Eigentlich müsste Le Castellet das Mekka der Formel 1-Teams sein. Über 180 Streckenvarianten, die längste 6,1 km (1D V2-SC), die kürzeste 0,8 km (8), ein Bewässerungssystem für 76 der Streckenvarianten, 250.000 m² Auslaufzonen, keine Kiesbetten, sondern nur farbig unterschiedlich markierte Asphaltzonen. Die Strecke hat den Namen High Tech Test Track wahrlich verdient.

Die Fahrer mögen sie trotzdem nicht. "Die Strecke ist einfach nicht besonders aussagekräftig und repräsentativ", klagte Michael Ammermüller uns schon nach den ersten GP2-Wintertests sein Leid. "Ob man da schnell ist oder nicht, bedeutet für den Rest der Saison meistens so gut wie nichts."

Trozdem ist Le Castellet die Lieblingsstrecke der GP2-Serie und auch die F1-Teams machen immer öfter dort Station. Zuletzt als Vorbereitung für den Großen Preis von Monaco. Auf der 3,593 km langen Streckenvariante 2D SC simulierten die elf Rennställe die Downforce-Verhältnisse des winkligen Straßenkurses. "Es ist die einzige Strecke, die halbwegs Monaco simulieren kann", bestätigt uns Alex Wurz. Allerdings schränkt der Österreicher ein: "Der Streckenbelag ist natürlich anders." Viel rauer. Hinzukommt der starke Mistral-Wind, der nicht nur Ralf Schumacher in der Testwoche zu schaffen machte. "An einem Punkt der Geraden hat der Wind das Auto um ein paar Meter verrissen", berichtet Ralf. "Das erlebt man manchmal auf der Autobahn, wenn man an einem windigen Tag an einem Lkw vorbeifährt, aber bei 320 km/h ist das kein schönes Gefühl!"

Bunt geht es in Le Castellet zu., Foto: Sutton
Bunt geht es in Le Castellet zu., Foto: Sutton

"Ich halte nicht viel von Le Castellet", sagt uns Nick Heidfeld offen. Die Abneigung gegenüber dem HTTT Paul Ricard begründet sich in seinen negativen Erfahrungen der vergangenen Jahre. "Ich habe es häufiger erlebt, dass man keine guten Resultate für das Team einfahren konnte." Im Gegensatz zu den anderen Testtagen erwischte Nick am Abschlusstag einen windstillen Test. "Aber das ist dort die Ausnahme, normalerweise bläst der Mistral", betont er. "Dann ist es schwierig, sinnvolle Ergebnisse zu bekommen." Ralf kennt sich damit bestens aus. Aber auch als Fahrer mag Heidfeld die Strecke nicht sonderlich. Kein Wunder: Nick liebt flüssige Herausforderungen wie Suzuka oder das Leitplankengewirr von Monaco; da passt das künstliche Le Castellet absolut nichts ins Bild.

Aber warum testen die Teams trotzdem immer wieder dort? "Ich habe keine Ahnung", gesteht uns Nico Rosberg. "Wir testen dort, weil wir die Strecke dort so bauen können, dass sie Monaco ähnlich ist", klammert er sich an die bekannten Fakten. Einen Punkt findet er dennoch: "Es ist besser, als woanders zu testen." Deswegen absolvierten die Teams die Vorbereitung auf den Kanada GP gleich im Anschluss an den zweitägigen Monaco-Test - natürlich in Le Castellet. Diesmal auf der 5,2 km langen Variante 1E. Hoffentlich war die Vorbereitung für Nick & Co trotzdem 1A.