Die strahlenden Augen verrieten nicht nur Freude, sondern auch einen nicht zu übersehenden Anteil von ungläubiger Überraschung: Lewis Hamilton schien es nicht ganz begreifen zu können, dass er tatsächlich als neuer WM-Führender auf dem Pressekonferenz-Podium in Barcelona saß: "Ich sage immer, ich lebe meinen Traum - und das ist die absolute Wahrheit."

Er habe so hart dafür gearbeitet, "und dass ich jetzt hier nach meinen erst vierten Grand Prix hier sitze, als WM-Leader gegen die absoluten Top-Piloten der Welt, das ist einfach unglaublich." Ein solches Debüt wie das des erst 21-jährigen Briten hat die Formel 1 - zumindest von den reinen Ergebnissen her - tatsächlich noch nie gesehen. Der jüngste WM-Führende aller Zeiten, vier Podiumsplätze in den ersten vier Rennen - ein Rekord nach dem anderen. Längst wurden die Schlagzeilen vom "ersten Farbigen in der Formel 1", die vor dem Saisonstart noch jede Berichterstattung über Hamilton begleiteten, abgelöst von denen über das größte Talent seit Michael Schumacher, über den kommenden Weltmeister, über die "Bedrohung" für Fernando Alonso.

So seltsam es klingt: Lewis ist auf Titelkurs., Foto: Sutton
So seltsam es klingt: Lewis ist auf Titelkurs., Foto: Sutton

Verändert hat sich auch das Leben des neuen Superstars. Vor allem die britischen Medien spielen inzwischen völlig verrückt. Schon als Hamilton aus Bahrain nach Hause kam, "war unser Haus belagert, inzwischen ist es so, dass da von früh um acht bis abends um neun Autos mit Fotografen vor der Tür stehen. Das ist schon ein ganz merkwürdiges Gefühl." Eines wollte Hamilton aber auf keinen Fall: auch in seinem direkten Umfeld ein Star zu sein. "Ich habe gleich erst mal Familienangehörige und Freunde von mir zu uns eingeladen und ihnen gesagt, das ich jetzt nicht etwa ein anderer bin, dass sie mich gefälligst ganz genauso behandeln sollen wie früher." Und er ist sich auch sicher, dass das funktionieren wird - ebenso wie umgekehrt: "Meine Familie, vor allem mein Vater, werden die ersten sein, die mich wieder runterholen, wenn ich wirklich Tendenzen entwickeln sollte, abzuheben."

Das andere Extrem merkt er ja jedes Mal, wenn er das Haus verlässt: "Wenn ich nur schnell um die Ecke in den Supermarkt gehe, merke ich schon, dass die Leute mich erkennen. Selbst wenn sie mich nicht direkt ansprechen oder um Autogramme frage - aber da wird getuschelt, da kommt da und dort ein Fingerzeig..." Noch empfindet er das als nur ungewohnt, nicht als störend, freut sich sogar über die Anerkennung: "Es war mir immer klar, dass das ein Teil meines Jobs und meines Lebens sein würde, wenn ich Erfolg habe."

Den hat er jetzt in einem Maß, wie er ihn sich selbst vor Saisonbeginn wohl kaum erhoffen, geschweige denn erwarten konnte. "Ich bin ganz ohne konkrete Ziele gekommen, ich wollte einfach nur den bestmöglichen Job machen. Ich wusste zwar vom Testen, dass ich eine ähnliche Pace habe wie Fernando - aber Rennen sind ja immer noch mal was anderes. Ich hätte nie erwartet, dass es auf Anhieb so gut laufen würde." Tatsächlich bis zum Ende um den WM-Titel mitkämpfen, ihn vielleicht sogar gewinnen zu können, ist keine Illusion mehr. Für Monaco strebt Hamilton jetzt ganz offen den ersten Sieg an. "Monaco war immer meine Strecke, da bin ich immer gute Rennen gefahren."

Die allermeisten in der Formel 1 würden ihm so einen solchen Erfolg wahrscheinlich gönnen. Der Stil, die Perfektion, mit dem Lewis seine Möglichkeiten auf der Strecke umsetzt und dabei daneben so liebenswert geblieben ist, dass selbst Konkurrenten und Manager anderer Piloten das immer wieder betonen, ist beeindruckend. Genauso wie die Nachdenklichkeit, mit der er sich schon mal auf mögliche Rückschläge einstellt. "Die werden kommen, das ist klar. Es ist meine erste Saison, es wird immer Auf und Abs geben. Und es wäre dumm von mir, mich mit dieser Vorstellung überhaupt nicht auseinander zu setzen. Es ist immer schwer, so etwas im Voraus zu wissen, aber im Moment glaube ich, dass ich darauf vorbereitet bin und dann auch damit umgehen kann."