Warum kommt Schumacher zurück?

Nach dem schweren Unfall von Ferrari-Pilot Felipe Massa hat sein Ex-Team Michael Schumacher gebeten, als Ersatzfahrer für seinen ehemaligen Teamkollegen einzuspringen, bis dieser wieder fahrtüchtig ist. Der Brasilianer war im Qualifying zum Ungarn GP am vergangenen Wochenende von einer Metallfeder am Kopf getroffen worden und wird seitdem in einem Krankenhaus behandelt. Seine Genesung verläuft viel versprechend, doch einige Rennen wird Massa garantiert verpassen. In diesen soll Schumacher ihn ersetzen, angefangen beim anstehenden Großen Preis von Europa in Valencia am 23. August.

"Ich habe mich heute Nachmittag mit Stefano Domenicali und Luca di Montezemolo besprochen und wir haben gemeinsam entschieden, dass ich mich darauf vorbereiten werde für Felipe einzuspringen", bestätigte Schumacher am Mittwoch auf seiner Website. "Obwohl das Thema Formel 1 für mich seit langem und komplett abgeschlossen war, kann ich aus Verbundenheit zum Team diese unglückliche Situation nicht ignorieren. Als Wettkämpfer, der ich nun mal bin, freue ich mich aber auch auf diese Herausforderung."

Wer ist eigentlich Michael Schumacher?

Für den Fall, dass sich jemand hierher vergoogelt hat: Michael Schumacher ist der erfolgreichste Formel-1-Rennfahrer aller Zeiten. Ein paar Zahlen belegen das: 24.126 Führungskilometer, 5.108 Führungsrunden, 1.369 WM-Punkte, 154 Podestplätze, 91 GP-Siege, 76 schnellste Rennrunden, 68 Pole Positions und 7 WM-Titel, um nur ein paar zu nennen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass einige dieser Zahlen sich bei seinem Comeback verändern werden.

Wie fit ist Schumacher?

Im Vergleich zu den Tagen als aktiver Formel-1-Fahrer ist Schumacher nicht mehr so fit wie früher. Allerdings zog er auch in den letzten Jahren ein gewisses Trainingsprogramm durch, das jedoch nicht an die Erfordernisse der Formel 1 angepasst war. Trotzdem war er fit genug, um bei Motorradrennen in der Internationalen Deutschen Meisterschaft gut mitzufahren. Bei einem Motorradtest zog er sich in diesem Jahr einige Verletzungen zu, unter anderem am Nacken, die sein Comeback behindern könnten. Seitdem hat er zwar einmal am Sachsenring ein Motorrad getestet, aber kein Motorradrennen mehr bestritten. Dafür saß er danach bei mehreren Kartrennen am Steuer.

Um sich auf einen Renneinsatz in der Formel 1 vorzubereiten, absolviert Schumacher in den kommenden Wochen bis Valencia ein spezielles Trainingsprogramm. Sollte er dieses ohne Probleme durchziehen und mit dem gewünschten Erfolg abschließen können, wird er Massa als Ersatzfahrer vertreten. Erst danach möchte Ferrari Schumacher offiziell als Ersatzfahrer bestätigen. Schumacher fühlt sich selbst fit genug, um den Anforderungen der Formel 1 gewachsen zu sein.

Wann hat Schumacher zuletzt ein F1-Auto gefahren?

Seit seinem Rücktritt zum Ende der Saison 2006 saß Michael Schumacher bei drei verschiedenen Tests für insgesamt sechs Tage in einem Formel-1-Auto. Seine Testrückkehr feierte er im November 2007 mit zwei Testtagen in Barcelona. Danach saß er im Dezember 2007 in Jerez für zwei Tage im Auto. Im Februar und April 2008 wiederholte er seine Testausflüge als Ferrari-Edeltester in Barcelona. Bei seinen Testfahrten saß er jeweils in einem F2007 respektive F2008.

Den F60 aus der Saison 2009 hat Schumacher noch nie gefahren. Mehr als einen Aerodynamiktest auf einer Geraden wird er vor seinem Comeback sowie zwischen den einzelnen Rennen nicht absolvieren dürfen. Das verbietet das diesjährige Testverbot während der Formel-1-Saison. Immerhin: Bei seinen ersten beiden Tests 2007 in Barcelona fuhr er nach einem Jahr F1-Pause auf Anhieb zwei Tagesbestzeiten. Auch bei den restlichen vier Testtagen drehte er schnelle Rundenzeiten.

Was hat Schumacher seit seinem Rücktritt gemacht?

Mit der Familie entspannen, verreisen, mit Walen tauchen, Michael Schumacher erfüllte sich nach seinem F1-Rücktritt Wünsche, die als aktiver F1-Fahrer nicht möglich waren. Zwischendrin packte ihn aber immer wieder der Motorsportvirus. So ist er seit seinem Abschied in Brasilien 2006 als Berater für Ferrari tätig und besuchte ausgewählte Rennen. Sportlich betätigt er sich bei seinem Lieblingshobby Fußball sowie mit gelegentlichen Kart- und Motorradrennen.

So nahm Schumacher 2008 rein zum Spaß an fünf IDM-Rennen und einigen weiteren Motorradläufen teil. Zusammen mit Sebastian Vettel bestritt er das Race of Champions im Wembley Stadion in London. Gemeinsam gewannen die beiden deutschen F1-Stars den Nationentitel 2007 und 2008. Auch für das Race of Champions 2009 in Peking haben Schumacher und Vettel schon zugesagt.

"Es ist einfach die perfekte Kombination aus guten Fights auf der Strecke und gemeinsamer Gaudi, und das überträgt sich auch auf die Zuschauer", freut er sich auf die Neuauflage. Was für ihn besonders wichtig ist: "Dass das Race of Champions dabei hilft, Geld für das Institut für Hirn- und Rückenmarkskrankheiten ICM zu sammeln, das gerade in Paris aufgebaut wird und bei dem ich eines der Gründungsmitglieder bin."

Zuletzt entdeckte Schumacher seine Liebe zum Kartfahren wieder. Zweimal nahm er im Winter am Kartturnier von Felipe Massa in Brasilien teil, einmal holte er sogar den Gesamtsieg. Diesen Sommer fuhr Schumacher aus Spaß bei der Kerpener Kartmeisterschaft mit - und gewann alle drei Läufe. "Das war extrem lustig, weil es eigentlich aus einer Laune heraus passierte, ohne große Vorbereitung", verriet er. "Es hat tierisch Spaß gemacht. Hat sich gelohnt, der Trip."

Sein letztes Kartrennen absolvierte Schumacher im italienischen Lonate, wo er gegen mehrere aktuelle Formel-1-Piloten antrat. "Kartfahren ist heutzutage fast härter als die Formel 1, wo es ja Powersteering gibt, und wir haben teilweise so viele Runden am Stück gedreht, dass wir hinterher echt über uns selbst lachen mussten. Das war großer Spaß, großes Kino - vor allem, weil es so viele Jungs geschafft haben zu kommen." In Valencia trifft er wieder auf sie, dann aber auf dem neuen Formel-1-Stadtkurs, den Schumacher noch nicht aus seiner Karriere kennt.

Wie stehen Schumachers Chancen?

Seit ein mögliches Comeback von Michael Schumacher erstmals aufkam, stellt sich die Motorsportwelt eine Frage: Wie wird Schumacher nach gut zweieinhalb Jahren Rennpause gegen alte Rivalen und die junge Garde abschneiden? Wie wird es laufen, wenn Schumacher nicht die absolute Nummer 1 im Team ist, sondern er an der Seite des etatmäßigen Stammpiloten Kimi Räikkönen die Ersatzrolle übernimmt? Ausgerechnet jener Kimi Räikkönen, der 2007 sein Cockpit übernahm, den WM-Titel gewann und der genauso wenig mit Schumacher in einem Team fahren wollte wie dieser mit ihm.

"Ich habe ihm eigentlich abgeraten, und ihm gesagt: Das Problem ist, die Erwartungshaltung der Menschen, wenn ein Schumacher wieder ins Auto steigt, dann wollen sie ihn siegen sehen", verriet Schumachers Manager Willi Weber dem Tagesspiegel. Die Fans, egal ob Schumacher- oder Nicht-Schumacher-Fans, erwarten Erfolge, egal wie realistisch oder unrealistisch diese sind. Die Gegner wollen sich mit Schumacher messen und ihn schlagen. Zum ersten Mal trifft die neue Generation rund um Weltmeister Lewis Hamilton und Jungstar Sebastian Vettel auf den Rekordweltmeister. Bislang konnten sie sich nur bei den wenigen Aushilfstests von Schumacher mit ihm messen.

All das bremst den 40-Jährigen genauso wenig wie sein fortgeschrittenes Sportleralter. "Er hat eine Riesenlust", sagt Weber. "Und eigentlich freue ich mich schon darauf, das wird ein schönes Wochenende", sagte Willi Weber. "Mir war sowieso langweilig, ihm wahrscheinlich auch. Ich bin sehr gespannt, wo er landen wird." Und wo kann Schumacher landen - ohne richtige Testfahrten, mit einer ungewissen Fitness und einem unbekannten Auto, das zudem bislang keinen GP gewonnen hat? Weber ist sich sicher: "Er wird auf jeden Fall zwei bis drei Zehntel schneller sein als die bisherigen Stammpiloten, wenn nicht sogar eine halbe Sekunde."