgehen können."

Da Spa aber schon im Trockenen schwierig ist, erhöht sich der Schwierigkeitsgrad im Nassen weiter. "Hier im Nassen zu fahren, ist ausgesprochen schwierig, denn die Strecke wird dann extrem rutschig", verrät Fernando Alonso. "Du musst schon sehr gute strategische Entscheidungen treffen, um im Regen nach vorn zu kommen. Wenn du mit den falschen Reifen eine Runde zu lang draußen bleibst, reicht das, um dein Rennen zu ruinieren, denn auf diesen langen Runden verlierst du gleich sehr viel Zeit. Wenn es regnen sollte, gerät das Rennen zur Lotterie."

7. - S wie Spannung

So viele Fragezeichen und sogar Sieganwärter gibt es selten vor einem Rennen - und das im Trockenen. Der erste Spannungsbogen ist jener der Titelanwärter. "Es hilft mir nicht viel, dass Button hinter mir steht, weil immer noch sieben Autos vor mir sind", gibt sich Vettel realistisch. "Aber natürlich ist es gut, ihn hinter mir zu haben."

Erst recht für Rubens Barrichello, der innerhalb von nur einer Woche noch einmal viele Punkte im Titelkampf gutmachen könnte. "Noch ist alles offen, aber es ist meine beste Chance bislang, ihm Punkte abzunehmen." Button ist sich dessen bewusst und der Brite macht sich auch keine Illusionen, dass ihm Force India, Toyota, BMW Sauber & Co behilflich sein könnten und Barrichello, Vettel und Webber Punkte abnehmen werden.

"Die Autos, die im Qualifying schnell waren, scheinen an diesem Wochenende sehr viel mit wenig Sprit gefahren zu sein", erklärt Button. "Sie haben ihre Performance durch Setupänderungen mit wenig Sprit erreicht. Ich kenne ihre Rennpace nicht, aber ich bin mir sicher, dass die Rennpace von vielen der Autos vorne nicht so gut sein wird wie die der Red Bull. Mein Problem ist, dass ich so weit hinten stehe." Denn seine Rennpace erachtet er als gut.

Von Buttons schlechter Position möchten viele profitieren und den ersten Saisonsieg oder den ersten Sieg überhaupt einfahren. Zum Beispiel Toyota. Jarno Trulli ist bekannt dafür, dass er nur schwer zu überholen ist, sollte er sich also am Start gegen Fisichella durchsetzen, könnte ihm das einen entscheidenden Vorteil bringen. Selbst Timo Glock würde sich angesichts der ungewissen Toyota-Zukunft darüber freuen: "Im Moment muss man im Sinne des Teams denken. Klar wäre ich froh, wenn ich das Rennen gewinnen könnte oder in der Position dafür wäre. Jarno ist aber in der besseren Ausgangsposition und wenn er das schafft, dann freue ich mich genauso."

Nick Heidfeld könnte für einen deutschen Sieg sorgen., Foto: Sutton
Nick Heidfeld könnte für einen deutschen Sieg sorgen., Foto: Sutton

BMW Sauber hat schon einmal gewonnen, Nick Heidfeld noch nicht. Er selbst spricht es zwar nicht offen aus, aber sollte er am Start an den beiden Italienern vorbei kommen und dann der Rest im Trulli-Train stecken, während er vorne frei Fahrt hat, könnte am Sonntag die deutsche Nationalhymne im Doppelpack erklingen. Offiziell sagt Heidfeld nur so viel: "Wenn du aus den Top-3 startest, ist es mindestens das Ziel, aufs Podium zu kommen." Eine Vorgabe, die sein Chef Mario Theissen teilt: "Wenn man auf einem Podiumsrang losfährt, hat man natürlich auch das Ziel, in der Gegend das Rennen zu beenden."

Selbst von Startplatz 6 denkt Kimi Räikkönen an den Sieg. Denn die Gegner, die vor ihm stehen, glaubt er schlagen zu können. "Mit dieser Startaufstellung ist die Chance auf einen Sieg größer", kündigt er an. "Ich denke, es wird morgen sehr viel an der Spitze passieren." Heidfeld, Trulli, Räikkönen - nur Fisichella spricht nicht vom Sieg. "Gewinnen ist vielleicht etwas zu hoch angesiedelt, aber wir haben eine gute Basis, um gut abzuschneiden", sagt der Pole-Mann. "Unser Hauptziel ist der erste Punkt, was für uns wie ein Sieg wäre." Insgeheim träumt er aber mindestens von einem Podestplatz.

"Ich glaube, das Rennen wird extrem spannend", prophezeit Christian Klien. "Vorne mit Force India, mal schauen, ob sie die Pace im Rennen halten können. Ansonsten wird es sicher spannend wie man sie überholt." Und dann gibt es da noch McLaren Mercedes, die von hinten in die Punkte fahren möchte. "Mein Plan ist es immer noch, im Rennen in die Punkte zu fahren", sagt der Ungarn-Sieger Hamilton. "Hoffentlich können wir einige Autos schon in der ersten Runde überholen", hofft Norbert Haug. "Selbst von den Plätzen 12 und 15 ist es für uns nicht unmöglich, eine gute Leistung zu zeigen."