Denis, was sind Ihre frühesten Erinnerungen an den Motorsport?
Denis Chevrier: Da fallen mir insbesondere die ersten Artikel ein, die ich 1966 und 1967 in der Moto Revue gelesen habe. Auch das erste DIN A4-Poster, das ELF Ende der 60er verteilt hat, ist unvergessen. Ebenso wie das Bild von Jackie Stewart, der mit seinem Formel 1-Rennwagen auf einer Kuppe abgehoben ist. Ich denke, dies war auf der alten Nürburgring-Nordschleife.

Stimmt. Welches Rennen war das erste, das Sie live gesehen haben?
Denis Chevrier: Das Bol d'Or-Rennen für Motorräder 1969. Den ersten Formel 1-Grand Prix habe ich dagegen erst 1985 erlebt, damals bereits als Ingenieur in Diensten von Renault Sport.

Wie haben Sie den Sprung in die Formel 1 geschafft?
Denis Chevrier: Meine ersten Sporen habe ich mir im Motorrad-Rennsport verdient. Alsbald wurde mir jedoch klar, dass mir als Ingenieur dort aus technischer und finanzieller Hinsicht enge Grenzen gesetzt bleiben werden, es gab keine echte Fortentwicklung. Zeitgleich suchte Renault neue Mitarbeiter, da sie mit Tyrrell noch ein drittes Grand Prix-Team mit Motoren ausrüsten wollten. Also habe ich mich ganz spontan bei Renault Sport beworben, bin von Bernard Dudot zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden und gleich da geblieben.

Was ist Ihre schönste Erinnerung aus der Zeit, seit sie für Renault arbeiten?
Ganz klar Silverstone 1992 mit Nigel Mansell im Williams-Renault. Im Qualifying holte sich der Brite mit einem Vorsprung von mehr als 2,5 Sekunden auf Ayrton Senna die Pole Position und wollte gegen Ende der Session sogar noch einmal rausfahren, um seinen Bestwert weiter zu verbessern! Auch das Rennen war unvergesslich: Wer so überlegen dominiert kann nur aufgrund eines technischen Defekts den Sieg noch vergeigen. Der Druck, der auf uns lastete, war enorm.

Gibt es bei den vielen Fahrern, mit denen Sie in ihrer Karriere bislang zusammengearbeitet haben, einen speziellen Favoriten?
Denis Chevrier: Schwierig zu sagen, denn das ist ja auch eine Frage der jeweiligen Generation. Als ich anfing bei Renault, war ich in etwa genau so alt wie die Piloten. Das trifft heute nicht mehr ganz zu, denn die Fahrer werden immer jünger. Im Ernst: Ich bin nur ein Jahr älter als Nigel Mansell, zwischen Ayrton Senna und mir lag bereits eine halbe Generation, und Fernando Alonso könnte auch mein Sohn sein.

Wie würden Sie die Philosophie des ING Renault F1 Teams in drei Worten beschreiben?
Denis Chevrier: Kampfgeist, Disziplin, Begeisterung.

Welches Formel 1-Rennen werden Sie niemals vergessen?
Denis Chevrier: In der jüngeren Vergangenheit war es bestimmt Fernando Alonsos Sieg im verregneten Ungarn-Grand Prix 2006. Das hat mich sehr an den Auftritt von Ayrton Senna 1993 in Donington erinnert. Auch der Große Preis von Spanien 2006 hat sich tief auf meiner Festplatte eingebrannt.

Womit hätten Sie sich beschäftigt, wenn Sie nicht den Sprung in die Formel 1 geschafft hätten?
Denis Chevrier: Keine Ahnung. Am naheliegendsten ist es wohl, dass ich mein Engagement im Motorradsport fortgesetzt hätte - auch wenn das kommerzielle und technische Umfeld auf Dauer nicht meine Sache gewesen wäre.

Woran mangelt es der modernen Formel 1?
Denis Chevrier: Meines Erachtens an der Begeisterung. Ich treffe immer mehr Menschen in der Boxengasse, die nicht für den Sport leben, sondern einfach einen Job erledigen.

Was würden Sie am liebsten am technischen Reglement ändern?
Denis Chevrier: Das lässt sich kaum definieren, da alles und jedes untrennbar miteinander zusammenhängt. Wir reden natürlich viel darüber, dass Überholmanöver in der Formel 1 rar geworden sind. Meines Erachtens ist es aber sehr schwierig, dies nur über die technische Seite zu lösen. Die spannendsten Rennen ergeben sich nun einmal immer dann, wenn das schnellere Auto nicht vorne wegfährt, sondern erst noch an die Spitze vordringen muss. Entweder wir ändern die Rahmenbedingungen, um dies sicherzustellen, oder wir schrauben zwei Räder ab und machen aus den Formel 1-Monoposti Rennmotorräder.

Welches Team schlagen Sie am liebsten bei einem Grand Prix?
Denis Chevrier: Es hat mir schon ein ganz besonders Vergnügen bereitet, dass wir im vergangenen Jahr Ferrari und den gesamten mit der Scuderia zusammenhängenden Mythos besiegt haben.

Wie lange werden wir Sie noch in der Formel 1 erleben?
Denis Chevrier: Keine Ahnung. Das hängt auch von den bevorstehenden Reglements-Änderungen ab. Wenn sie wieder Innovationen erlauben und technische Herausforderungen bieten, dann bin ich bestimmt noch sehr lange dabei. Entwickelt sich die Technik in der Formel 1 jedoch zur Routine, dann würde ich mich wohl neuen Aufgaben stellen. Ich zähle nicht zu jenen Leuten, die nur in der Boxengasse arbeiten, damit sie zur Szene gehören.