Ohne Vorwarnung verliert Kimi Räikkönens F2008 massiv an Leistung. Der Finne wundert sich, blickt in den Rückspiegel und sieht das rechte Auspuffendrohr an einem Kabel im Wind flattern. Sofort weiß er: "Wenn so etwas passiert, dauert es nicht mehr lange, bevor etwas anderes schief geht."

Die Rundenzeiten fallen dramatisch ab, immer wieder verliert er an Leistung, die dann plötzlich wieder einsetzt, die Verkleidung des Ferrari mit der Startnummer 1 wird gefährlich angekokelt, es brennt sich regelrecht ein Loch ins rote Karbon, irgendwann fliegt das Endrohr in einer Kurve ganz ins Kiesbett. Aber der Ferrari hält bis ins Ziel durch. "Ich konnte sogar noch ziemlich gute Rundenzeiten fahren und Zweiter werden", freute sich Kimi auf seine Art - ohne viel Lächeln. "Andererseits hatte ich Glück, dass ich überhaupt ins Ziel gekommen bin, denn das Auto blieb einige Male fast stehen." Viele Runden hätte er so nicht mehr durchgehalten.

Risiko Auspuffschaden

Während die Tifosi beteten, dass ihr Held den Ferrari ins Ziel würde retten können, fragten sich andere Beobachter, warum die Rennleitung den angeschlagenen Ferrari nicht aus dem Rennen nahm beziehungsweise Ferrari zu einem Reparaturstopp veranlasste?

Ein im falschen Moment wegfliegendes Auspuffteil hätte nicht nur für hinterherfahrende Piloten, sondern auch für Streckenposten und Zuschauer zu einem gefährlichen Geschoss werden können. Für solche Fälle gibt es die schwarze Flagge mit einem orangen Punkt, die dem Fahrer anzeigen soll, dass er einen Defekt hat, der andere gefährden könnte. Ein Boxenstopp in der nächsten Runde wäre die Folge gewesen.

Renndirektor Charlie Whiting hielt eine solche Maßnahme jedoch nicht für nötig. "Der Renndirektor hat das Risiko als gering eingestuft, da das Teil leicht war", verriet eine FIA-Sprecherin hinterher. Auch Ferrari sah sich nicht zu einem Sicherheitsstopp veranlasst. Als Räikkönen zu seinem geplanten Stopp an die Box kam, hatte sich der Auspuff bereits von alleine gelöst und war in Runde 62 ins Kiesbett geflogen.

Kimi inspizierte den Schaden selbst., Foto: Sutton
Kimi inspizierte den Schaden selbst., Foto: Sutton

"Es war nur noch das Kabel da und wir entschlossen uns, es nicht abzuschneiden, da wir dadurch vielleicht mehr Zeit verloren hätten und Trulli hinter uns aufholte", erklärte Teamchef Stefano Domenicali. "Aus Strategie- und Teamworksicht wurde alles korrekt gemacht."

WM-Leader Nummer 4

"Letztlich ist es eine Enttäuschung, da ich ein gutes Wochenende mit der Pole und einer klaren Führung hatte, aber andererseits nehme ich acht Punkte mit und stehe in der WM besser da als zuvor", sah Räikkönen das Positive an seinem Frankreichabstecher, der ihm im letzten Jahr noch einen Sieg und die Wende in der WM gebracht hatte. Nach Magny Cours führte bereits der vierte Pilot in diesem Jahr die Fahrerwertung an: Felipe Massa war der erste Brasilianer seit Ayrton Senna, der auf Platz 1 der Formel 1-WM stand.

Die vielen Wechsel an der WM-Spitze zeigten, dass die Saison 2008 so abwechslungsreich wie schon lange nicht mehr war. Nach den letzten vier Rennen vor Magny Cours führte jeweils ein anderer Fahrer die Weltmeisterschaft an. Bis dahin hatte nur BMW Sauber eine weiße Weste. Ferrari und McLaren hatten in den ersten sieben Rennen gleich mehrmals gepatzt - entweder durch Fehler des Teams, Fehler der Fahrer oder durch eine allgemein schwache Performance. "Wir haben das Potential, um sehr gut abzuschneiden", betonte Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali, "aber wir müssen in jedem Detail perfekt sein, vor allem bei der Zuverlässigkeit."

Jeder kann gewinnen

Bei der Standfestigkeit lag 2008 BMW Sauber vorne, doch in Magny Cours legten sie zum ersten Mal ein "Wellental" ein, wie es Mario Theissen nannte. "Dass Ferrari hier sehr stark ist und einen Riesenvorteil hat, war schon am Freitagmorgen zu sehen", analysierte der Motorsportdirektor. "Unsere Pace war an diesem Wochenende ganz einfach nicht gut genug", sagte Willy Rampf ehrlich. "Trotzdem haben wir die zweite Position in der Konstrukteurswertung verteidigt."

Denn McLaren Mercedes rühmte sich zwar einer guten Pace, konnte diese aber wegen dreier Strafen nicht in das gewünschte Ergebnis umsetzen. "Wenn man an einem Wochenende drei Strafen bekommt, ist es schwierig, daraus etwas zu machen", betonte Martin Whitmarsh. Ohne die Durchfahrtsstrafe für Lewis Hamilton wäre für ihn Platz 3 möglich gewesen, glaubte Norberg Haug. So musste sich das Team mit Platz 4 von Heikki Kovalainen trösten. Andererseits sagte Whitmarsh: "Wir hatten dieses Jahr schon so viele Dinge, die schief gelaufen sind, und sind trotzdem mit Lewis nur 10 Punkte vom WM-Führenden weg."

Zwei Strafen hielten Hamilton zurück., Foto: Sutton
Zwei Strafen hielten Hamilton zurück., Foto: Sutton

Das weiß auch der neue WM-Leader Massa. "Ich habe in den ersten beiden Rennen nicht gepunktet und führe die WM jetzt an", rechnete er vor. "Kimi hat in den letzten beiden Rennen nicht gepunktet und kämpft trotzdem um die WM, also dürfen wir niemanden außer Acht lassen." Magny Cours stellte gerade erst die Halbzeit der WM-Saison dar. "Es ist noch ein langer Weg bis zum letzten Rennen."

Hamilton vs. Vettel

Schon vor dem Wochenende wusste Lewis Hamilton, dass es schwer werden würde. In Folge seiner Boxengassenkollision von Montreal bekam er eine Strafversetzung um 10 Startplätze. Aber auch im Rennen handelte er sich eine Strafe im Zweikampf mit Sebastian Vettel ein.

"Es ist immer gefährlich, Strafen zu kommentieren", sagte Martin Whitmarsh. "Die Stewards müssen andere Informationen gehabt haben als wir." Auch Ron Dennis wählte den "konstruktiven" Weg und wollte keine Meinung kundtun. Nur Lewis Hamilton verteidigte sich öffentlich: "Die Durchfahrtsstrafe war für mich nicht eindeutig", sagte der Brite. "Ich glaubte, dass ich Vettel fair überholt hatte und eingangs der nächsten Kurve vor ihm war, wenn ich nach innen gezogen hätte, wären wir miteinander kollidiert."

Vettel sah Hamilton an sich vorbeischießen und dachte danach, dass er ihn wieder vorbeilassen würde. "Er ist geradeaus gefahren und hat den zweiten Teil geschnitten, normalerweise lässt man dann das Auto wieder vorbei", sagte Vettel. "Ich habe ihn nicht vorbeigelassen, weil ich nicht glaubte, dass ich ihn über den Kerb überholt habe", verteidigte sich Hamilton. "Ich hatte ihn schon vorher überholt."