Es ist eine Männerfreundschaft der ganz besonderen Art. Auf den ersten Blick haben sie nicht viel gemeinsam, der junge, hitzige Brasilianer und der erfahrene, typisch deutsche Rekordchampion. Aber Felipe Massa wird seit jeher von Michael Schumacher gelobt, in dieser Saison auch als Sieg- und Titelanwärter ins Spiel gebracht. Michael Schumacher wird wiederum von Felipe Massa als Lehrmeister gefeiert, immer wieder erinnert Massa an den Deutschen. In Istanbul schaffte Massa das, was zuletzt seinem Lehrer vorbehalten war: der dritte Sieg auf ein und derselben Strecke - und das in Serie und obendrauf jedes Mal von der Pole Position.

Nach den Fehlern und der vernichtenden Kritik der ersten Saisonrennen war das Balsam auf die brasilianische Seele. Selbst sein alter Wegbegleiter und Technikdirektor Ross Brawn sagte in Istanbul offen, er hätte nicht gedacht, dass Massa mit Räikkönen mithalten könne. Doch Massa zeigte es den Kritikern auf seiner Lieblingsstrecke und kassierte die Streicheleinheiten seines Teamchefs Stefano Domenicali. Massa war sogar an einer Seltenheit, einer wahren Rarität der modernen Formel 1 beteiligt: einem Überholmanöver im Kampf um den Sieg. Das erste seit Ewigkeiten. Allerdings wurde Massa von Hamilton überholt... Gewonnen hat er trotzdem. Das gehört zu den weniger seltenen Erkenntnissen der Formel 1: es gewinnt nicht immer der, der überholt. Die Strategie entscheidet.

Ferrari oben auf

So wusste Kimi Räikkönen schon nach dem Qualifying, dass es für ihn schwer werden würde, das Rennen zu gewinnen. Eigentlich hatte er schon am Donnerstag eine Vorahnung. "Es geht so eng zu, dass es einen schmerzt, wenn man ein Training verliert." Genau das geschah dem Finnen am Freitagmorgen wegen eines Getriebeproblems. Dennoch: fünf Rennen, vier Siege - schnell kam das Wort der Ferrari-Dominanz in den Sinn.

Massa machte den Istanbul-Hattrick perfekt., Foto: Sutton
Massa machte den Istanbul-Hattrick perfekt., Foto: Sutton

Stefano Domenicali wollte davon nichts wissen. "Es ist nicht richtig, zu sagen, dass wir dominieren, denn wenn man sich die Weltmeisterschaft ansieht, dann ist die Situation sehr knapp." Istanbul habe gezeigt, dass McLaren sehr nahe dran sei. Sie hätten sogar ihre Philosophie geändert und seien in Qualifying wie Rennen aggressiver zu Werke gegangen.

McLaren mit Handicap

Das hatte jedoch einen Grund: McLaren musste bei Lewis Hamilton sicherheitshalber drei Stopps einlegen, um die Reifen nicht überzustrapazieren. "Wir mussten auf Pole fahren, um den Nachteil zu minimieren", sagte Martin Whitmarsh. Christian Danner sah das genauso: "Hamilton hat das Rennen im Qualifying verloren." Der Brite bestätigte diese Analyse: "Von der Pole Position wäre heute vielleicht sogar der Sieg möglich gewesen."

Aber was genau war das Problem mit Hamiltons Reifennutzung? Schon 2007 hatte Lewis Hamilton Reifenprobleme in Istanbul, im Rennen löste sich sogar die Lauffläche seines rechten Vorderreifens. Obwohl Bridgestone die Konstruktion veränderte, zeigten sich an Hamiltons Reifen auch in diesem Jahr noch kleine Reifenfehler. Reifenhersteller und Team begründeten das mit seinem einzigartigen Fahrstil, der den rechten Vorderreifen in Kurve 8 besonders belastete - mehr als alle anderen Fahrer. Selbst Teamkollege Heikki Kovalainen hatte mit dem gleichen Material keine Reifenprobleme.

Um die Sicherheit des Fahrers nicht aufs Spiel zu setzen, machte Bridgestone dem Team zwei Vorschläge: mit mehr Reifendruck zu fahren oder eine Zweistoppstrategie mit 20, 18 und 20 Runden pro Stint zu wählen. Letzteres war die bevorzugte Variante der Japaner. Das Problem trat bei Hamilton sowohl bei den weichen als auch den harten Reifen auf, da es sich nicht auf die Mischung, sondern die Konstruktion bezog.

Etwas Positives sah man bei McLaren trotzdem: "Wir hätten Ferrari schlagen können", war Whitmarsh überzeugt. Nicht nur mit Hamilton, auch Heikki Kovalainen hätte ohne seinen Reifenwechsel nach der ersten Runde Siegchancen gehabt. Whitmarsh war sich aber sicher, dass Kovalainen dieses Versäumnis noch in dieser Saison nachholen würde - er sollte recht behalten. Allerdings gehörte auch jener Tag in Ungarn eigentlich Felipe Massa - bis zu dessen Motorschaden kurz vor Schluss.

McLaren vor BMW Sauber

Die verbesserte Form der Silbernen (im Vergleich zum vorherigen Rennen) machte Danner daran fest, dass McLaren endlich einmal alles auf die Reihe gebracht und keine Fehler gemacht habe. BMW Sauber spielte im Konzert der beiden Großen in der Türkei keine Rolle. "McLaren und Ferrari waren Kopf an Kopf", analysierte Niki Lauda. "BMW Sauber ist hier streckenbedingt zurückgefallen." Dem musste Mario Theissen zustimmen. "McLaren war hier schneller als wir", gestand er.

Hamilton überholte, Massa siegte., Foto: Sutton
Hamilton überholte, Massa siegte., Foto: Sutton

Aber als allgemeingültig sah er diese Aussage nicht an. Für ihn blieb die WM noch immer ein Dreikampf. "Im Rennen war das nicht so, aber das war uns schon am Samstag klar", so Theissen. McLaren sei nur innerhalb eines Rahmens schneller gewesen, der sich von Strecke zu Strecke verändern könne. Gemeint war die Nutzung der Reifen, vor allem bei veränderten Streckenbedingungen, sprich gestiegenen Temperaturen, wie während des Qualifyings am Samstag.

"Sagen wir es so: vielleicht war McLaren hier nicht mehr so schlecht wie bei den Rennen zuvor", setzte Danner den Gedankengang fort. "Beim Standardniveau liegen Ferrari und McLaren fast gleichauf, BMW Sauber dahinter. Wenn McLaren etwas verkehrt macht, dann ist BMW davor." Und selbst Ferrari darf sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen, schon gar nicht vor dem Rennen in Monaco, wo die Roten letztes Jahr Probleme hatten und ohnehin alles möglich ist. "Ferrari ist insgesamt am schnellsten", gibt Norbert Haug zu, "aber wenn du vor ihnen fährst, sind sie nicht schnell genug, um dich auf der Strecke zurück zu überholen." Bislang reichte ihnen dazu der Konter an der Tankstelle.